„Moni, warst du eigentlich schon mal in St. Malo oder in Mont Saint Michel?“ „Nein, ich kenne diese Orte nur von Fotos – sollen aber sehenswert sein.“ „Was hältst du davon, wenn wir einen Abstecher rauf in die Bretagne bzw. Normandie machen (die beiden Orte liegen nicht auf unserer geplanten Route)?“ Da muss ich nicht großartig überredet werden und da es von Nantes einen Regionalzug (mit mindestens 1 x umsteigen in Rennes) gibt, beschließen wir, für 2 Tage Richtung Norden zu fahren. Die Fahrräder haben wir dabei, um auch vor Ort mobil zu sein – der Fahrradtransport kostet bei der SNCF nichts extra.
Nach unserer Ankunft am späten Nachmittag checken wir in einem kleinen Apartement in der Nähe des Bahnhofs in St. Malo ein. Hier machen wir eine neue Erfahrung, was die Buchung einer Ferienwohnung betrifft. Wie immer haben wir das Apartement über booking.com gebucht und bezahlt – im Anschluss haben wir vom Vermieter die Aufforderung erhalten, eine Kaution zu hinterlegen und erst dann die Zutrittsdaten zur Wohnung erhalten (auf booking.com gab es keinen Hinweis dazu). Dabei wird die Kaution nicht abgebucht, sondern der jeweilige Betrag wird nur reserviert und sollte die Wohnung irgendwie versaut werden oder etwas kaputt sein, kann sich der Wohnungsbesitzer schadlos halten. Die Kaution kann durchaus gepfeffert ausfallen – der höchste Betrag, der bisher verlangt wurde, waren €900,00.
Am nächsten Tag radeln wir in das ein paar Kilometer entfernte Gezeitenkraftwerk (das 1. auf der Welt) an der Rance, das seit fast 60 Jahren seinen Dienst versieht und die Hälfte des in der Bretagne benötigten Stroms liefert. Zurück gehts in den Hafen von St. Malo, wo einige sehr lässige Jachten liegen .
In St. Malo nehmen wir den Regionalzug nach Pontorson, von dort sind es nur noch 10km zu unserem einfachen Quartier (der hohe Preis spiegelt die Menge an Touristen wider) in der Nähe von Mont Saint Michel. Leichter Regen setzt ein und heftige Sturmböen erschweren uns das Radeln. Kurz vor 19:00 erreichen wir unser Chambre d’Hote, wo uns die Gastgeberin herzlich empfängt. Gleich nach dem Frühstück machen wir uns am nächsten Morgen auf zum Kloster, dabei überholen wir eine Prozession, die ebenfalls unterwegs ist nach Mont Saint Michel. Der Sturm ist noch immer heftig – wir müssen ordentlich strampeln, um vorwärts zu kommen. Dann werden wir aber belohnt: ein kitschiger Regenbogen direkt bei der Abtei. Was für ein Anblick! Und das frühe Aufstehen hat sich gelohnt: die meisten Touristen sitzen wahrscheinlich noch beim Frühstück, während wir durch die fast menschenleeren Gassen schlendern.
Am Nachmittag geht es zurück mit der Bahn nach Nantes. Dort haben wir eine Reservierung in einem kleinen, 1 Stern Hotel im Zentrum (mit sehr guten Bewertungen) um € 40,00/Nacht für ein Doppelzimmer – Frühstück kann man um € 10,00/Person dazubuchen. Überall wird am Personal gespart – auch hier ist die Rezeption nur von 07:00 – 11:00 und von 17:00 – 20:00 besetzt. Check-in und Check-out ist daher auch nur zu diesen Zeiten möglich. Das Zimmer ist wirklich schön, mit einem neurenovierten Badezimmer – das Highlight im Hotel ist aber die Rezeptionistin. Da wir sehr oft in Apartments, wo man überhaupt keinen persönlichen Kontakt zu Angestellten hat, übernachten (die gesamte Kommunikation erfolgt per mail), freut man sich natürlich, wenn man von einer richtigen Person begrüßt wird. Und Chantal ist wirklich lustig: ein kohlrabenschwarzer Wirbelwind mit einem ansteckenden, herzlichen Lachen. Sie hilft uns dabei, die Fahrräder über eine enge Wendeltreppe in ein sehr dunkles Kellerabteil zu tragen. Dort fängt sie an mit „Huuuuu“-Rufen gefolgt von einem lauten Lacher ein Gespenst zu imitieren (man sieht nur ihre Zähne und das weiss ihrer Augen) – nach unseren Erfahrungen in den Loire-Schlössern jagt uns das keine Angst mehr ein – wir müssen aber auch herzhaft lachen. Während Dieter die Fahrräder im finsteren Keller verstaut, gehe ich mit Chantal wieder rauf – dort fragt sie mich mit verschwörerischem Ton, ob sie Dieter im Keller einsperren soll. „Une bonne idee“ sage ich und wieder muss sie laut lachen. Dann meint sie aber, dass es da unten doch sehr kalt sei – okay, Dieter muss nicht im finsteren, kalten Keller schlafen.
Da sich einiges an Schmutzwäsche angesammelt hat, wollen wir in Nantes eine Laverie aufsuchen, wo wir um ca. € 7,00 eine Maschine voll waschen und trocknen können. Die nächste „Speed-Queen“-Wäscherei (mit der wir bereits in Angers gute Erfahrungen gemacht haben) liegt ca. 10min Fußmarsch von unserem Hotel entfernt. Also auf zur Speed-Queen! Der Magen meldet sich – „Was essen wir heute?“ „Ich hätte Gusto auf vietnamesisch“ sage ich. Dieter checkt auf Google Maps, wo die nächsten vietnamesischen Lokale liegen. Da stolpern wir aber ganz in der Nähe der Speed-Queen über ein Lokal mit der Aufschrift „Haiti Cherie Bar – Restaurant“. „Also, ich hätte auch nix gegen scharfe Karibik-Küche.“ „Na, dann schauen wir doch mal die Speisekarte an.“ Es gibt keine Karte, aber die Betreiberin, eine nette, schwarze Haitanerin sagt uns, dass wir die Wahl zwischen Huhn und Fisch hätten. „Okay, wir nehmen Huhn.“ Sie verschwindet in der Küche, wo geschnipselt und gebrutzelt wird.
Wir genehmigen uns in der Zwischenzeit an der Bar ein Paulaner Bier und kommen ins Gespräch mit Cathy aus Kamerun, die sich ein St. Thomas Bier gönnt. Sie lebt seit über 30 Jahren in Frankreich, wo sie mit einem Franzosen verheiratet war und 2 Kinder hat. Jetzt – sie ist bereits über 60 – möchte sie aber wieder zurück in ihr Geburtsland – trotz der Korruption und der nicht so angenehmen Umstände in Kamerun. Auch sie ist eine Frohnatur mit herzlichem Lachen – besonders lustig findet sie, dass Dieter und ich mit dem Fahrrad in die Sahara fahren wollen (irgendwie kann sie das nicht glauben)
In der Zwischenzeit ist unser Abendessen fertig und wir nehmen Platz am Tisch. Es ist ein absoluter Genuss – das Fleisch in einer würzigen Sauce, dazu Süßkartoffeln-Pommes und gebratene Kochbananen mit Salat. „Tres formidable!“ schwärmen wir und gönnen uns im Anschluss an der Bar noch ein paar Drinks und nette Gespräche über Gott und die Welt mit Cathy.
Dann heisst es Abschied nehmen von Nantes, einer sehr lebendigen und sympathischen Stadt. Obwohl hier sicher auch einige Touristen sind, hatten wir nie das Gefühl, dass es zu touristisch ist.
Weiter geht es nun mit dem Rad Richtung Atlantik, eine weiterhin ebene und ruhige Strecke fernab des Autoverkehrs. Unterwegs sieht man die Fangvorrichtungen der Senknetzfischer – lange hölzerne Stege führen hinaus ins Brackwasser zu den fest verankerten Carrelets.
Mittlerweile – nach vielen Kilometern durch Salzwiesen und -sümpfe, Schwemmland, Wälder, schöne und auch weniger schöne Orte, sind wir auf der Ile de Re (bei La Rochelle) angekommen, wo wir einen verdienten Ruhetag einlegen. Fast 1.000km sind geschafft!!

Tolle Jachten in St. Malo

Prozession auf dem Weg nach Mont Saint Michel

Mont Saint Michel

Chantal, die Wirbelwind-Rezeptionistin in Nantes

Ein lustiger Abend mit Cathy aus Kamerun

unser fantastisches Haiti-Abendessen


nette Begegnungen

Austernfischer


originelle Fortbewegungsmittel

man sieht viele Senknetzvorrichtungen







Sables d‘Olonne

ab und zu muss man das Rad tragen