Seit über einer Woche sind wir nun bereits in der autonomen Gemeinschaft Kastilien und Leon unterwegs. Zuerst noch am Camino, dann geht es weiter an den ca. 200km langen Canal de Castilla, wo ein Radweg entlang des Wassers führt. Was für ein toller Anblick! Die Natur zeigt sich in ihrem festlichen Herbstkleid und erstrahlt in Rot-, Gelb- und Orangetönen. Schlehen- (wir bleiben immer wieder stehen und naschen von den säuerlichen Früchten) und Hagebuttensträucher wechseln sich ab am Wegesrand. Man passiert Schleusen, halb verfallene Mühlen (Fans von „Lost Places“ kommen hier auf ihre Rechnung) mit Graffiti besprüht und das ganze ohne nennenswerte Höhenmeter und weit ab vom Autoverkehr. Es wäre perfekt, wäre da nicht der lose Untergrund, auf dem man radelt. Und nach einer holprigen Tagesetappe von 60km winselt der Hintern um Gnade.

Man kann gar nicht beschreiben, welch erlösendes Gefühl es ist, wenn man dann wieder auf Asphalt dahingleitet – so als ob ein Schmerz, den man die ganze Zeit gespürt hat, plötzlich nachgelassen hätte.

Am späten Nachmittag des 31. Oktober kommen wir in unserem Hotel, gleich ums Eck der Plaza Mayor in Valladolid an. Reges Treiben in der 300.000 Einwohner-Stadt – man sieht etliche Menschen in Halloween-Kostümierung. Am Abend hat man dann ohnehin das Gefühl, dass die ganze Stadt auf den Beinen ist. Die Lokale sind alle gesteckt voll – man genießt ein Glas Wein mit Pinxtos (Valladolid ist bekannt für seine exquisiten Pinxtos). Für den nächsten Tag, Allerheiligen, ist starker Regen angesagt. Das bedeutet: Rasttag für uns und Flanieren durch die sehenswerte Stadt.

Am Sonntag dafür: strahlender Sonnenschein von Früh bis spät. Wir planen eine 75km lange Etappe nach Toro, wo wir ein Zimmer in einem Stadtpalais aus dem 14. Jahrhundert gebucht haben. Irgendwie habe ich aber eine böse Vorahnung in Anbetracht der Tatsache, dass es am Vortag so stark geregnet hat. Aber zuerst geht es einmal raus aus der Stadt – an so schönen Sonntagen sieht man dann auch viele Rennradler, die das tolle Wetter ausnützen. Bald hört dann aber die Asphaltstraße auf und weiter geht es auf losem Untergrund – aufgeweicht vom Regen mit riesigen Pfützen. Es dauert nicht lange und es ist so viel Schlamm/Sand/Erdgemisch zwischen Kotflügel und Reifen, dass diese sich nicht mehr bewegen. Jetzt fluche ich einmal (oder auch zweimal) ganz laut. Dieter hilft mir, die Reifen so weit zu säubern, dass sie sich wieder drehen. Dann checkt er noch auf Komoot, ob es eine asphaltierte Alternativroute gibt. Nur eine Schnellstraße /Autobahn, wo wir nicht radeln dürfen (und auch nicht wollen in Anbetracht des Verkehrs).

Dieser Sonntag sollte der anstrengendste Tag unser bisherigen Tour werden. Obwohl nur ca. 300hm zu bewältigen waren – 45 km auf losem, feuchten Untergrund, in den man tief einsinkt, hat nicht nur mir immer wieder einen Fluch entlockt. Unsere Räder und Packtaschen waren so voller Dreck – als wir durch ein kleines Dorf radeln, werden wir ganz verwundert angeschaut.

Die letzten 20km in das auf einem Hochplateau gelegene Toro legen wir dann auf einer asphaltierten Landstraße zurück. Müde von der heftigen Fahrt freue ich mich, im wunderschönen Quartier (wie geschrieben ein Palais aus dem 14. Jhdt.) eine Badewanne vorzufinden. Jetzt einmal ein Vollbad! Und dann ab ins Stadtzentrum – wir haben Riesendurst. Bei Rosa, einer Ecuadoranerin, die eine kleine Bar betreibt, nehmen wir Platz. Für mich muss es nach so anstrengenden Touren immer ein eisgekühltes Cola sein. „Moni, aber ein Bier trinkst du auch!“ – Dieter muss mich nicht gross überzeugen. „Du bist ja die allerhärteste Socke – ich kann gar nicht fassen, wie du heute diesen Wahnsinnstrip gemeistert hast“ meint Dieter, der auch sichtlich geschafft ist. Bis jetzt hat er mich ja immer wieder mal als „Schnecke“ bezeichnet (er fährt doch etwas schneller als ich, aber schön langsam hole ich auf und bei manchen Steigungen überhole ich ihn sogar!) und ab sofort bin ich Moni, die rasende Schnecke.

In der Bar lernen wir dann auch noch den Ehemann von Rosa kennen – Segundo – auch er kommt aus Quito und die beiden leben seit 26 Jahren in Spanien. Er meint, wir müssen unbedingt ein Glas Wermut (mit hohem Alkoholgehalt) trinken. Es bleibt dann nicht bei einem Glas – nach je ca. 4 Gläsern sind wir so besoffen, dass wir uns fragen, ob wir noch aufrechten Ganges zurück in unser Quartier kommen. Kichernd und uns gegenseitig stützend schaffen wir es dann doch – ein würdiger Abschluss für einen anstrengenden Tag.

Es geht dann weiter, durch viele kleine, fast ausgestorbene Dörfer (Landflucht ist ein großes Thema) und die Landschaft verändert sich langsam. Man sieht bereits 1. Sukkulenten und Steineichen. Mittlerweile sind wir ca. 200km westlich von Madrid unterwegs (gestern waren wir in der sehenswerten Stadt Salamanca) und bewegen uns schön langsam Richtung Sevilla.

Und wir fahren jetzt auch nicht mehr nur am Eurovelo (mit großteils losem Untergrund), sondern legen viele Etappen auf einer wenig befahrenen Nationalstraße (Carretera Gijon a Puerto de Sevilla) zurück.

Castrojeriz – nach am Camino gelegen

Am Canal de Castilla

Einer der vielen „Lost Places“

Loser Untergrund

Genau diesen Untergrund will ich nicht

Eine kleine Stärkung zwischendurch (rechts Torrezno – frittierte Schwarte mit viel Fleisch dran)

unsere Unterkunft im Palais aus dem 14. Jhdt. in Toro

Toro

Nach 4 Gläsern Wermut – mich wundert, dass ich noch aufrecht gehen kann

Endlich Asphalt

Plaza Mayor in Salamanca