Bei der Planung der Tour von Paris nach Tarfaya gingen wir davon aus, dass wir für jedes Land ca. 1 Monat benötigen werden, sodass wir um die Weihnachtszeit am Zielort in der Sahara ankommen werden. Da man aber immer mit Überraschungen (man kann krank werden oder noch viel schlimmer einen Unfall haben, es kann über längere Zeit regnen oder man benötigt einen Ersatzteil fürs Fahrrad, der grad nicht vorrätig ist) rechnen muss, waren wir uns nicht sicher, ob wir diesen Zeitplan einhalten werden können. Und was soll ich sagen: ich sitze gerade auf der Dachterrasse eines Riads in der Kasbah in Tanger im Schatten (in der Sonne ist es mir zu heiß) und denke an Wien, wo es letzte Nacht geschneit hat. Wir sind am 21.9. in Paris gestartet, sind am 21.10. über die französisch-spanische Grenze geradelt und gestern, am 22.11. sind wir mit der Fähre von Tarifa, dem südlichsten Punkt am europäischen Festland in Tanger angekommen. Wenn das kein Timing ist.
Will man die spanische Etappe in einem Satz zusammenzufassen, dürfen die Worte „anstrengend“, „wunderschön“ und „sehenswert“ nicht fehlen. Ausnahmslos jeder Radlertag in Spanien war anstrengend, wobei nicht nur die zu bewältigenden Höhenmeter eine Rolle spielen, sondern sehr oft der lose Untergrund, auf dem man einsinkt und der einem das Gefühl gibt, dass man mit dem höchsten Gang unterwegs ist, obwohl ein mittlerer Gang drinnen ist. Oder starker Gegenwind gegen den man ankämpfen muss bzw. starker Seitenwind, der einen in die stark befahrene Fahrbahn drückt, sodass das ganze auch noch gefährlich wird. Oder auch, wenn man einmal 10km auf einer stark befahrenen Bundesstraße fährt (was sich manchmal ergibt) – der Lärm und die Geschwindigkeit der vorbeirasenden Fahrzeuge ist extrem belastend und teilweise beängstigend, sodass erleichtertes Aufatmen angesagt ist, wenn man auf eine wenig befahrene Strasse kommt.
Ich sage mir dann aber immer, dass es sicher bald besser wird und so ist es dann (zumeist) auch. Man kommt durch traumhaft schöne Orte, von denen ich bis jetzt noch nichts gehört habe, die einem viele Wow-Momente bescheren und staunen lassen. Und mit etwas Glück ergattern wir ein leistbares Zimmer in einem toll hergerichteten historischen Gebäude mit netten Gastgebern. Und so sind wir auch zufällig in Llerena bei Lola und Julio in ihrem schönen Casa Rural „Cieza de Leon“ gelandet. Llerena lag eigentlich gar nicht auf unserer geplanten Route, die Wettervorhersage zuerst 1 Tag starker Wind und dann 4 Tage Starkregen ließen uns umplanen. Wir wollten den windigen (aber sonnigen) Tag noch nützen und eine kürzere Tour planen, die dann aber in einem Ort mit Bahnhof endet, damit wir bei Regen mit dem Zug die Strecke nach Sevilla zurücklegen können. Radeln bei Gegenwind ist nicht lustig, aber 45km sollten zu schaffen sein. Wir kommen an vielen landwirtschaftlichen Anwesen vorbei, können einen Blick auf die vielen Kühe und Stiere (viele sind für die Kämpfe in den überall sichtbaren Arenen bestimmt) werfen oder uns auch über die sehr witzigen iberischen Schweine (die zu schmackhaftem „Pata Negra“, einem Rohschinken verarbeitet werden) amüsieren. Die schwarzen Tiere sind einerseits sehr schreckhaft – sobald wir mit den Fahrrädern bei ihrem Gehege vorbeifahren, stoben sie laut grunzend auseinander – um gleich im nächsten Moment wieder ganz neugierig ums Eck zu lugen.
Aber nun zurück zu Llerena und unsere tolle Unterkunft. Das „Cieza de Leon“, eine Töpferei mit Herrenhaus aus dem 14. Jahrhundert, errichtet im „Mudejar“-Stil (eine sehr sehenswerte Kombination aus maurischer und iberischer Kunst) wurde 2020 von Lola und Julio in ziemlich heruntergekommenem Zustand gekauft und anschliessend sehr geschmack- und liebevoll restauriert. Das Resultat: 7 individuell gestaltete Gästezimmer und großzügige Allgemeinflächen. Und das ganze zum wohlfeilen Preis von 90,0o € inklusive Frühstück – leider können wir nur 2 Nächte bleiben, da die Unterkunft über das Wochenende ausgebucht ist. Da der vorhergesagte Regen auch tatsächlich kommt, beschließen wir die 130km nach Sevilla mit der Bahn zurückzulegen. Die Tickets sind online einfach zu buchen – die Mitnahme der Räder im „Media Distancia“ Zug der spanischen Staatsbahnen RENFE ist kostenlos. Außer uns hat an diesem verregneten Tag ohnehin niemand ein Fahrrad dabei.
Die 700.000 Einwohner Stadt Sevilla, die Hauptstadt Andalusiens, empfängt uns im Regen und es sollte die die meiste Zeit regnerisch bleiben. Zwischendurch gibt es aber auch Sonnenfenster, sodass wir durch die Stadt flanieren und die ein oder andere Tapas-Bar aufsuchen. Außerdem will Dieter unbedingt zum Barbier (wo sonst, wenn nicht in Sevilla) und siehe da, gleich ums Eck unseres Apartments wird er fündig.
Von Sevilla ist es nicht mehr all zu weit nach Tarifa (von wo die Fähre nach Marokko abfährt) – wir beschließen einen Abstecher nach Gibraltar zu machen und so radeln wir in das britische Überseegebiet – man muss tatsächlich über das Rollfeld des Flughafens radeln, um in die Stadt zu kommen. Auch hier wieder eine etwas andere Unterkunft: diesmal sind wir in einem Hausboot im Hafen untergebracht. In Gibraltar muss natürlich der Felsen bestiegen werden: das weit verzweigte Tunnelsystem im Berg (das maßgeblich zur Verteidigung der Meerenge im 2. Weltkrieg beigetragen hat) wird von uns genauso besichtigt, wie die Makaken, die überhaupt nicht lästig und aufdringlich sind. Im Gegenteil: sie wirken alle sehr gut genährt und gepflegt – nicht so räudig, wie man es von Affen an anderen Orten gewohnt ist.
Von Gibraltar gehts dann durch viele für Andalusien typische „weiße Dörfer“ mit laut klappernden Störchen (die hier überwintern), vorbei an Palmen, Pinien und Orangenplantagen, über den einen oder anderen Berg (mit vielen knackigen Anstiegen) weiter zum südlichsten Punkt am europäischen Festland: Tarifa. Hier gehen wir noch einmal in eine Lavanderia, damit wir mit sauberer, gut riechender Wäsche in Afrika ankommen.

In der Extremadura

zwischendurch eine Panne, die schnell behoben ist

Fachsimpeln mit einem spanischen Radler

Caceres – was für eine schöne Stadt

Caceres


Merida



Lauter witzige Schweine

Lola und Julio, unsere Gastgeber in Llerena im casa rural Cieza de Leon

Zimmer im Cieza de Leon

Cieza de Leon im Mudejar-Stil

Sevilla

Sevilla

Dieter beim Barbier von Sevilla

Arcos de la Frontera – eine der weißen Städte


Fahrt über das Flugfeld in Gibraltar



