Meine Fahrradweltreise

Autor: Monika (Seite 1 von 4)

MONI, DIE RASENDE SCHNECKE

Seit über einer Woche sind wir nun bereits in der autonomen Gemeinschaft Kastilien und Leon unterwegs. Zuerst noch am Camino, dann geht es weiter an den ca. 200km langen Canal de Castilla, wo ein Radweg entlang des Wassers führt. Was für ein toller Anblick! Die Natur zeigt sich in ihrem festlichen Herbstkleid und erstrahlt in Rot-, Gelb- und Orangetönen. Schlehen- (wir bleiben immer wieder stehen und naschen von den säuerlichen Früchten) und Hagebuttensträucher wechseln sich ab am Wegesrand. Man passiert Schleusen, halb verfallene Mühlen (Fans von „Lost Places“ kommen hier auf ihre Rechnung) mit Graffiti besprüht und das ganze ohne nennenswerte Höhenmeter und weit ab vom Autoverkehr. Es wäre perfekt, wäre da nicht der lose Untergrund, auf dem man radelt. Und nach einer holprigen Tagesetappe von 60km winselt der Hintern um Gnade.

Man kann gar nicht beschreiben, welch erlösendes Gefühl es ist, wenn man dann wieder auf Asphalt dahingleitet – so als ob ein Schmerz, den man die ganze Zeit gespürt hat, plötzlich nachgelassen hätte.

Am späten Nachmittag des 31. Oktober kommen wir in unserem Hotel, gleich ums Eck der Plaza Mayor in Valladolid an. Reges Treiben in der 300.000 Einwohner-Stadt – man sieht etliche Menschen in Halloween-Kostümierung. Am Abend hat man dann ohnehin das Gefühl, dass die ganze Stadt auf den Beinen ist. Die Lokale sind alle gesteckt voll – man genießt ein Glas Wein mit Pinxtos (Valladolid ist bekannt für seine exquisiten Pinxtos). Für den nächsten Tag, Allerheiligen, ist starker Regen angesagt. Das bedeutet: Rasttag für uns und Flanieren durch die sehenswerte Stadt.

Am Sonntag dafür: strahlender Sonnenschein von Früh bis spät. Wir planen eine 75km lange Etappe nach Toro, wo wir ein Zimmer in einem Stadtpalais aus dem 14. Jahrhundert gebucht haben. Irgendwie habe ich aber eine böse Vorahnung in Anbetracht der Tatsache, dass es am Vortag so stark geregnet hat. Aber zuerst geht es einmal raus aus der Stadt – an so schönen Sonntagen sieht man dann auch viele Rennradler, die das tolle Wetter ausnützen. Bald hört dann aber die Asphaltstraße auf und weiter geht es auf losem Untergrund – aufgeweicht vom Regen mit riesigen Pfützen. Es dauert nicht lange und es ist so viel Schlamm/Sand/Erdgemisch zwischen Kotflügel und Reifen, dass diese sich nicht mehr bewegen. Jetzt fluche ich einmal (oder auch zweimal) ganz laut. Dieter hilft mir, die Reifen so weit zu säubern, dass sie sich wieder drehen. Dann checkt er noch auf Komoot, ob es eine asphaltierte Alternativroute gibt. Nur eine Schnellstraße /Autobahn, wo wir nicht radeln dürfen (und auch nicht wollen in Anbetracht des Verkehrs).

Dieser Sonntag sollte der anstrengendste Tag unser bisherigen Tour werden. Obwohl nur ca. 300hm zu bewältigen waren – 45 km auf losem, feuchten Untergrund, in den man tief einsinkt, hat nicht nur mir immer wieder einen Fluch entlockt. Unsere Räder und Packtaschen waren so voller Dreck – als wir durch ein kleines Dorf radeln, werden wir ganz verwundert angeschaut.

