Meine Fahrradweltreise

Monat: Mai 2022 (Seite 1 von 1)

EINE WOCHE IN TIFLIS

Die beiden Rasttage in Kutaissi habe ich richtig gewählt, denn es hat die meiste Zeit sehr stark geregnet. Das richtige Wetter, um Galerien und Museen zu besuchen, was ich dann auch gemacht habe.

Im Hotel treffe ich Reinhold, einen Augsburger, der hier in den Bergen gemeinsam mit seiner georgischen Frau eine Selbstversorgerlandwirtschaft (2 Kühe, 1 Schwein, Enten, Hühner und Gemüsefelder) betreibt. Er sagt, dass er sehr froh ist, in Georgien zu leben – er hat den Mief und die Spießigkeit in Deutschland nicht mehr ertragen. Ich frage ihn dann, wie es hier aussieht mit der medizinischen Versorgung: er meint, dass es in Tiflis sehr gute (auch deutsche) Ärzte gibt – am Land ist es aber doch etwas schwieriger.

Da nach dem Starkregen wahrscheinlich viele Wege, die mir Komoot vorschlägt, ziemlich gatschig und verschlammt sind, beschließe ich, die Strecke nach Tiflis mit dem Zug zu fahren.  Dieser fährt 1x pro Tag (um 12:05) und benötigt für die ca. 260km fast 6 Stunden. Das Ticket für mich (inklusive Sitzplatzreservierung), das ich bereits 1 Tag vor Abfahrt am Bahnhof kaufe, kostet unglaubliche 8 Lari (2,50 EUR). Das Ticket für das Rad (5 Lari – 1,50 EUR) bekomme ich erst im Zug – na hoffentlich funktioniert das – es könnte ja sein, dass der Schaffner sagt, dass doch kein Platz für das Rad ist. 

Am nächsten Tag bin ich bereits um 11:00 am Bahnhof, in der Hoffnung, dass der Zug schon etwas früher bereit gestellt wird, sodass ich das Rad und die Packtaschen in Ruhe verladen kann (das Verladen des Rades kann ziemlich stressig sein, wenn man wenig Zeit hat und man zuerst mal herausfinden muss, in welchem Waggon das Rad abgestellt werden darf. Und wenn man es weiss: Packtaschen runternehmen – Rad raufheben in den Waggon und irgendwie verstauen – wieder zurück und die Packtaschen holen und diese zum Sitzplatz bringen. Ufff – endlich geschafft). 

Während ich am Bahnsteig auf den Zug warte, sprechen mich 2 Securitymitarbeiter an: sie wollen wissen, woher ich komme und wohin ich fahre,… Das übliche halt. Sie sprechen nur georgisch und ich antworte ihnen halt irgendwie. Ein anderer, ebenfalls georgisch wirkender Fahrgast, der auch gewartet hat, hat das mitbekommen und mich auf deutsch angesprochen: Daniel aus München – ich schätze ihn auf 35. Er lebt seit einigen Wochen in Tiflis und sieht hier etliche Geschäftschancen. Er will was machen mit Co-Working Spaces und Kryptowährung und erzählt mir, dass Georgien in gewisser Weise ein Steuerparadies ist. Er hat auch ohne weiteres eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für 1 Jahr bekommen (EU Bürger können normalerweise bis zu 3 Monate ohne Visum in Georgien bleiben). 

Und schon fährt der Zug ein – der Schaffner, der mich mit dem voll bepackten Rad am Bahnsteig stehen sieht, kommt gleich her zu mir. Ja, ich darf das Rad mitnehmen und er zeigt mir auch gleich den Waggon, in welchem ich mein bici abstellen darf. Also, Packtaschen runter – Rad raufheben in den Zug und verstauen – ich wieder raus aus dem Zug – Packtaschen nehmen und zu meinem reservierten Sitzplatz 17 tragen und dort verstauen.

Dann kommt der Schaffner und verteilt einmal Mineralwasserflaschen (das ist im Fahrpreis von 2,50 EUR inkludiert – ich pack es nicht) und schon gehts los nach Tiflis. Neben mir sitzt ein Paar – beide ca. 30 und sie unterhalten sich auf russisch. Wir kommen dann ins Gespräch – beide sprechen perfekt englisch und sie auch etwas deutsch. Sie kommen aus St. Petersburg und haben Russland im März verlassen. Beide hatten tolle Jobs (sie im IT Bereich – er ist Elektrotechnikingenieur) und sehen jetzt aber keine Zukunft für sich in Russland und sie wollen vor allem nicht, dass ihre (geplanten) Kinder in einer Diktatur aufwachsen müssen. Sie erzählen mir, wie gefährlich es ist, in Russland seine Meinung kund zu tun. Wenn man z. B. bei einer Demo gegen den Krieg erwischt wird, so kommt man zuerst einmal für ein paar Tage ins Gefängnis. Das ist nicht so schlimm. Wird man ein 2. mal erwischt (das muss nicht unbedingt bei einer Demo sein – es genügt ein Eintrag in den sozialen Medien), so gibt es ein paar Wochen Haft. Auch das geht vorüber. Heftig wird es aber, wenn man den 3. Minuspunkt kriegt: 15 Jahre Haft. Sie erzählen, dass einer ihrer Freunde jetzt gerade für 15 Jahre eingebuchtet wurde – der kommt mit 44 wieder raus.

Fast alle ihre Freunde haben Russland bereits verlassen und sind gerade dabei, sich woanders ein neues Leben aufzubauen. Alle gut ausgebildet – alle hatten gute jobs. Ein unglaublicher brain drain und wahnsinnig traurig.

Da wird einem wieder bewusst, wie gut es uns in Österreich geht.

Mit diesen interessanten Gesprächen vergingen die 6 Stunden bis Tiflis wie im Flug. 

Und dann Tiflis: am Bahnhof lauter freundliche Georgier, die mir halfen, das Rad und die Packtaschen die vielen Stufen rauf oder runter zu tragen (Lift gab es nicht) – das fand ich extrem nett, weil an anderen Orten schauen die Leute meistens einfach nur zu, wie ich mich abschleppe. 

Und der positive Eindruck wurde am Weg zum Hotel in der Altstadt noch verstärkt: was für eine schöne Stadt – sehr lebendig, tolle Architektur – viele gepflegte Parks. Hier gefällt es mir – hier bleib ich ein bisschen länger. 

Am nächsten Tag, es war Sonntag, durfte ich in einer georgisch orthodoxen Kirche bei einer Taufe dabei sein. Es wurden 2 Buben (ca. eineinhalb und 3 Jahre alt) getauft – ich bin zwar etwas zu spät gekommen und hab nicht mehr gesehen, wie die Köpfe und Füße der beiden vollständig ins Taufbecken getaucht werden (so wie es hier Brauch ist). Ich hab aber noch mitgekriegt, wie den beiden (in Badetücher gewickelt) vom Priester mit einer Schere ein paar Haarsträhnen abgeschnitten werden und diese ins Taufbecken geworfen werden. Außerdem wird ihnen Balsam auf Kopf, Hände und Füße aufgetragen, der dann wieder abgetupft wird. Doch etwas anders als bei den Katholiken und Protestanten. 

In den georgisch orthodoxen Kirchen gelten etwas strengere Bekleidungsvorschriften: Frauen sollen Kopf und Schultern bedecken (ein loser Schal um den Kopf passt da wunderbar), ausserdem soll man ein Kleid/Rock tragen bzw. wenn man eine Hose anhat, so soll man die Hüften bedecken (geht ebenfalls gut mit einem Schal oder mit einer etwas längeren Bluse). Schals und Kopftücher in verschiedenen Farben liegen oft auch beim Eingang zu den Kirchen in Boxen bereit, sodass man sich für den Besuch etwas Passendes aussuchen kann.  Ich habe in einer Boutique, in welcher georgische Mode verkauft wurde, eine nette Bluse erstanden, welche ich gleich bei den Kirchenbesichtigungen ausführen konnte (passt hoffentlich dann auch für den Iran).

