Nach den Rasttagen in Osh beschließen wir, weiter nach Usbekistan zu radeln. Die Grenze liegt nur ein paar Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und unser Plan ist, bis in die 400.000 Einwohner-StadtAndijon (50 km, es geht immer bergab) zu radeln und von dort mit dem Zug weiterzufahren. Wenn man schon in Zentralasien ist, muss man unbedingt die Seidenstrassenstädte Samarkand, Buchara und Xiva sehen.

Nach der Grenze wandelt sich die Landschaft komplett – keine Berge mehr, dafür Felder, auf denen Baumwolle und Mais angebaut werden. Außerdem sieht man eine Menge Textilfabriken, in welchen die Baumwolle gleich weiterverarbeitet wird. Und auch sonst ein ziemlicher Unterschied zu Tadschikistan und Kirgistan: die Häuser sind schöner (mit vielen Blumen in den Gärten) – reizvolle Innenhöfe laden zum Chillen auf Tapchans unter Bäumen ein. Wir halten vor einem Haus, um den auf der Strasse zum Trocknen ausgebreiteten Mais zu fotografieren. Der Besitzer kommt sofort raus und bringt eine Kanne Chay und 2 Schalen. Er kann zwar kein Englisch, aber über Fussball entsteht eine angeregte Diskussion zwischen ihm und Karl. Er ist ganz aus dem Häuschen, als er erfährt, dass Karl aus Bayern kommt. „Bayern München, Franz Beckenbauer, Oliver Kahn“ – er kriegt sich kaum ein vor Begeisterung. Er meint dann, dass wir unbedingt bei ihm übernachten müssen – wir haben aber schon ein Hotel in Andijon reserviert. Okay, dann müssen wir zumindest etwas essen – es gibt eine Gemüsesuppe mit Rindfleisch, selbstgemachtes Brot und Kuchen. Und zum Schluss packt er einen Riesenlaib Brot, Kuchen und Äpfel ein, weil als Radfahrer müssen wir ja ordentlich essen.

In Andijon bleiben wir nur eine Nacht, am nächsten Morgen geht es weiter mit der usbekischen Bahn nach Samarkand. Wir sind rechtzeitig am Bahnhof, auch um sicher zu gehen, dass die Räder ordentlich im Zug verstaut werden. Die Schaffner sind extrem nett und helfen uns, sie am Waggonende unterzubringen und zu fixieren – der Radtransport ist übrigens kostenlos. Pünktlich gehts los um 09:00 – im ziemlich vollen Zug gibt es ausschliesslich Liegeplätze. Kurz nach der Abfahrt kommt der Schaffner (jeder Waggon hat einen eigenen Zugbegleiter) und teilt Bettwäsche in verschweißten Plastikbeuteln aus. Also wird das Bett überzogen und dann kann man es sich bereits in der Horizontalen gemütlich machen – bei einer 12 Stunden Fahrt ist das sehr angenehm. In jedem Waggon gibts auch einen Samowar – dort kann man sich heißes Wasser für den Chay holen.

Der Zug kommt auf die Minute genau in Samarkand an und wir brauchen nur noch in das gleich beim Bahnhof gelegene Hotel zu fahren. Am nächsten Tag – es ist Sonntag – dann mit den Rädern in das 7km entfernte Zentrum von Samarkand und jetzt ist Staunen angesagt. Waren es bis jetzt auf unserer Reise zumeist aussergewöhnliche Landschaften, so sind es nun vom Menschen gemachte Bauwerke, die uns sprachlos vor Begeisterung machen. Nicht nur der Registan, einer der prächtigsten Plätze Zentralasiens mit seinen 3 Medresen, sondern auch viele Moscheen ziehen uns in ihren Bann. Aber wir sind natürlich nicht die einzigen, die deswegen hier sind – die Stadt ist voll mit Touristen.

Sonntag ist in Usbekistan auch ein beliebter Tag zum Heiraten – im Park beim Registan sehen wir mindestens 30 Brautpaare, die sich dort zum Fotoshooting eingefunden haben. In dem Online-Magazin www.novastan.org lese ich einen Artikel über den Jungfräulichkeitskult in Usbekistan. Es ist (auch in anderen zentralasiatischen Staaten) gesellschaftlich kaum akzeptiert, dass Frauen vor ihrer Ehe ein Sexleben haben. Und kann in der Hochzeitsnacht kein Beweis für die Jungfräulichkeit erbracht werden (durch Blutflecken auf dem Leintuch), so kann es schon passieren, dass der Bräutigam seine Frischvermählte zu ihrer Familie zurückschickt. Oder er ist nett und nimmt eine kleine Nadel, mit der er sich in den Finger sticht und so ein paar Blutstropfen produziert, damit er den „Frauen-Prüferinnen“ (die dann die frohe Nachricht an die Verwandten verbreiten) ein blutbeflecktes Leintuch präsentieren kann.

In die nächsten 2 Städte, Xiva und Buchara, wollen wir ebenfalls mit dem Zug fahren, daher lassen wir unsere Räder und den Großteil des Gepäcks im Hotel in Samarkand, wo wir es in ca. 1 Woche wieder abholen werden. Die Fahrt durch die Wüste in die Oasenstadt Xiva an der turkmenischen Grenze dauert auch wieder ca. 12 Stunden und findet in der Nacht statt. Auch hier ist der Zug wieder auf die Minute genau und geschlafen habe ich erstaunlich gut.

