Nach dem Rasttag in Karlsruhe (wir waren im Kino und haben uns Top Gun Maverick angeschaut) ging es weiter am Wasser entlang. Wir sind immer früh losgestartet (ca. 07:00), um der Hitze etwas zu entkommen und waren zumeist schon um die Mittagszeit am Zielort. Ab dem späten Vormittag hatte man das Gefühl, in einem heissen Backofen unterwegs zu sein und auch die Wiesen und Felder waren so vertrocknet, sodass man sich zeitweise in eine zentralasiatische Steppenlandschaft versetzt fühlte. An den Nachmittagen sind wir nur noch faul im Schatten am Campingplatz herumgehangen – die Hitze hat uns so fertig gemacht, dass uns nicht einmal Stadtbesichtigungen wirklich gereizt haben. Und wir sind durch wirklich schöne, sehenswerte Städte gekommen: Heidelberg, Speyer, Worms, Mainz, Koblenz, Trier. In St. Goarshausen gings vorbei an der Loreley – ausserdem grüßen von den Berghängen viele imposante Burgen, wie z.B. die im japanischen Privatbesitz befindliche Burg Katz und ein paar Kilometer weiter die Burg Maus.
In Koblenz heisst es Abschied nehmen vom Rhein – wir wollen weiter die Mosel, die hier in den Rhein mündet, entlangfahren. Da Brigitte gesundheitlich etwas angeschlagen ist, beschließen wir die Strecke Koblenz-Trier mit dem Zug zu fahren. Wie gut, dass es das 9,00 Euro Ticket gibt. Ein holländischer Radfahrer, den wir am Campingplatz in Koblenz treffen, erzählt uns, dass er auch versucht hat, das Rad im Regionalzug mitzunehmen – es war aber unmöglich, weil der Andrang so riesig war. Na ja, wir probieren es trotzdem. Alle 30 min fährt ein Regionalzug von Koblenz nach Trier – irgendwo werden wir schon Platz haben. Es ist Sonntagmorgen, 08:30 – der Bahnsteig ist voll – auch einige Radfahrer warten auf den Zug. Endlich fährt er ein – die Schaffnerin ruft: „Alle Räder in den 1. Waggon“- großes Gedränge. Auf zum 1. Waggon – die aufklappbaren Sitze sind aber alle besetzt, sodass kein Platz für die Räder ist. Die ziemlich resolute Schaffnerin fordert die dort sitzenden Personen auf, aufzustehen und Platz für die Räder zu machen. Das wird auch von allen befolgt – nur ein ziemlich aggressiver Typ, der mit Frau und 3 Kindern (eins davon im Kinderwagen) dort sitzt, weigert sich. Er meint im Recht zu sein, weil dieser Platz für Räder, Rollstühle und Kinderwagen reserviert ist. Die Stimmung war mittlerweile ziemlich aufgeheizt – die Schaffnerin sagt ihm, dass seine Frau mit dem Kinderwagen ja bleiben könne, er und die 2 größeren Kinder (ca. 6 – 8 Jahre alt) müssen aber Platz machen für die Räder. Er weigert sich weiterhin – mittlerweile mischen sich auch Radfahrer in die Debatte ein und die 1. Schimpfworte („Du Spasti“) fallen. Dann wird die Polizei gerufen. Bis die kommt, dauert es aber. Der Zug hätte schon längste Zeit abfahren sollen. Endlich kommen 2 Beamte und fordern den Herren und seine Familie auf, den Zug zu verlassen. Unter lautem Protest (die Frau hat mittlerweile zu weinen begonnen und die 2 größeren Kinder haben ganz erschrocken dreingeschaut) steigt die Familie aus – ich höre noch wie er zu den Polizisten sagt, dass seine Kinder jetzt für den Rest ihres Lebens traumatisiert sein werden. So, jetzt ist Platz für die Räder und die 90 minütige Fahrt kann losgehen.