In der Zwischenzeit ist auch Oliver, den ich auf der Fährfahrt kennengelernt hatte, mit einem Bus in Tiflis eingetroffen. Er hatte Probleme mit dem Wohnmobil und es daher in eine Werkstätte in Batumi gestellt, wo es hoffentlich repariert werden kann.  Er meinte, dass er noch nie so eine perfekt organisierte Werkstatt gesehen hat – und wenn das ein Deutscher sagt, so will das was heißen. Da nicht alle Ersatzteile lagernd sind, dauert es ca. 1 Woche, bis er das Fahrzeug wieder abholen kann. Na, da können wir die Stadt zu zweit besichtigen – das ist immer netter, als wenn man alleine unterwegs ist.

Am 26. Mai war georgischer Unabhängigkeitstag und da wurde so einiges geboten. Am Freiheitsplatz fand eine Parade des georgischen Heeres statt (alle Divisionen waren vertreten). Dann wurde die georgische Nationalhymne gesungen – anschliessend – wir konnten es zuerst kaum glauben und haben dann laut mitgesungen –  die „Ode an die Freude“ (Freude schöner Götterfunken…) in deutscher Sprache und zum Schluss hat die Militärkapelle noch den Radetzkymarsch gespielt. Ich habe geglaubt, ich bin in Österreich. Und als finale furioso sind natürlich Militärhubschrauber und Kampfjets im Formationsflug mit Farbe  in niedriger Höhe über das Stadtzentrum gedonnert. 

Georgien will ja in die EU (und auch in die NATO) – vor  allen Regierungsgebäuden hängt sowohl die georgische als auch die EU Flagge – das ist dann auch die Erklärung dafür, dass neben der Nationalhymne auch die Europahymne („Ode an die Freude“) gesungen wurde.

Wir waren auch in einem modernen Shopping Center – wäre da nicht überall die verschnörkelte georgische Schrift, so hätte man glauben können, in einem westeuropäischen Einkaufszentrum zu sein. Und auch die Preise in dieser Mall entsprachen westeuropäischem Niveau – es ist die Frage, wer sich das in Georgien leisten kann. Neben dem ATM (Bankomat) steht dort auch ein BTM (Bitcoin Teller Machine), wo man seine Kryptowährung zu Bargeld machen kann.

Rund um Tiflis sind einige Hügel mit schönen Parks und so sind wir mit einer Standseilbahn (errichtet von der Vorarlberger Firma Doppelmayr – da hab ich mich dann gleich doppelt so sicher gefühlt) auf einen dieser Hügel gefahren und standen bei einem Aussichtspunkt, wo wir uns -klarerweise auf deutsch – unterhalten haben. Neben uns stand ein orientalisch aussehendes Paar (beide ca. 30-35 Jahre, westlich gekleidet) und der Mann hat uns in perfektem, akzentfreiem Deutsch angesprochen. 

Die beiden Iraner kurdischer Abstammung haben erst vor einer Woche geheiratet und waren auf Hochzeitsreise. Er ist vor 8 Jahren aus dem Iran geflohen und 2016 als Flüchtling nach Deutschland gekommen, wo er Asyl erhalten hat. Er lebt und arbeitet als Pizzakoch in Stuttgart. Seine Partnerin hat er diese 8 Jahre nicht gesehen (er meinte „zum Glück gibts Whats App“) – er fliegt jetzt wieder zurück nach Deutschland, während sie im Iran ihre Papiere fertig macht, um ihm dann nachzufolgen. 

Er sagt, er ist Deutschland so unendlich dankbar, dass er Asyl bekommen hat und dass er dort leben und arbeiten darf. Beide wirkten auch sehr glücklich und haben mit der Sonne um die Wette gestrahlt. Ich habe ihn dann noch gefragt, ob er schon Deutsch konnte, bevor er nach Deutschland kam. Nein, sagt er – er hat nach seiner Ankunft in Deutschland einen Sprachkurs besucht (3 Jahre) und jetzt spricht er perfekt Deutsch. Chapeau!

Ich musste dann wieder an Reinhold (den Augsburger, dem der deutsche Mief und die Spießigkeit zuviel wurden) denken bzw. auch an Daniel aus München (der in Georgien Chancen sieht, die er in Deutschland nicht sieht)  aber auch an das Paar aus St. Petersburg: warum verlässt einer ein Land, das für einen anderen das Traumland darstellt? Wobei es ein Westeuropäer unendlich viel leichter hat, in seinem „Traumland“ Fuß zu fassen, als eine Person, die als Flüchtling in ihr „Traumland“ kommt. 

Wir sind dann von diesem Hügel rübermarschiert zur „Mother of Georgia“, einer Riesenstatue, noch errichtet zu Sowietzeiten. In der einen Hand hält sie ein Schwert („für die Feinde“) – in der anderen einen Weinkrug („für die Freunde“) und von dort dann weiter ins Bäderviertel. Tiflis bedeutet ja „warme Quelle“ und in den Bädern kann man seiner Haut Gutes tun und ein ziemlich heißes Schwefelbad nehmen. 

Auf ein Schwefelbad haben wir verzichtet (das ist eher was für die kalte Jahreszeit) – dafür sind wir Essen gegangen. Ja, das Essen hier ist ein Kapitel für sich. Zum Niederknien – so fein und raffiniert. Selbst ich (ich gelte als sehr schnelle Esserin) sitze dann ganz andächtig vor dem Teller und genieße jeden einzelnen Bissen. Diese Auberginenröllchen mit der Walnusspaste oder Kinkali (Teigtaschen) gefüllt mit Pilzen oder Kartoffeln oder Fleisch. Und erst die Salate!  Dazu noch ein Glas georgischen Wein – ja, so ungefähr stellt man sich das Paradies vor.

Schön langsam heisst es dann aber Abschied nehmen – ein bisschen Wehmut schwingt mit. Wenn man als Radnomadin einmal 7 Tage an einem Ort ist, so entwickelt sich schon fast ein Heimatgefühl – man kennt dann schon die ganze Umgebung, weiss wo man gut essen gehen kann, muss nicht jeden Tag die Radtaschen neu packen.

Nächstes Ziel: Mzcheta, die ehemalige Hauptstadt Georgiens mit einigen Weltkulturerbestätten. 

Zug Kutaissi - Tiflis
Das Rad wär einmal verstaut - der Schaffner hat die Tür dahinter versperrt, sodass dort niemand einsteigen kann
Wollmispeln - sooo gut
Tiflis
Bäckerei
Tiefe Verbundenheit mit der Ukraine
Taufe
Passt gut mit Schal am Kopf für die georgischen Kirchen (und hoffentlich auch für den Iran)
H und M sind die 1. Buchstaben, die ich mir in georgischer Schrift merke
Hier kriegt man cash für seine Kryptowährung
Die martialisch wirkende Sondereinheit mit Sturmhauben und Nachtsichtgeräten nimmt Aufstellung
In der Armee sieht man auch einige Frauen
Ein Augenschmaus - Kunstinstallation auf der Strasse anlässlich des Nationalfeiertages
Hier hätte ich gerne diniert
Mother of Georgia
Im Bäderviertel
Kathedrale
Noch ein Selfie mit Oliver, bevor es raus geht aus der Stadt

SCHWEIN GEHABT!

Vergangenen Freitag, den 13.5. habe ich mich am Nachmittag zum Hafen in Burgas aufgemacht. Ich habe zwar einen Platz auf der Fähre nach Batumi reserviert gehabt, Bezahlung (nur cash) und Abholung des Tickets bzw. des Boarding Passes mussten in einem Büro am Hafengelände erledigt werden. Das war schnell geschafft – 190,00 EUR für mich und 20,00 EUR für das Rad – inkludiert war ein Bett in einer 4-er Kabine und Vollpension für die nächsten 2 Tage bzw. 3 Nächte. Der Mann am Ticketschalter hat mich noch einmal extra darauf hingewiesen, dass ich meine Kabine mit 3 anderen Personen teilen muss „It‘s like a Hostel“. Dann ging es weiter Richtung Fähre – bei einem Container wurden noch Pass und Boarding Pass kontrolliert und dann konnte ich das Rad die Rampe raufschieben. 