Die letzten 20km in das auf einem Hochplateau gelegene Toro legen wir dann auf einer asphaltierten Landstraße zurück. Müde von der heftigen Fahrt freue ich mich, im wunderschönen Quartier (wie geschrieben ein Palais aus dem 14. Jhdt.) eine Badewanne vorzufinden. Jetzt einmal ein Vollbad! Und dann ab ins Stadtzentrum – wir haben Riesendurst. Bei Rosa, einer Ecuadoranerin, die eine kleine Bar betreibt, nehmen wir Platz. Für mich muss es nach so anstrengenden Touren immer ein eisgekühltes Cola sein. „Moni, aber ein Bier trinkst du auch!“ – Dieter muss mich nicht gross überzeugen. „Du bist ja die allerhärteste Socke – ich kann gar nicht fassen, wie du heute diesen Wahnsinnstrip gemeistert hast“ meint Dieter, der auch sichtlich geschafft ist. Bis jetzt hat er mich ja immer wieder mal als „Schnecke“ bezeichnet (er fährt doch etwas schneller als ich, aber schön langsam hole ich auf und bei manchen Steigungen überhole ich ihn sogar!) und ab sofort bin ich Moni, die rasende Schnecke.

In der Bar lernen wir dann auch noch den Ehemann von Rosa kennen – Segundo – auch er kommt aus Quito und die beiden leben seit 26 Jahren in Spanien. Er meint, wir müssen unbedingt ein Glas Wermut (mit hohem Alkoholgehalt) trinken. Es bleibt dann nicht bei einem Glas – nach je ca. 4 Gläsern sind wir so besoffen, dass wir uns fragen, ob wir noch aufrechten Ganges zurück in unser Quartier kommen. Kichernd und uns gegenseitig stützend schaffen wir es dann doch – ein würdiger Abschluss für einen anstrengenden Tag.

Es geht dann weiter, durch viele kleine, fast ausgestorbene Dörfer (Landflucht ist ein großes Thema) und die Landschaft verändert sich langsam. Man sieht bereits 1. Sukkulenten und Steineichen. Mittlerweile sind wir ca. 200km westlich von Madrid unterwegs (gestern waren wir in der sehenswerten Stadt Salamanca) und bewegen uns schön langsam Richtung Sevilla.

Und wir fahren jetzt auch nicht mehr nur am Eurovelo (mit großteils losem Untergrund), sondern legen viele Etappen auf einer wenig befahrenen Nationalstraße (Carretera Gijon a Puerto de Sevilla) zurück.

Castrojeriz – nach am Camino gelegen

Am Canal de Castilla

Einer der vielen „Lost Places“

Loser Untergrund

Genau diesen Untergrund will ich nicht

Eine kleine Stärkung zwischendurch (rechts Torrezno – frittierte Schwarte mit viel Fleisch dran)

unsere Unterkunft im Palais aus dem 14. Jhdt. in Toro

Toro

Nach 4 Gläsern Wermut – mich wundert, dass ich noch aufrecht gehen kann

Endlich Asphalt

Plaza Mayor in Salamanca

„QUÄL DICH, DU SAU!“

Wir sind nun seit einer Woche in den Pyrenäen unterwegs und mindestens 1x/Tag denkt man unweigerlich an den legendären Spruch, den der deutsche Radsportler Udo Bölts 1997 seinem Teamkapitän Jan Ullrich zugerufen hat, als dieser auf der Tour de France schwächelte und damit motiviert wurde, sein Bestes zu geben.

Dass viele Höhenmeter auf uns warten, war von vornherein klar. Was allerdings nicht ganz klar war: wie wird der Zustand der Radwege/Strassen in Spanien sein? Nachdem wir von Frankreich sehr verwöhnt waren, hofften wir, dass uns im südlichen Nachbarland ähnlich gute Bedingungen erwarten würden. Die ersten paar Tage waren noch ganz okay – viel Asphalt, sodass wir die Räder nach einem knackigen Anstieg einfach laufen lassen konnten. Ich tendiere ja zu bremsen, wenn es zu schnell bergab geht – Dieter heizt immer an mir vorbei mit dem höchsten Gang und dabei tritt er noch heftig in die Pedale. „Wer bremst, verliert!“ hör ich grad noch, bevor er wie die gesengte Sau hinter der nächsten Kurve verschwindet.