In Trier legen wir noch einen Rast- und Besichtigungstag ein, bevor es dann die Mosel entlanggeht durch Schengen (Luxemburg) nach Frankreich, wo die sehenswerten Städte Metz und Nancy auf uns warten. Von Nancy geht es für mich dann weiter in den Osten (Elsass), während Brigitte sich auf den Weg zur Saône und dann weiter nach Marseille macht.
Mittlerweile sind die Temperaturen etwas erträglicher, sodass die Fahrt entlang der Kanäle im Elsass wirkliches Genussradeln darstellt. Lauter schöne, ebene Radwege, die durch kleine Dörfer mit Fachwerkhäusern und Blumenschmuck führen. Und auf den Kanälen sieht man viele Hausboote, die gemütlich am Wasser entlang tuckern – eine sehr beschauliche Art, Urlaub zu machen. Die Namen der Ortschaften weisen auf die wechselvolle Geschichte hin: das Elsass hat abwechselnd ja immer zu Deutschland oder Frankreich gehört. Viele Ortsnamen enden auf -heim oder -burg oder -hausen. Einen Fluss namens Zorn gibt es auch – den habe ich 2x überquert. In Phalsbourg habe ich in einem BnB bei einer Familie in einer 300 Jahre alten Steinscheune, die aufwendig restauriert und liebevoll eingerichtet ist, übernachtet. Miriam und ihr Mann, ein Architektenehepaar, haben dort einen ganz besonderen Platz geschaffen. Zum Abendessen (neben mir war noch ein Paar aus Italien zu Gast) gab es eine feine Pate Lorrain mit frischem Salat aus dem Garten und dazu einen ausgezeichneten Tropfen aus dem Keller. Da fühlt man sich gleich wie Gott in Frankreich.
Neben den Fahrten am Kanal entlang, war auch das Radeln durch die vielen Weinberge ein Vergnügen. Immer wieder hatte ich Gelegenheit, von den süßen Trauben zu naschen und in vielen Gegenden war auch die Ernte grad voll im Gange.
Einmal bin ich auch hier in ein Gewitter gekommen und ich habe es grad noch geschafft, mich unter dem Vordach eines Hauses unterzustellen. Es hat ordentlich geschüttet, geblitzt und gedonnert und ich steh bei diesem Haus und denk grad, wie es war im Kaukasus: dort hat es nie länger als 3 Minuten gedauert, bis ich ins Haus gebeten wurde und dann gab es immer auch gleich Kaffee und Kekse. Im Elsass ist dann ein Auto gekommen, das vor dem Haus geparkt hat. Ausgestiegen ist eine Frau mit einem Korb voller Einkäufe – ich grüße freundlich „Bon jour“- sie erwidert freundlich „Bon jour“. Dann hat sie die Haustür aufgesperrt, ist reingegangen und hat hinter sich wieder zugesperrt. DAS ist der Unterschied zwischen Europa und dem Kaukasus.
Der Regen war aber nach 10 Minuten sowieso vorbei und ich konnte weiterfahren.
Ein anderer Unterschied zwischen Kaukasus und Europa ist die Leidensfähigkeit, die man als Radler im Kaukasus ja unbedingt mitbringen muss. Die wirklich ruppigen Wege, die vielen knackigen Anstiege, die so steil sind, dass man das Gepäck extra raufschleppen muss, das Nicht Vorhandensein von Radwegen, die vielen Hundeattacken, das ständige Angehupt-Werden und dann auch noch ein nicht einladendes Nachtquartier verlangen ein dickes Radlerfell.
Insofern war die Rhein-Mosel-Elsass Tour wirklich was für Genießer und kann auch leicht von Kindern bewältigt werden. Und ein E Bike braucht man dafür auch nicht – es gibt nur minimale Anstiege.
Ich habe in diesem Jahr insgesamt mehr als 6.000 km und ca. 30.000 Höhenmeter mit dem Rad zurückgelegt und benötige jetzt eine etwas längere Pause. Nicht unbedingt der Körper, sondern das Hirn schreit danach – die vielen Eindrücke wollen jetzt einmal verarbeitet werden.
Aber irgendwann nächstes Jahr geht es weiter….