Ich war extrem gespannt, was da auf mich zukommt. In einigen Blogs habe ich von wilden Wodka-Saufgelagen der Fernfahrer, die hauptsächlich auf dieser Fähre unterwegs sind,  gelesen. Die Rezeptionistin hat mir die Kabine No. 307 zugewiesen mit dem Hinweis, dass ich diese höchstwahrscheinlich mit 3 Fernfahrern teilen müsse. „Okay, I can handle that“ hab ich geantwortet und dann aber noch hinzugefügt, dass – sollte noch eine andere Frau einchecken – sie diese gerne bei mir in der Kabine unterbringen kann. Sie hat gesagt, sie wird schauen, was sich machen lässt.

Ich habe dann die kleine, ziemlich enge Kabine (2 Stockbetten, 1 kleiner Tisch + Badezimmer) bezogen und gleich mein Bett rechts unten mit meinen Sachen belegt. Dann hat sich lange Zeit nix getan – in der Zwischenzeit ist ein fetter Brummer nach dem anderen auf die Fähre gefahren – die Räder der Fahrzeuge wurden noch mit im Boden verankerten Ketten fixiert. Von meinem Deck aus (das ich erst wieder beim Auschecken verlassen darf) liess sich das Herummanövrieren und zentimetergenaue Einparken der 40-Tonner auf den unteren Decks fasziniert verfolgen.

Dann gab es Abendessen – man musste sich bei der Essensausgabe anstellen und hat 1 Teller mit Huhn, Reis und  Salat + 1 Apfel bekommen (Sonderwünsche bezüglich Essen konnte man nicht deponieren). Wasser und Fruchtsäfte gab es zur freien Entnahme. Als ich mich anstellte, standen ca. 7 Fernfahrer vor mir und siehe da, alle haben einen Schritt auf die Seite gemacht und mir signalisiert, dass ich – nach dem Motto „Ladies First“ – vor gehen soll. Na, da hab ich geschaut! Dass diese hartgesottenen, kaukasischen Typen so galant sein können. Nach dem Essen bin ich in die Kabine, um zu checken, ob schon jemand anderer eingezogen ist. Nix – vielleicht kommt ja niemand mehr? Aber die Beladung der Fähre war noch längst nicht abgeschlossen – das Schiff wird wahrscheinlich erst gegen Mitternacht ablegen.

Um 21:00 Uhr – ich hatte die Kabine noch immer für mich allein – bin ich ins Bad zum Zähneputzen und Fertigmachen für die Nacht und dann höre ich, wie die Kabinentür geöffnet wird. Ich schau raus aus dem Badezimmer und wer steht da? Manoi aus Hongkong und Julien aus Grenoble, die beiden Rucksacktouristen, die ich im Bus von Belgrad nach Sofia kennengelernt hatte. Was haben wir uns gefreut!  Und viel gelacht. „We did not know, that you are a truck driver“ haben sie augenzwinkernd gemeint (auch ihnen wurde gesagt, dass sie die Kabine mit Fernfahrern teilen müssen). Ein Bett war  noch frei – es konnte also durchaus sein, dass doch noch ein Fernfahrer kommt. Der 4. im Bunde war dann aber ein Physiker – Oliver aus der Nähe von München, der mit seinem zum Wohnmobil umgebauten Pick Up die nächsten 3 Monate in Georgien unterwegs sein wird und sein Sabbatical geniesst. 

Damit waren wir vollzählig und wir 4 waren auch die einzigen Touristen an Board. Neben der überwiegenden Mehrheit an Fernfahrern (schätzungsweise 70), waren auch ukrainische Flüchtlinge auf der Fähre. 2 Frauen aus Irpin (sie haben mir erzählt, dass die Stadt zu 75% zerbombt ist) wollen nach Batumi, weil dort der Gatte der einen Ukrainerin arbeitet. Ausserdem noch eine Mutter mit ihren 12-jährigen Zwillingen und einem süßen Schoßhündchen. Sie kommen aus Odessa und waren die letzten 2 Monate in Chisinau/Moldawien und reisen jetzt weiter zur in Georgien lebenden Schwester der Frau. Bei den Kindern hatte ich das Gefühl, dass sie das Ganze als aufregende Urlaubsreise betrachten – eh gut so.

Die 1. Nacht auf der Fähre habe ich sehr schlecht geschlafen – gut eingeschlafen bin ich erst irgendwann am Morgen, sodass ich fast das Frühstück verschlafen hätte. Es gab nämlich fixe Essenszeiten: Frühstück von 08:00 – 09:00, Mittagessen von 12:00 – 13:00 und Abendessen von 18:00 – 19:00. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt. Zu Mittag und am Abend gab es immer Huhn (in verschiedensten Ausführungen) mit Beilage und Salat – immer sehr lecker zubereitet und als Dessert immer 1 Stück Obst.

Das Meer war total ruhig – man hat kaum gemerkt, dass man auf einem Schiff ist – auch das Motorengeräusch war kaum wahrnehmbar. Fernfahrer haben uns dann aber erzählt, dass sie schon bei stürmischer See über das Schwarze Meer gefahren sind und das ist dann so schlimm, dass die meisten nur in der Kabine herumliegen und schauen, dass sie die Überfahrt irgendwie überstehen.

Samstag Nachmittag – eine Gruppe Fernfahrer (lauter Georgier) steht an Deck beisammen, alle trinken Wodka und sind gut drauf: ich frage sie, ob ich sie fotografieren darf. Na klar! Also ein Foto gemacht, dafür muss ich aber einen Becher Wodka mit ihnen trinken. Und damit war das Eis gebrochen. Bei einem Becher ist es natürlich nicht geblieben. Später haben sich Manoi, Julien und Oliver dazugesellt. Die Fernfahrer haben uns erzählt, dass sie immer 6-8 Wochen in Westeuropa unterwegs sind, bevor sie dann ein paar Tage bei ihren Familien in Georgien verbringen. In diesen 6-8 Wochen leben sie in den LKW‘s, sie verbringen die Wochenenden auf Autobahnraststätten (am Wochenende ist Fahrverbot) – sie kochen sich etwas auf ihren mitgebrachten Kochern (immer essen gehen in Westeuropa könnten sie sich nicht leisten). Was ist das für ein Leben?!!! Sie verdienen zwar ganz gut für georgische Verhältnisse, aber wenn die in Pension gehen, sind sie ein Wrack. Wirbelsäule kaputt – die meisten sind sehr starke Raucher – ich kann mir vorstellen, welche Lebenserwartung sie haben. Sie erzählen auch, dass bereits einige ihrer Trucker-Freunde bei Verkehrsunfällen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ums Leben gekommen sind. 

Aber auf der Fähre ist das Zusammentreffen für alle immer eine große Freude und daher wird das mit Unmengen an Wodka und Bier gefeiert. Und jedes mal muss ein Toast ausgesprochen werden: einmal auf die Freundschaft, einmal auf die Vergangenheit, einmal auf die Zukunft, 5x auf den Frieden, 5x auf die Ukraine, mindestens 10x auf den Patriarchen der georgisch orthodoxen Kirche (die Georgier sind sehr gläubig). Ukraine ist ein Riesenthema, alle hassen Putin und ein bisschen  kann man die Angst raushören, dass sie die nächsten sein könnten, sollte Putin‘s Appetit nicht gestillt sein. 

Ganz und gar nicht verstehen können sie, warum ich als Frau mit dem Rad um die Welt fahre. Das packen sie überhaupt nicht. Ich sollte doch zu Haus bei Mann und Kindern sein! Sie wollen mich auch gleich mit einem der Fahrer verkuppeln – der Betreffende hatte auch gar nix dagegen – nur ich war nicht so begeistert.

Julien hat aus Bulgarien ein paar Flaschen Wein mitgebracht – der wird jetzt auch noch vernichtet. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je so viel getrunken habe. Das Komische war: es hat mir nix ausgemacht. Normalerweise spüre ich den Alkohol nach 2 Gläsern Wein – diesmal habe ich Unmengen an Wodka und dann auch noch Wein getrunken. Ich war vollkommen klar. Dann noch Bruderschaft Trinken – jedesmal einen Becher voll Wodka ex und dann noch 3 Schmatze auf die Wange. Und eine Zigarette! Ich – als Nichtraucherin! 