Karl bucht in Xiva eine Tour zum ausgetrockneten Aralsee – ich kann mich nicht für die 14 stündige Autofahrt erwärmen und bleibe in der Stadt, wo ich auch gleich von einer Familie in ihr Haus geladen werde. Außerdem werde ich von einer Gruppe usbekischer Frauen angesprochen und es werden Fotos gemacht. Es zeigt sich wieder einmal, dass man als allein reisende Frau mit fast 100 %iger Sicherheit damit rechnen kann, von Einheimischen angesprochen und eingeladen zu werden.

Dann gehts weiter nach Buchara – extrem viele Touristen und gefühlt jedes 2. Haus im Zentrum ein Hotel. Und nach langer Zeit wieder mal ein guter Cappuccino in einem deutschen Kaffeehaus – ein Julius Meinl Kaffeehaus habe ich hier übrigens auch gesehen. Aber natürlich auch hier viele sehenswerte Bauwerke. Und Shopping ist angesagt: diese tollen usbekischen Stoffe – ein Kaftan und eine Jacke haben in meinen Radtaschen schon noch Platz.

Noch eine letzte Fahrt mit Uzbekistan Railways (wieder pünktlich) zurück nach Samarkand – dort besteigen wir wieder unsere voll bepackten Räder und fahren zur 50 km entfernten Grenze nach Tadschikistan. Leider auf einer furchtbaren Strasse mit extrem viel Verkehr und die Usbeken fahren wie die Gesengten Säue!!! Von Abstand haben die noch nie was gehört.

Endlich an der Grenze angekommen – der Übertritt verläuft ganz unspektakulär – in Tadschikistan stehen uns nur noch 20 Kilometer auf einer Super-Strasse ohne Verkehr bis Panjakent bevor. Eingecheckt im Panjakent Plaza, dem besten Haus am Platz – ein typisch zentralasiatisches Hotel mit extrem schwülstiger Deko und Info durch den netten Rezeptionisten beim Check-In: Breakfast from 07:00 until 10:00. Am nächsten Tag läutet das Telefon um 08:00 und im Befehlston: „You have to eat breakfast now“. Aha. Okay, dann gehen wir halt frühstücken. Außer uns war offensichtlich nur eine chinesische Reisegruppe zu Gast und die waren um 07:45 schon fertig mit dem Frühstück – also wollte man wahrscheinlich nicht ewig lang auf uns warten und das Buffett wieder abbauen. Andere Länder – andere Sitten, wir nehmen‘s mit Humor (und lassen uns das Frühstück schmecken).

Das erinnert mich an ein Hotel am Sewansee in Armenien: dort gab es Frühstück nur von 10:00 bis 11:00. In der Umgebung gabs ein paar Berge/Hügel – ich hab vor dem Frühstück halt immer eine Bergtour gemacht und mich dann richtig hungrig über das eher bescheidene Buffett hergemacht. Einmal kam ich erst um 10:30 von der Tour – da wurde das Buffett schon wieder abgebaut.

In Panjakent nehmen wir ein Taxi, das uns wieder nach Dushanbe bringt. Die Fahrt durch spektakuläre Berglandschaft führt über einen 2.800m hohen Berg und durch viele enge, unbeleuchtete Tunnelröhren – wir sehen auch ein paar Radfahrer. Nur der Gedanke, dass ich mit dem Rad durch diese Tunnels fahren müsste, schnürt mir die Kehle zu.

In Dushanbe steigen wir wieder in „unserem“ Hotel ab – die Rezeptionisten kennen uns noch. Karl hat hier vor mehr als einem Monat seine Durchfallerkrankung auskuriert und sich mit Griesskoch, welches es hier beim Frühstücksbuffet gibt, aufgepäppelt. Beim Frühstück sehe ich eine Gruppe junger Indonesierinnen, die bereits während unseres 1. Aufenthalts da waren. Sie tragen Jacken mit der Aufschrift „Indonesia“ – sind offensichtlich Sportlerinnen. Ich frage sie dann, welchen Sport sie betreiben – „Wrestling“ und sie sind hier in Dushanbe auf einem Trainingscamp.

Unsere Zeit hier in Zentralasien neigt sich dem Ende zu – bald geht es zurück nach Europa. Voll mit tollen Eindrücken und Bildern, die wir so schnell nicht vergessen werden. Und wieder einmal die Erkenntnis: „(Fast) Alles ist einfacher, als man es sich vorgestellt hat.“ Der Pamir Highway ist abenteuerlich, anstrengend, atemberaubend (im wahrsten Sinn des Wortes) und affengeil. Aber auch Oldies wie wir (Karl ist 66, ich bin grad noch 61) können ihn mit einem normalen, voll beladenen Trekkingbike radeln (okay, ein paar mal hatten wir motorisierte Unterstützung). DON‘T DREAM IT, DO IT!

Baumwollfeld

Auf eine Suppe bei einem usbekischen „Bayern München“ Fan

Hier die coole Rentnergang aus Andijon (Usbekistan)

Eine müde Österreicherin im usbekischen Zug

Bahnfahren in Usbekistan

Mein Shirt passend zur Kuppel am Registan in Samarkand

Samarkand

In der Oasenstadt Xiva

Wirkt wie geflochten – Mausoleum in Buchara

Buchara