Ab Pamplona verläuft der Eurovélo abschnittsweise direkt am Pilgerweg nach Santiago de Compostela – das heisst kein Asphalt, sondern wie Komoot es nennt: „Verdichteter Schotter“. Das tut zwar den Wandersleuten gut – für voll beladene Trekkingradfahrer wirds spätestens dann aber anstrengend. Selbst bei leichten Steigungen hat man das Gefühl, nicht vorwärts zu kommen. Wenn dann noch Gegenwind dazu kommt, wirds richtig zermürbend und wenn man dann für 10km eine gute Stunde braucht, kann es schon vorkommen, dass man sich fragt, warum man sich das antut.

Entschädigt wird man aber mit tollen Landschaften, mit netten Begegnungen, vielen „Buen Camino“-Zurufen von Pilgern und Dorfbewohnern und wenn man am Abend todmüde ins Bett fällt, schläft man ein mit dem Gefühl, etwas Besonderes geleistet zu haben. Und die „Pintxos“ (eine Art Tapas in Nordspanien), dazu ein Glas gut gekühlter Weißwein aus der Riojaregion, die wir grad durchradeln, lässt man sich besonders gut schmecken.

Wenn wir einen Radlertag planen, checken wir zuerst das Wetter. Wenn gutes Wetter angesagt ist (kein Regen, kein starker Wind) und wir uns fit fühlen (was zumeist der Fall ist), planen wir eine Strecke von ca. 70km. Komoot spuckt uns dann auch gleich die Höhenmeter, die Wegearten (Singletrail, Radweg, Bundesstraße,…) und die Oberflächenbeschaffenheit (Asphalt, unbefestigt, verdichteter Schotter) aus. Im nächsten step schauen wir auf booking.com, ob es am Zielort eine passende Unterkunft gibt. Falls ja, wird diese gebucht – falls nein, wird die Strecke eben etwas verkürzt oder etwas verlängert.

Gestern war ein idealer Radlertag. Nach einer erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück in unserer edlen Unterkunft, einem parador (eine Unterkunft in einem historischen Gebäude – in diesem Fall ein 600 Jahre altes Kloster, in dem es 10 exklusive Zimmer gab), starteten wir um 10:00 bei frischen 3Grad und strahlendem Sonnenschein. Eingemummt mit Schal, Haube und Handschuhen dauert es nicht lange, bis eine der 3 Schichten, der Schal und die Handschuhe in den Packtaschen verschwindet. Bis zum Zielort Burgos sind es 72km mit 840 knackigen Höhenmetern. Der Großteil des Weges verläuft direkt am Jakobsweg, d.h. viel kräftezehrender grober Schotter.

Gleich am Beginn gibts eine Straßensperre – das heisst, wir müssen einen Umweg mit etlichen Höhenmetern fahren. Entschädigt werden wir durch das tolle Wetter und die wunderschöne Landschaft. Es geht durch viele kleine Dörfer, dabei überholen wir eine Menge Pilger (es sind sehr viele Japaner, Koreaner und Chinesen am Jakobsweg unterwegs) – die Pilgersaison geht schön langsam zu Ende, viele Herbergen haben bereits geschlossen.

An einem der vielen Trinkbrunnen treffen wir Daniel. Er stammt aus der Nähe von Stuttgart und ist mit seinem Hund Siggi seit über 8 Jahren in Spanien unterwegs. Seine Habseligkeiten hat er in einer Scheibtruhe (mit Solarpaneelen, sodass er sein Handy aufladen kann) und so zieht er durch das Land und hofft auf milde Spenden. Ein Leben in Deutschland, das packt er nicht mehr – speziell die dunklen Winter machen ihn fertig. Wir geben ihm eine Packung Schokokeks und einen 10 Euro Schein – er strahlt vor Glück und zeigt uns ein zahnloses Lächeln.

Weiter geht‘s – vor uns liegt noch ein langer Weg und eine heftige Steigung rauf auf 1160m. Ein ebenfalls vollbepackter Radler holt uns ein, als wir grade den vorderen Reifen meines Rades aufpumpen. Poldi kommt aus der Bretagne und ist ebenfalls unterwegs nach Santiago, bevor er im Dezember wieder zurück fährt nach Frankreich. Gemeinsam meistern wir die extrem kräfteraubende Steigung und teilen unsere Kraftspender (Poldi hat saure drops und wir haben Schokokekse und Äpfel – wir teilen alles). Der letzte Anstieg ist so arg, dass ich meine Packtaschen runternehme und extra rauftrage (Dieter hilft mir – danke schön) und dann das nun nur 15kg schwere Rad durch den groben Schotter raufschiebe. Wenn man hier rauffahren möchte, benötigt man ein e-Mountainbike.