Dafür habe ich wunderbar geschlafen. Dann der nächste Morgen: mir geht es bestens. Kein Kater. Als ich aufstehe, sind Manoi und Oliver schon beim Frühstück – Julien liegt noch im Bett. Im Speisesaal frage ich die beiden, wie es ihnen geht nach diesem Saufgelage. Manoi meint, dass es ganz okay ist – sie hat nicht so viel getrunken. Oliver hat schon 2 Aspirin geschluckt und trinkt grad seinen 2. Kaffee: jetzt geht es so halbwegs. Julien hat es arg erwischt – er hat Bier, Wein und Wodka durcheinander getrunken und liegt mit schlimmen Kopf- und Magenschmerzen in der abgedunkelten Kabine. Bis Mittag hat er sich aber so halbwegs erholt.

Oliver erzählt, dass die Fernfahrer, die mit uns gesoffen haben und die sich zum Schluss kaum noch auf den Beinen halten konnten, alle um Punkt 08:00 beim Frühstück waren. Mittlerweile haben sie sich aber wieder in ihre Kabinen zurückgezogen – das strahlende Sonnenlicht an Deck dürfte doch noch zu viel für sie sein.

Sonntag wurde nicht mehr getrunken, denn am Montag hieß es: sehr früh aufstehen. Frühstück war um 04:00, um 04:30 haben wir die Pässe ausgehändigt bekommen (die wurden beim Check-in einbehalten). Die Fähre lag bereits im Hafen von Batumi und Mitarbeiter der georgischen Einreisebehörden kamen an Board, sodass die Einreiseformalitäten sehr rasch erledigt waren.

Dann hieß es Abschied nehmen – aber wir bleiben in Kontakt.

Das 1. in einem neuen Land ist immer: SIM Card kaufen. Also bin ich um ca. 06:00 ins Zentrum von Batumi (2. größte Stadt Georgiens) gefahren – dort war noch alles verschlafen. Ich hab ewig lang nach einem geöffneten Kaffeehaus gesucht – endlich ein türkisches Lokal entdeckt, das schon offen hatte. Die hatten glücklicherweise auch WLAN (die Geschäfte, in welchen man SIM Karten kaufen konnten, öffneten erst um 10:00), sodass ich meine 1. Tagesetappe für Georgien planen konnte. Und nachdem es auf der Fähre kein WLAN gab, auch Mails, Nachrichten, Wetter, Hotel für die kommende Nacht checken. Um 10:00 habe ich noch schnell die SIM Card gekauft, beim Bankomaten 150 Lari behoben (hier kann man auswählen, ob man sich Lari oder USD auszahlen lässt) und dann ging es raus aus der Stadt Richtung Norden. Zuerst viel Verkehr, keine Radwege, nicht sehr angenehm zu fahren, dann kommt noch ein Tunnel. Keine Angabe, wie lang er ist. Aber dafür ist er gut beleuchtet und schön breit. Und es gibt eine Art Gehsteig, auf dem ich entlang fahren kann. Also halb so schlimm. 

Und dann geht es glücklicherweise auf einer nicht so stark befahrenen Nebenstraße weiter. Was mir auffällt: es gibt extrem viele Straßenhunde und sehr viele Kühe, die immer wieder auch auf der Straße herumstehen, sodass Verkehrsteilnehmer zu Ausweichmanövern gezwungen werden.

Schon bald erreiche ich mein Etappenziel und checke im Hotel am Meer ein. 

Für den nächsten Tag plane ich eine längere Strecke: 85 km und 950 Höhenmeter ins Landesinnere. Es ist sonnig und es geht am Anfang recht flott dahin, zuerst noch Asphalt und eben, dann aber biege ich ab in einen Feldweg. Sehe viele Kühe (teilweise ist ein Hirte bei ihnen), werde bei den einsamen Gehöften von den Hunden verfolgt und fahre dann schön langsam rauf in die Berge (oder eher Hügel, weil ich an diesem Tag auf maximal 280 m komme). Vor den verstreut liegenden Häusern sieht man viele Schweine, die freundlich und zufrieden grunzen, wenn sie einen sehen. Ab und zu stehen ein paar Ferkel am Straßenrand, die laut quiekend auseinanderstoben, wenn man sich ihnen nähert. Aber lauter glückliche Schweine, die sich im Schlamm suhlen und mit dem Rüssel die Erde durchwühlen dürfen. 

Die Straßen, die mir Komoot vorschlägt, sind auf weiten Strecken nicht asphaltiert, sondern es sind so richtige Gravel-Pisten. Extrem anstrengend zu befahren und wenn es steil bergauf geht, muss ich das Rad ja schieben. Dann wird das richtig heavy: die linke Hand am Lenker schiebt, die rechte Hand am Sattel zieht – ich hab das Gefühl, ich muss 100kg den Berg raufschieben.

Wenn ich in diesen abgelegenen Gebieten Menschen treffe, so grüße ich immer mit einem freundlichen „Hallo“. So auch bei einem Haus am Hügel, wo ein Mann im Garten steht und der ruft zurück: „Bist du Russin?“ „Oder Deutsche?“ Ich kann natürlich nicht georgisch, verstehe aber, was er meint und die Ausdrücke „russkiy“ und „nemetskiy“ verstehe ich wohl. Also lautet meine Antwort: no, Austria, Vienna. Voller Begeisterung fragt er mich, ob er mich auf einen Wodka ins Haus einladen darf. Also Wodka eher nicht (dieser Bedarf ist seit der Fährfahrt bis an mein Lebensende gedeckt), aber einen guten türkischen Kaffee – da tät ich nicht nein sagen. Also folge ich Giorgi  ins Haus – neugierig zu sehen, wie die hier wohnen. Alles proper – ich nehme am Küchentisch Platz, während er das Wasser am Gasherd zum Kochen bringt. Aus dem Küchenkastl holt er ein paar Kekse, die er mir hinstellt. Außerdem schenkt er mir aus einem Krug Wasser ein. Das ist sicher Leitungswasser. „Das kannst ruhig trinken“ meint er. Und auch er schenkt sich ein Glas ein und macht einen kräftigen Schluck. „Ach, was soll’s. Ein Schluck wird mich schon nicht umbringen.“ Ein paar Stunden später schon sollte ich dies bitter bereuen.

In der Zwischenzeit war auch der Kaffee fertig – der hat ausgezeichnet geschmeckt, ausserdem habe ich alle Kekse verdrückt. 

Schön langsam musste ich aber wieder weiter – ich hatte noch eine lange Strecke vor mir. Vielen Dank für den guten Kaffee und weiter gehts mit dem Rad den nächsten Anstieg bewältigen.

Ich war dann auf einer sehr schönen, asphaltierten Nebenstraße unterwegs, als ein Auto anhält und mich der Fahrer fragt, wohin ich fahre. „Samtredia“ antworte ich.  Dann kannst du hier nicht fahren – du musst zurück auf die Bundesstraße und dort weiter fahren. Und warum? Er gibt mir zu verstehen (mit gekreuzten Händen), dass diese Straße hier gesperrt ist. Dann fährt er weiter. Was soll ich jetzt tun? Ich hab keinen Bock auf die stark befahrene Bundesstraße. Sowohl in Kroatien, als auch in Serbien habe ich die Erfahrung gemacht, dass gesperrte Straßen zwar nicht von Autos passiert werden können – Fußgänger und Radfahrer können diese Sperren aber meistens passieren. Ich fahr einfach weiter und tatsächlich: da ist eine eingestürzte Brücke. Das Bacherl darunter führt fast kein Wasser und es führt ein schöner Weg runter und auf der anderen Seite wieder rauf- also kein Problem, mit dem Rad durch zu fahren.

