Wir sind nun seit einer Woche in den Pyrenäen unterwegs und mindestens 1x/Tag denkt man unweigerlich an den legendären Spruch, den der deutsche Radsportler Udo Bölts 1997 seinem Teamkapitän Jan Ullrich zugerufen hat, als dieser auf der Tour de France schwächelte und damit motiviert wurde, sein Bestes zu geben.

Dass viele Höhenmeter auf uns warten, war von vornherein klar. Was allerdings nicht ganz klar war: wie wird der Zustand der Radwege/Strassen in Spanien sein? Nachdem wir von Frankreich sehr verwöhnt waren, hofften wir, dass uns im südlichen Nachbarland ähnlich gute Bedingungen erwarten würden. Die ersten paar Tage waren noch ganz okay – viel Asphalt, sodass wir die Räder nach einem knackigen Anstieg einfach laufen lassen konnten. Ich tendiere ja zu bremsen, wenn es zu schnell bergab geht – Dieter heizt immer an mir vorbei mit dem höchsten Gang und dabei tritt er noch heftig in die Pedale. „Wer bremst, verliert!“ hör ich grad noch, bevor er wie die gesengte Sau hinter der nächsten Kurve verschwindet.

Ab Pamplona verläuft der Eurovélo abschnittsweise direkt am Pilgerweg nach Santiago de Compostela – das heisst kein Asphalt, sondern wie Komoot es nennt: „Verdichteter Schotter“. Das tut zwar den Wandersleuten gut – für voll beladene Trekkingradfahrer wirds spätestens dann aber anstrengend. Selbst bei leichten Steigungen hat man das Gefühl, nicht vorwärts zu kommen. Wenn dann noch Gegenwind dazu kommt, wirds richtig zermürbend und wenn man dann für 10km eine gute Stunde braucht, kann es schon vorkommen, dass man sich fragt, warum man sich das antut.

Entschädigt wird man aber mit tollen Landschaften, mit netten Begegnungen, vielen „Buen Camino“-Zurufen von Pilgern und Dorfbewohnern und wenn man am Abend todmüde ins Bett fällt, schläft man ein mit dem Gefühl, etwas Besonderes geleistet zu haben. Und die „Pintxos“ (eine Art Tapas in Nordspanien), dazu ein Glas gut gekühlter Weißwein aus der Riojaregion, die wir grad durchradeln, lässt man sich besonders gut schmecken.

Wenn wir einen Radlertag planen, checken wir zuerst das Wetter. Wenn gutes Wetter angesagt ist (kein Regen, kein starker Wind) und wir uns fit fühlen (was zumeist der Fall ist), planen wir eine Strecke von ca. 70km. Komoot spuckt uns dann auch gleich die Höhenmeter, die Wegearten (Singletrail, Radweg, Bundesstraße,…) und die Oberflächenbeschaffenheit (Asphalt, unbefestigt, verdichteter Schotter) aus. Im nächsten step schauen wir auf booking.com, ob es am Zielort eine passende Unterkunft gibt. Falls ja, wird diese gebucht – falls nein, wird die Strecke eben etwas verkürzt oder etwas verlängert.

Gestern war ein idealer Radlertag. Nach einer erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück in unserer edlen Unterkunft, einem parador (eine Unterkunft in einem historischen Gebäude – in diesem Fall ein 600 Jahre altes Kloster, in dem es 10 exklusive Zimmer gab), starteten wir um 10:00 bei frischen 3Grad und strahlendem Sonnenschein. Eingemummt mit Schal, Haube und Handschuhen dauert es nicht lange, bis eine der 3 Schichten, der Schal und die Handschuhe in den Packtaschen verschwindet. Bis zum Zielort Burgos sind es 72km mit 840 knackigen Höhenmetern. Der Großteil des Weges verläuft direkt am Jakobsweg, d.h. viel kräftezehrender grober Schotter.

Gleich am Beginn gibts eine Straßensperre – das heisst, wir müssen einen Umweg mit etlichen Höhenmetern fahren. Entschädigt werden wir durch das tolle Wetter und die wunderschöne Landschaft. Es geht durch viele kleine Dörfer, dabei überholen wir eine Menge Pilger (es sind sehr viele Japaner, Koreaner und Chinesen am Jakobsweg unterwegs) – die Pilgersaison geht schön langsam zu Ende, viele Herbergen haben bereits geschlossen.

An einem der vielen Trinkbrunnen treffen wir Daniel. Er stammt aus der Nähe von Stuttgart und ist mit seinem Hund Siggi seit über 8 Jahren in Spanien unterwegs. Seine Habseligkeiten hat er in einer Scheibtruhe (mit Solarpaneelen, sodass er sein Handy aufladen kann) und so zieht er durch das Land und hofft auf milde Spenden. Ein Leben in Deutschland, das packt er nicht mehr – speziell die dunklen Winter machen ihn fertig. Wir geben ihm eine Packung Schokokeks und einen 10 Euro Schein – er strahlt vor Glück und zeigt uns ein zahnloses Lächeln.

Weiter geht‘s – vor uns liegt noch ein langer Weg und eine heftige Steigung rauf auf 1160m. Ein ebenfalls vollbepackter Radler holt uns ein, als wir grade den vorderen Reifen meines Rades aufpumpen. Poldi kommt aus der Bretagne und ist ebenfalls unterwegs nach Santiago, bevor er im Dezember wieder zurück fährt nach Frankreich. Gemeinsam meistern wir die extrem kräfteraubende Steigung und teilen unsere Kraftspender (Poldi hat saure drops und wir haben Schokokekse und Äpfel – wir teilen alles). Der letzte Anstieg ist so arg, dass ich meine Packtaschen runternehme und extra rauftrage (Dieter hilft mir – danke schön) und dann das nun nur 15kg schwere Rad durch den groben Schotter raufschiebe. Wenn man hier rauffahren möchte, benötigt man ein e-Mountainbike.

Die letzten 37km nach Burgos sind dafür wieder angenehm – es geht entweder sanft nach unten oder eben dahin bevor wir grad zum Sonnenuntergang in der schönen Stadt ankommen, wo wir gleich neben der Kathedrale unser Quartier beziehen. Ziemlich müde – es sind doch fast 80km und 950 Höhenmeter zusammengekommen – freuen wir uns nun auf einen Rasttag (der letzte war vor 1 Woche) und auf einen Bummel durch das sehenswerte Burgos.

Unsere 1. Unterkunft im spanischen Baskenland – hier werden wir voll verwöhnt

Heute gehts durch den finsteren Tunnel

Pamplona

In der Rioja-Region

Unser feudales Nachtquartier – ein 600 Jahre altes Kloster in Santo Domingo de la Calzada

Daniel und Siggi mit Scheibtruhe unterwegs

Poldi aus der Bretagne

Burgos

Burgos

Pinxtos, dazu ein feines Glas Wein