Die letzten 37km nach Burgos sind dafür wieder angenehm – es geht entweder sanft nach unten oder eben dahin bevor wir grad zum Sonnenuntergang in der schönen Stadt ankommen, wo wir gleich neben der Kathedrale unser Quartier beziehen. Ziemlich müde – es sind doch fast 80km und 950 Höhenmeter zusammengekommen – freuen wir uns nun auf einen Rasttag (der letzte war vor 1 Woche) und auf einen Bummel durch das sehenswerte Burgos.

Unsere 1. Unterkunft im spanischen Baskenland – hier werden wir voll verwöhnt

Heute gehts durch den finsteren Tunnel

Pamplona

In der Rioja-Region

Unser feudales Nachtquartier – ein 600 Jahre altes Kloster in Santo Domingo de la Calzada

Daniel und Siggi mit Scheibtruhe unterwegs

Poldi aus der Bretagne

Burgos

Burgos

Pinxtos, dazu ein feines Glas Wein

AU REVOIR FRANCE

Unsere Zeit in Frankreich neigt sich dem Ende zu. Ein bisschen wehmütig schauen wir zurück auf 4 Radlerwochen in einem tollen Radlerland. Vorbildliche, gut ausgeschilderte Radwege abseits des Straßenverkehrs haben uns durch eine vielfältige und sehenswerte Landschaft geführt.

Es ging entlang der Kanäle, über kurze historische oder lange Hochseebrücken, kreuz und quer durch Schilfwiesen und Salzsümpfe, mitten durch die Großstadt, über Wiesen und Felder, durch verschlafene Dörfer und winzige Kaffe, vorbei an Sonntags- und Trödelmärkten, an Leuchttürmen und Windmühlen, durch menschenleere Gegenden, entlang des Meeres, vorbei an Watt, Strand und Steilküste, durch langweilige, seelenlose Touristenorte, aber auch durch gemütliche Stranddörfer und Nadelwälder.

Wir haben uns gelabt an Früchten, die wir am Wegesrand gefunden haben: im Loiretal waren es die saftigen Trauben, dann Schlehen, Äpfel und die bunt-süßen Früchte der Erdbeerbäume (lt. Google genießbar), die wir auf der Fahrt durch die kilometerlangen Pinienwälder am Atlantik entdeckt haben. Zu viel dieser Erdbeeren soll man allerdings nicht naschen, sonst geht es einem so wie Dieter, der gleich nach der Ankunft im Quartier im WC verschwunden ist und erst nach einer langen Sitzung begleitet von allerwildesten Geräuschen wieder unter den Lebenden weilte.

Wir haben Austern und gebratene Entenherzen (nur mit Meersalz und etwas Pfeffer aus der Mühle gewürzt) probiert, dazu einen feinen Cremant geschlabbert und uns Eclairs, Tarte au Citron und Pavlova gegönnt (und haben für den nächsten Tag gleich 15 Extrakilometer geplant).

Übernachtet haben wir in einfachen Hotels, liebevoll gestalteten Chambre d‘Hotes (einmal gab‘s sogar Whirlpool und Sauna für unsere müden Knochen), Apartements, lässigen Surfcamps aber auch in Schlössern, einer Mühle und auf einem Weingut.

Neben Orleans und Angers, hat mir La Rochelle extrem gut gefallen. Ungeschminkt, nicht herausgeputzt oder extravagant – historische und moderne Bauten stehen harmonisch nebeneinander mit regem Treiben auf dem Sonntagsmarkt am Hafen. Und so gut wie keine Touristen!

Und als letzte Station unserer Frankreich-Tour sind wir an einem Ort gelandet, von dem wir bis jetzt noch gar nix gehört hatten: Saint-Jean-de-Luz – nicht all zu weit vom mondänen Biarritz entfernt. Was für eine tolle Hafenstadt mit sehenswerter Architektur und vielen kleinen Läden im französischen Baskenland! Es sind nur noch 13km bis zur spanischen Grenze und die Pyrenäen lugen bereits ums Eck. Nachdem wir in den letzten 7 Tagen keinen Rasttag hatten, gönnen wir uns 2 freie Tage. Auch der starke Wind, der momentan vom Süden bläst, ist ein Argument. Außerdem müssen wir uns für die bevorstehenden Bergetappen (uns erwarten in den nächsten Wochen zwischen 700 und 1100 Höhenmeter/Tag – in Frankreich waren es selten mehr als 300 Höhenmeter) wappnen.