Eine sehr schräge Hundebegegnung hatte ich auch: Schon von weitem sah ich in einem Garten einen riesigen Hund, der laut zu bellen anfing, als er mich daherkommen sah. Es war aber überall Zaun – ich fühlte mich ziemlich sicher. Dann  nimmt dieses Vieh einen Anlauf und springt  mit einem Satz über den Zaun und war schon fast bei mir, als die Besitzerin ihn zurückpfiff. Der Hund dreht um und springt wieder mit einem Satz zurück in den Garten. Na, da hab ich geschaut!

Ein paar Stunden nachdem ich bei Giorgi zu Gast war, habe ich germerkt, dass ich total müde und auch schwach bin. Ich hatte den letzten Anstieg (200hm) auf einer schlimmen Schotterpiste vor mir – nach dem Anstieg würde es nur noch bergab bzw. eben dahingehen (noch 35km bis Samtredia, wo ich ein Hotel gebucht hatte). Zuerst wollte ich mir noch einreden, dass das warme Wetter und die herausfordernden Pisten Schuld an meinem Schwächeanfall sind. Dann ist mir heiss und kalt gleichzeitig geworden und in meinem Bauch hat’s zu rumoren begonnen. Ich hab mich dann einmal unter einen schattigen Baum gesetzt und mich maßlos über mich geärgert. Das darf jetzt nicht wahr sein! So ein Sch….!

Gerade ich hätte wissen müssen, dass ein kleiner Schluck Leitungswasser ausreicht, um einen ernsthaft krank zu machen. Vor 40 Jahren haben mich 2 Kugeln Eis, die ich an einem Eisstand in einer kleinen Stadt auf Sumatra konsumiert habe (und die ausgezeichnet geschmeckt haben) in ein Delirium katapultiert, aus dem ich erst 1 Woche später (total abgemagert) wieder rausgefunden habe. 

Ärgern bringt jetzt auch nix – ich muss schauen, dass ich mir Hilfe organisiere. Das nächste Auto, das vorbeikommt, werde ich anhalten. Und schon höre ich ein Motorengeräusch – es ist eine ziemliche Rostschüssel, die daherkommt, aber groß genug, dass man das Rad irgendwie im Kofferraum unterbringen kann. Der Fahrer, ein Mann mittleren Alters, schaut mich fragend an.

„Do you speak english?“ „A little bit“ Gut, das macht’s einfacher. Ich sag ihm, dass ich krank bin und nicht weiterfahren kann und ob er mich (mitsamt Rad) in die 35km entfernte Stadt Samtredia bringen kann. Ich zahl natürlich auch. Er sagt, dass er in eine näher gelegene Stadt unterwegs ist, wo er was zu erledigen hat und in dieser Stadt gibt es auch ein Hotel. Das ist eine gute Idee – das Hotel in Samtredia kann ich noch immer stornieren. Das Rad verstaut er irgendwie im Kofferraum – die Packtaschen auf der Rückbank – also auf in die nahe gelegene Stadt. Wir kommen am Hauptplatz an – er sagt, ich soll im Auto warten – er checkt, ob ein Zimmer frei ist. 2 Minuten später ist er zurück – das Hotel ist wegen Renovierung geschlossen. Am Hauptplatz stehen auch ein paar Taxis – ich bitte ihn, die Taxler zu fragen, ob einer von ihnen bereit ist, mich und das Rad nach Samtredia zu bringen. Ein Taxler ist bereit – er muss dafür aber erst von zuhause einen Dachträger holen, das dauert ca. 5 Minuten. Kein Problem – ich gehe in der Zwischenzeit im Restaurant nebenan aufs Klo. Der Taxler kommt zurück mit Dachträger – das Rad wird darauf festgemacht, Packtaschen rein in den Kofferraum und dann gehts ab nach Samtredia. Zuerst auf einer wilden Schotterpiste, dann endlich auf die Autobahn, auf der ich einen Mann und einen ca. 6 Jahre alten Buben mit Fahrrädern fahren sah. Sehr schräg. 

Endlich im Hotel – ich habe mir nur noch 1 Mineralwasser und 1 Cola im Supermarkt nebenan gekauft, das war mein Abendessen.  Und dann ab ins Bett. Ich war todmüde.

Am nächsten Tag war ich zwar noch immer etwas mau, aber im Großen und Ganzen habe ich mich wieder fit gefühlt. Also hat es mich diesmal bei weitem nicht so schlimm wie vor 40 Jahren erwischt – noch einmal Glück gehabt!  Ich habe sogar ein bisschen was gefrühstückt und dann beschlossen, mit dem Rad weiter nach Kutaissi zu fahren. Das sind nur 35 km und alles eben auf Asphalt.

In Kutaissi habe ich dann eine wirklich schöne, sehr ruhig und idyllisch gelegene Unterkunft bezogen und beschlossen, ein paar Tage hier zu bleiben und auszurasten. Und das tue ich jetzt.

Rauf gehts auf die Fähre
Die Kabine für die nächsten 3 Nächte
Schön langsam füllt sich das Deck (beim LKW vorne links sieht man die Kette, die vom Hinterrad zur Bodenverankerung führt)
Jetzt sind alle eingeparkt
Die georgischen Fernfahrer
Hier sieht man auch Manoi, Julien und Oliver
Das Saufgelage beginnt
Zeitvertreib mit Backgammon Spielen
Batumi
Meine 1. Tunnelfahrt in Georgien
Weiter gehts über einen Feldweg
Der Kuhhirte hat sich sehr gewundert, was ich da in der Pampa mach
Ein zufrieden grunzendes Schwein
Und noch eins
Dieser Mann hat sofort seinen Apfel mit mir geteilt, als er mich den Berg heraufkommen sah
Haus von Giorgi
Bei Giorgi auf einen Kaffee
Weiter gehts über den nächsten Hügel
Das lässt sich leicht durchqueren, auch wenn die Brücke weggerissen wurde
Immer wieder Kühe auf der Fahrbahn
Man sieht viele Kleintransporter, die früher in Deutschland unterwegs waren (noch mit dt. Firmenlogos und Kontaktdaten versehen)
Hier gibts auch Fahrräder
Kathedrale in Kutaissi
Auf ein Kartenspiel am Straßenrand
Kutaissi
Kutaissi
Tolle Graffiti in Kutaissi
Kutaissi

JA ODER NEIN – DAS IST HIER DIE FRAGE

Vergangene Woche führte mich von Osijek über Vukovar weiter über die Donau (kroatisch-serbische Grenze) nach Novi Sad. Von dort ging es dann mit Zug/Bus/Zug bis Burgas (BG), wo ich gestern angekommen bin.

Gleich nachdem ich Osijek verlassen hatte, ist mir aufgefallen, dass alle Ortstafeln und Strassennamen sowohl in lateinischer als auch in kyrillischer Schrift angegeben waren. Vukovar war mir bis dato als Kriegsschauplatz während des Jugoslawienkriegs in Erinnerung und schon bei der Einfahrt in die Stadt wird man auf schockierende Weise darauf aufmerksam gemacht. 

Abgesehen von vielen Häusern mit Einschusslöchern steht dort noch immer das völlig zerbombte Bahnhofsgebäude als Mahnmal gegen den Krieg. Ich fühlte mich an die aktuellen Bilder aus der Ukraine erinnert. Vukovar wurde im Herbst 1991 drei  Monate lang belagert und die Zivilbevölkerung hat sich teilweise im örtlichen Krankenhaus verschanzt. Viele von ihnen wurden ermordet – sowohl die Serben, als auch die Kroaten haben in dieser Gegend schreckliche Kriegsverbrechen begangen und erst der Friedensvertrag von Erdut hat einen (ziemlich fragilen) Frieden für Ostslawonien gebracht. Der Anblick des Bahnhofsgebäudes hat mich so schockiert, dass ich vergessen habe, es zu fotografieren – auf google findet man aber Fotos. Auch der Wasserturm der Stadt dient noch als Mahnmal – zusätzlich zu vielen Häusern, die auch jetzt noch an die Vorkommnisse vor 30 Jahren erinnern.

Das Zentrum von Vukovar ist aber sehr schön und ich hatte das Glück, in einem wunderschönen Stadtpalais (Domestic House Lola) ein Zimmer zu ergattern. So ein tolles Gebäude mit hohen Räumen, dazu ein Restaurant und eine Bar – alles so lässig und cool gestaltet mit freundlichem, kompetentem Personal, das perfekt englisch spricht. Diese Location würde auch gut in einen Wiener Bobo-Bezirk passen. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.

Dann ging es weiter in den Süden über die Donau, die die Grenze zwischen Kroatien und Serbien bildet. Mein nächstes Ziel war Novi Sad, eine der europäischen Kulturhauptstädte 2022. Über weite Strecken bin ich direkt an der Donau entlanggeradelt – die Landschaft erinnert sehr an die Donauauen in Österreich. 

In Novi Sad, der 2. größten Stadt Serbiens gibt es ein exzellentes  Radwegnetz und entsprechend viele Leute sind mit dem Drahtesel unterwegs. Ich habe allerdings, seitdem ich Österreich verlassen habe, keinen einzigen e-bike Radfahrer gesehen. Bei meiner 1. Tagesetappe (am ebenen Murradweg Graz-Bad Radkersburg) bin ich sehr vielen Radlern begegnet, davon hatten ca. 80% ein e-bike.

Novi Sad hat mir sehr gut gefallen, es gibt viele nette Lokale und einen schönen Sandstrand an der Donau. Außerdem wird auch kulturell einiges geboten. Dort habe ich auch nach langer Zeit wieder einmal Shopska Salat mit sonnengereiften Tomaten, Gurken und leckerem Schafkäse gegessen (das war bei meinen früheren Geschäftsreisen nach Bulgarien, wo man diesen Salat auch überall bekommt, immer ein kulinarisches Highlight). 

In Novi Sad habe ich dann den Zug nach Belgrad genommen – die Strecke wurde erst Ende März sehr medienwirksam mit Orban und dem serbischen Präsidenten Vucic eröffnet. Belgrad-Novi Sad bildet den 1. Teil der Schnellbahnstrecke Belgrad-Budapest (deshalb war Orban bei der Feier dabei) – finanziert und errichtet von russischen und chinesischen Banken/Unternehmen (EU – wo bist du?). Bei einer Haltestelle wurde noch gewerkt und tatsächlich: es waren lauter chinesische Bauarbeiter, die ich gesehen habe.

Der Zug war sehr modern – so wie in Österreich. Das einzige, das ich als Radlerin zu bemängeln hatte: es fehlen die Gurte zum Fixieren der Räder. Ich musste während der Fahrt ein paar mal aufspringen und das Rad festhalten, um zu verhindern, dass es umfällt. Es gab auch keine Möglichkeit, es mit dem Fahrradschloss irgendwo anzuhängen. 

Um die bereits gebuchte Fähre am 13.5. vom bulgarischen Burgas ins georgische Batumi zu erreichen, musste ich auch die Strecke von Belgrad nach Burgas mit Öffis zurücklegen. In Serbien ist es extrem schwierig, online Infos zu Zug/Busverbindungen zu erhalten. Aus diesem Grund bin ich nach meiner Ankunft in Belgrad zum Bahn-Infoschalter gegangen, um rauszufinden, wie ich am besten mit dem Zug nach Sofia komme (ich wusste, dass es von Sofia nach Burgas ein paar Direktzüge gibt). Die Dame am Schalter hat mir die Auskunft gegeben, dass es Züge nach Nis (liegt ca. 240 km südlich von Belgrad) gibt. Auf meine Frage, wie ich dann weiter von Nis nach Sofia komme, konnte sie mir keine Auskunft geben. Sie hat gemeint, ich solle in Nis fragen, wie es weitergeht ???? Ich habe es dann noch am 2. Infoschalter probiert – auch dort nur Schulterzucken.

Ich wusste aber, dass es Busse von Belgrad nach Sofia gibt – die Frage ist nur: nehmen die mein Fahrrad mit? Um das rauszufinden, bin ich mit dem Rad vom Belgrader Hauptbahnhof zum Busbahnhof gefahren – waren nur ca. 3km, aber durch teilweise dichten Stadtverkehr. Beim 1. Schalter am Busbahnhof wurde mir gesagt: ja, es gibt einen direkten Bus nach Sofia, sogar noch am selben Tag, aber ob ich das Rad im Bus mitnehmen kann, wisse man auch nicht. Nach einigem Hin- und Her wurde mir der Name des Busunternehmens gegeben: Trans-Jug. Wo haben die ihr Büro? Gegenüber vom Busbahnhof. Nix wie hin zu Trans-Jug: dort war eine sehr nette Dame, die ein bisschen herumtelefoniert hat und dann hatte ich das okay: ich darf das Rad mitnehmen.

Um 14:30 fuhr der (ohnehin nur halb-volle) Bus mit mir und dem Fahrrad, das liegend im Gepäckraum transportiert wurde ab von Belgrad Richtung Sofia. Auf der Autobahn nach Nis habe ich mich wieder an eine Geschichte erinnert, die mir hier vor ca. 30 Jahren (es war noch vor dem Jugoslawienkrieg) passiert ist:

Ich hatte damals geschäftlich in Nis zu tun und bin daher nach Belgrad geflogen, wo ich einen Wagen anmietete. Ich kann mich noch erinnern – es war ein nagelneuer Golf mit dem ich auf der Autobahn Belgrad-Nis unterwegs war. Es fing schon leicht zu dämmern an und es war ein bisschen neblig, als plötzlich der Fahrzeuglenker  hinter mir begann, seine Lichthupe wie wild zu betätigen. Ich war weder zu schnell noch zu langsam unterwegs, sondern fuhr genau die erlaubte Höchstgeschwindigkeit – also was will der? Im Rückspiegel sehe ich, dass 2 Männer mittleren Alters im Fahrzeug (mit jugoslawischem Kennzeichen) sitzen. Der Fahrer hat dann begonnen, mich zu überholen und als er auf gleicher Höhe wie ich war, habe ich natürlich rübergeschaut: beide Männer haben wild mit den Händen herumgefuchtelt und immer wieder auf mein Hinterrad gezeigt, als ob da irgendwas nicht stimmen würde. Dann haben sie angedeutet, dass ich von der Autobahn runterfahren sollte. Sie haben sich dann vor mir eingereiht und bei der nächsten Ausfahrt zu einem Autobahnparkplatz, haben sie abgebremst und der Beifahrer, der sich zu mir umgedreht hat, hat mir angedeutet, dass ich raus auf den Parkplatz fahren soll. Sie sind dann tatsächlich raus auf den Parkplatz – ich bin auf der Autobahn gerade weiter. 

5 Minuten später waren sie wieder hinter mir. Das gleiche Spiel: Lichthupe, auf das Hinterrad zeigen, mir andeuten, dass ich auf den Parkplatz raus müsse. Und böse Blicke und Gesten, die fragten: „Warum bist du nicht von der Autobahn abgefahren?“ Auch beim nächsten Parkplatz sind sie raus und ich bin auf der Autobahn gerade weiter gefahren.

Ich war zwar irritiert, habe mir aber auch gedacht, falls irgendwas nicht stimmt mit meinem Fahrzeug, so würden mich doch auch andere Lenker darauf aufmerksam machen. Ich war aber ziemlich sicher,  dass diese beiden Typen nicht ganz koscher sind.

Aber sie gaben nicht auf – sie waren wieder hinter mir, als eine Ausfahrt zu einer Autobahnraststätte (mit Tankstelle, Restaurant, alles gut beleuchtet) kam. Ich schalte den Blinker ein und deute ihnen, dass ich jetzt raus fahre. Und siehe da: sie sind gerade auf der Autobahn weiter gefahren. Ich bin dann bei der Tankstelle ausgestiegen und 1 mal ums Auto rumgegangen: es war nix. Sicherheitshalber habe ich auch noch den Tankwart gefragt, ob er irgendetwas am Fahrzeug sieht, das nicht in Ordnung ist. Alles okay, hat er gemeint.

Am nächsten Tag habe ich diese Geschichte meinem Geschäftspartner in Nis erzählt – er hat gesagt, dass ich richtig gehandelt habe. Es gab damals mehrere Fälle, dass Personen (hauptsächlich Frauen), die allein mit neuen Autos unterwegs waren, mit dieser Masche  auf Autobahnparkplätze gelockt wurden, wo ihnen dann eine Waffe vorgehalten wurde und das Fahrzeug und andere Wertsachen abgenommen wurden. Glück gehabt!

Jetzt aber zurück zur Busfahrt nach Sofia: die war sehr kurzweilig, weil es nette Gespräche mit den Mitreisenden gab. Da waren einmal 2 Burschen aus Deutschland, die ein paar Wochen am Balkan unterwegs sind. Dann ein indischer Arzt, der in Dubai arbeitet und jetzt Freunde in Serbien und Bulgarien besucht. Ein junger Palästinenser, der in Sofia Medizin studiert und seinen Vater, der in Belgrad als Arzt arbeitet, besucht hatte. Und ein nettes Pärchen (er Franzose, sie Chinesin), die mit Rucksack am Landweg unterwegs sind nach China (sie war coronabedingt seit 3 Jahren nicht mehr zu Hause und ist sich auch jetzt nicht sicher, ob sie in China einreisen darf). Als ich den beiden sage, dass ich mit der Fähre über das Schwarze Meer fahre, sind sie sehr erstaunt. Sie waren der Meinung, dass aufgrund des Ukrainekrieges keine Schiffe über das Schwarze Meer fahren. Sie haben geplant, durch die Türkei mit dem Bus zu fahren und dann weiter über Georgien, Aserbaidschan, das Kaspische Meer und Kasachstan nach China. Sie werden nun aber versuchen, auch noch einen Platz auf der Fähre von Burgas nach Batumi zu ergattern, dann werden wir uns ja wieder sehen. 

Ankunft in Sofia war ziemlich spät am Abend (22:00), Fahrrad raus aus dem Bus, mit den Taschen beladen und dann ab ins Hotel. Ich frage in den Unterkünften immer, wo ich das Fahrrad sicher abstellen kann. Im Hotel in Sofia haben sie einen Garten, der zwar zur Straße hin offen ist, aber wenn ich das Rad am Zaun anhänge, soll es sicher sein. Dann die böse Überraschung: mein Fahrradschloss, das in einer Halterung am Rahmen befestigt ist, ist nicht da. Es muss im Laderaum des Busses aus der Halterung gefallen sein. Ich stelle das Rad im finstersten Winkel des Hotelgartens ab und muss halt hoffen, dass es morgen noch da ist. Ach, ist das ärgerlich! Das bedeutet, ich muss mir ein neues Schloss kaufen – hoffentlich finde ich in Sofia, das nicht wirklich eine Radfahrerstadt ist, etwas Adäquates (es sollte ein gutes Nummern-Faltschloss sein)

Dann habe ich aber eine andere Idee: der Bus, mit dem ich gekommen bin (und in dem wahrscheinlich mein Fahrradschloss liegt) fährt am nächsten Tag sicher wieder zurück nach Belgrad. Online checke ich schnell, wann am nächsten Tag Busse nach Belgrad fahren: siehe da, Trans-Jug fährt um 09:00 ab vom Busbahnhof. Am nächsten Tag habe ich volles Programm: aufstehen um 07:30, duschen, anziehen und dann gleich runterflitzen in den Hotelgarten: das Rad ist noch da!! Hurra! Dann auf zum Busbahnhof! Der blaue Mercedes Benz Bus mit Trans-Jug Aufschrift biegt grad ein ins Bahnhofsgelände. Der Busfahrer, ein netter, bulliger Serbe erkennt mich wieder und fragt, ob ich schon wieder zurück nach Belgrad fahre. Ich sage: nein und erzähle ihm von meiner Vermutung, dass mein Schloss im Laderaum liegt. Er sagt, das kann er sich nicht vorstellen, weil er nach jeder Fahrt checkt, ob eh nichts im Laderaum liegengeblieben ist und er hat am Vorabend nix gefunden. Aber wir können ja nachschauen. Er öffnet die Luke: im Laderaum liegen nur 2 Feuerlöscher. Sonst nix. Ich frage ihn, ob ich in den Laderaum klettern darf, vielleicht liegt das Schloss ja irgendwo ganz hinten im letzten Winkel. Er sagt: kein Problem! Ich klettere rein und auf allen Vieren bis ins letzte Eck. Und tatsächlich: hinter dem Feuerlöscher liegt mein Fahrradschloss! Was für eine Freude!

Nächster Punkt: Bahnticket nach Burgas checken (ich bin auch hier nicht sicher, ob ich das Rad im Zug mitnehmen darf – die Angaben im Internet sind nicht eindeutig). Auf zum Bahnhof (der glücklicherweise gleich neben dem Busbahnhof liegt) und dann zum 1. Ticketschalter. Ich sage der Dame, dass ich eine Fahrkarte nach Burgas kaufen möchte und das Fahrrad mitnehmen will. Ob das eh möglich ist? Sie schüttelt den Kopf. So schnell gebe ich nicht auf und versuche es bei einem anderen Schalter. Auch dort schüttelt die Dame den Kopf und verweist mich an einen Info-Schalter. Die Dame hinter dem Infoschalter ist sehr hilfreich: sie schreibt mir alle Züge, die in Frage kommen auf und sagt, ich kann das Fahrrad mitnehmen. Preis: 19,20 EUR für mich und 2,00 EUR für das Rad. Passt!. Auf zum Ticketschalter, Ticket kaufen- fertig.

Nächster Punkt: Ich habe kein Datenvolumen mehr, d.h. ich brauche eine SIM Card. Auf in den nächsten A1 store – ich frage die junge Dame, ob sie Englisch spricht. Sie schüttelt den Kopf. Ich gebe ihr zu verstehen, dass ich eine SIM Card nur für Internet brauche. Sie greift in eine Lade und gibt mir die gewünschte Karte. Dann sagt sie in perfektem Englisch: „ If you give me your mobile phone, I will activate  it for you“. Komisch, warum hat sie den Kopf geschüttelt, als ich sie fragte, ob sie Englisch spricht. Dann ist es mir wieder eingefallen. In Bulgarien bedeutet Kopfschütteln: ja und Nicken bedeutet:nein. Das heisst, auch die beiden Damen am Ticketschalter am Bahnhof haben meine Frage bezüglich Fahrradmitnahme bejaht und ich habe geglaubt, sie meinen „nein“. Fremdsprachen beherrschen bedeutet eben auch, die Gesten richtig zu interpretieren, das wird einem hier wieder einmal klar.

Dann noch schnell frühstücken: ich entdecke ein kleines Bistro, in dem ich einen guten Espresso und ein feines Croissant genieße. 

Am Nachmittag geht es dann mit einem extrem abgefuckten Zug nach Burgas – zuerst noch mit Blick auf die schneebedeckten Berge des Vitoshagebirges. Immer wieder durch kleine Ortschaften, in denen man noch Pferdefuhrwerke sehen kann. Teilweise Plastikmüll – fast so schlimm wie in Süditalien. Schaf- und Ziegenherden mit Hirten. Nach über 6 Stunden Fahrt Ankunft in Burgas, einer sehr grünen Stadt mit tollem kulturellen Angebot und schönen Stränden am Schwarzen Meer. Außerdem merkt man, dass hier vergleichsweise wesentlich mehr Geld in die Stadtkasse gespült wird (durch den Hafen und den Tourismus), als z.B. in Sofia, wo es doch sehr offensichtlich ist, warum Bulgarien als das ärmste EU-Land gilt.

Hier gibt es auch ein gut sortiertes Fahrradgeschäft, wo ich mich mit dem Inhaber unterhalte und ihn frage, ob auch e-bikes gekauft werden. Er meint: nein, e-bikes kauft hier keiner. Als ich ihm erzähle, dass in Österreich mittlerweile der Großteil der verkauften Räder e-bikes sind, meint er: „That’s because the Austrians are lazy. And because they can afford it“. Diese 2 Gründe (Bequemlichkeit und weil man es sich leisten kann) sind auch hauptsächlich dafür verantwortlich, dass so viele Autos in Städten, wo es genügend Alternativen gäbe, unterwegs sind. Da kann ich leider nur zustimmen.

Und morgen geht es dann mit der Fähre rüber nach Georgien – aber das ist dann eine andere Geschichte.

Über Brigitte – ihr wisst schon, die Schweizerin, die in Afrika unterwegs ist, kann ich auch noch was berichten: sie ist momentan in Tansania, wo sie bei den Massais in der Steppe mit Ziegen und Kühen übernachtet.

Vukovar
Vukovar
Domestic House Lola, Vukovar
Domestic House Lola, Vukovar
Domestic House Lola, Vukovar
Domestic House Lola, Vukovar
Cremeschnitte im Glas
Am Eurovelo 6 gehts weiter
Aha, jetzt ist alles klar
Sandstrand an der Donau in Novi Sad
Pljeskavica und Shopska Salat
Mit der S-Bahn von Novi Sad nach Belgrad
Durch Belgrad
Der Zug von Sofia nach Burgas
Zug Sofia - Burgas
Burgas
Armenische Kirche in Burgas
Burgas

WEITER GEHT´S GEN OSTEN

So, seit einer Woche bin ich jetzt schon wieder unterwegs. Nachdem ich in Österreich alle Sachen erledigt habe, die zu erledigen waren (Freunde treffen – das war sehr nett und lustig/ notwendige Impfungen – 7 Stiche innerhalb von 1 Woche – das war weniger lustig und vor allem ziemlich kostspielig/ Reiseversicherung abschliessen – das war mit ein paar Klicks erledigt/ Service für das Rad). Zwischendurch ein paar Berg- und Radltouren, damit ich in Form bleibe und gewappnet bin für die bevorstehende Etappe. 

Dann wurden die Radtaschen wieder gepackt – zusätzlich zu den beiden 24l Hinterradtaschen, die ich bereits in Italien verwendet habe, kommt nun noch eine 24l Rack Pack Tasche (robust und wasserdicht), die ich ebenfalls am Gepäcksträger mit Spannbändern befestigen kann. Die zusätzliche Tasche brauche ich für die Campingausrüstung, die ich nun auch dabei habe (Zelt, Schlafsack, Matte, Kocher, Kartusche, Geschirr) – es hat alles wunderbar reingepasst. Außerdem habe ich am Lenker eine kleine Tasche für das ganze Krimskrams, das man immer schnell bei der Hand haben soll.

Bepackt mit ca. 20kg ging es am 29.4. los von Graz – es hat eine Zeit lang gedauert, bis ich mich an das zusätzliche Gewicht gewöhnt hatte. Die 1. Tapesetappe führte mich die Mur entlang nach Bad Radkersburg, wo ich mir noch einmal einen steirischen Backhendlsalat gönnte (in dieser Form werde ich ihn so schnell nicht wieder bekommen).

Im Gasthaus wurde ich von einer Herrenrunde angesprochen, die mein voll bepacktes Rad gesehen haben. Was ich denn vor hätte, wollten sie wissen. Einmal um die Welt, habe ich geantwortet. Was – ohne Motor und allein? Einen Motor brauch ich nicht – hab ja eh Muskeln. Einer der Männer hat gemeint, dass er bis 9. Mai Urlaub hat und mich begleiten könnte. Bis 9. Mai werden wir die Welt nicht ganz schaffen, habe ich geantwortet. So haben wir herumgeblödelt und viel gelacht.

Am nächsten Tag ging es über die Mur nach Slowenien und nach ca. 35km über einen einsam gelegenen Grenzübergang an einer Nebenstraße (der Pass wurde kontrolliert) weiter nach Kroatien. Dort waren auch ein paar Höhenmeter zu überwinden und ich war gezwungen, das Rad zu schieben, weil es ziemlich steil war. Auch dabei habe ich das zusätzliche Gewicht stark gespürt – bei dem steilen Anstieg war es wirklich anstrengend, das Rad über den Berg zu schieben/ziehen. 

Ab dem 3. Tag wurde es dann sehr angenehm und beschaulich – alles eben, Sonnenschein den ganzen Tag und kein Wind. Ich radelte die meiste Zeit über wenig befahrene Nebenstraßen, passierte immer wieder kleine Ortschaften, wo man Störche auf den Laternenmasten beim Brüten beobachten konnte bzw. ihr lautes Klappern hörte. In einem Dorf stellte ich mein Rad vor dem „Mini-Market“ ab, um schnell Obst einzukaufen. Als ich aus dem Geschäft raus kam, stand ein altes, schwarz gekleidetes Mütterchen (mit Kopftuch) vor meinem voll bepackten Rad, kicherte und murmelte etwas auf Kroatisch. Ich hab sie nicht verstanden, nehme aber an, dass sie sich gewundert hat, was ich mit dem Rad vorhabe. Dann hat sie sich auf ein uraltes Waffenrad geschwungen und ist weggefahren.

Für mich ging es dann weiter die Mur entlang nach Slawonien durch bäuerlich geprägte Landschaft. In den Ortschaften sind mir erstmals langgezogene, schmale Speicher aufgefallen. Bei jedem landwirtschaftlichen Anwesen stand so ein Speicher.  Wie sich dann rausstellte, werden darin Maiskolben aufbewahrt. Ca. 100km weiter waren diese Speicher dann wieder verschwunden, dafür gab es dann was für die Nase. Schon von weitem zu riechen: Kamille. Überall Kamillefelder – es war ein unglaubliches Duftmeer. Kroatien ist ein wichtiger Lieferant für die Kräuter- und Pharmaindustrie.

In der Nähe von Legrad mündet die Mur in die Drau, d.h. mein weiterer Weg führte mich dann die Drau entlang. Alles sehr idyllisch, auf Nebenstraßen mit wenig Verkehr. In manchen Ortschaften gibt es zwar lästige Hunde, aber nicht so schlimm wie in Italien. Auch hier sieht man neben der Fahrbahn zeitweise achtlos weggeworfene leere Getränkedosen und Zigarettenpackungen, aber harmlos im Vergleich zu Italien.

Von Zeit zu Zeit passierte ich auch eher ärmliche Siedlungen mit Schotterstraßen – sehr unangenehm zu befahren. Zwischen diesen eher einfachen, baufälligen Häusern steht dann manchmal  hingeklotzt ein Bauwerk, mit dem ein Neureicher seinen Traum vom eigenen Schloß realisieren wollte. Mit Türmchen, Erkern, fetten Säulen und das Ganze in grell gelb/pink/orange. Da haut‘s einem die Augen raus!!

Gestern habe ich nach 430 km und 7 Radlertagen Osijek (4.größte Stadt Kroatiens, 120k Einwohner) erreicht. Osijek wurde während des Jugoslawienkriegs (1991-95) heftig umkämpft – man sieht auch jetzt bei manchen Häusern noch Einschusslöcher.

Osijek ist bekannt für seine schönen sezessionistischen Gebäude, für guten Wein und Bier und für sein gutes Radwegnetz. Es sind auch sehr viele Personen mit dem Rad unterwegs. Ich habe heute Vormittag im Kaffeehaus am Markt meinen Espresso genossen, während an den Nebentischen bereits Cevapcici, serviert in Fladenbrot mit Zwiebeln und Ajvar verspeist wurden. Und dazu ein Pivo.

Morgen geht es weiter Richtung Donau und in einer Woche bin ich bereits auf der Fähre von Burgas (BG) nach Batumi (Georgien).

 

Abfahrt aus dem heimatlichen Schloss
Am Murradweg
An der Mur in Kroatien
Maisspeicher
Mein Nachtquartier in Molve/Drau
Schloss von Suhopolje / mein Nachtquartier
Suhopolje
Bike Self Service Box
Schloss Mailath in Donji Miholac
Park von Schloss Mailath/ Donji Miholac
Donji Miholac
Kamillefeld
Osijek
Osijek
Osijek
Osijek
Osijek
Osijek