Wäsche waschen, Räder putzen, einfach durch die Stadt bummeln – Dinge, für die an normalen Radlertagen, die von Anfang bis Ende durchgetaktet sind (und für die man am Abend zumeist zu müde ist) fast keine Zeit bleibt.

Wir sind in den vergangenen 4 Wochen mehr als 1500km geradelt, zumeist bei Traumwetter – nachmittags gab es oft noch spätsommerliche 25 Grad, sodass wir ab und zu auch noch in den Atlantik gehüpft sind.

Und die Kosten? Wir sind zu zweit mit € 100,00/Tag gut durchgekommen – wobei wir fast immer selbst gekocht haben (falls es eine Küche gab). Die Unterkünfte waren von einfach bis wirklich extravagant – die schlechteste war in Mont Saint Michel – die hohe Zahl an Touristen in der Gegend spiegelt sich im extrem schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis wider.

Und jetzt freuen wir uns auf Spanien, obwohl wir wissen, dass uns knackige Anstiege erwarten – das Genussradeln, wie wir es hier in Frankreich hatten, ist jetzt für längere Zeit vorbei.

Die süß-saftigen Früchte des Erdbeerbaumes (aber nicht zu viel davon naschen!!!)

Ein spontanes Picknick neben dem Radweg mit Insa und Markus aus Düsseldorf – die beiden Lehrer haben Herbstferien und sind ebenfalls mit ihren Rädern am Eurovelo 1 unterwegs

In Rochefort gehts mit einer Schwebefähre über die Charente

Fischverkäufer am Sonntagsmarkt von La Rochelle

La Rochelle

Sonntagsmarkt in La Rochelle

Genussradeln am bunten Radweg

unsere Unterkunft im coolen Surferhostel

das Abendessen wird vorbereitet – es gibt Putencurry mit Reis

Biarritz

Saint-Jean-de-Luz (Häuser im typischen Basken-Stil)

Heute probieren wir Coeurs de Canard (gebratene Entenherzen)

Kirche in Saint-Jean-de-Luz (1660 hat Ludwig XIV hier Maria Teresa, eine Habsburgerin, geheiratet)

ein Plausch mit einer netten Bewohnerin von Saint-Jean-de-Luz

Heute ist Waschtag

Saint-Jean-de-Luz

LA MER

„Moni, warst du eigentlich schon mal in St. Malo oder in Mont Saint Michel?“ „Nein, ich kenne diese Orte nur von Fotos – sollen aber sehenswert sein.“ „Was hältst du davon, wenn wir einen Abstecher rauf in die Bretagne bzw. Normandie machen (die beiden Orte liegen nicht auf unserer geplanten Route)?“ Da muss ich nicht großartig überredet werden und da es von Nantes einen Regionalzug (mit mindestens 1 x umsteigen in Rennes) gibt, beschließen wir, für 2 Tage Richtung Norden zu fahren. Die Fahrräder haben wir dabei, um auch vor Ort mobil zu sein – der Fahrradtransport kostet bei der SNCF nichts extra.

Nach unserer Ankunft am späten Nachmittag checken wir in einem kleinen Apartement in der Nähe des Bahnhofs in St. Malo ein. Hier machen wir eine neue Erfahrung, was die Buchung einer Ferienwohnung betrifft. Wie immer haben wir das Apartement über booking.com gebucht und bezahlt – im Anschluss haben wir vom Vermieter die Aufforderung erhalten, eine Kaution zu hinterlegen und erst dann die Zutrittsdaten zur Wohnung erhalten (auf booking.com gab es keinen Hinweis dazu). Dabei wird die Kaution nicht abgebucht, sondern der jeweilige Betrag wird nur reserviert und sollte die Wohnung irgendwie versaut werden oder etwas kaputt sein, kann sich der Wohnungsbesitzer schadlos halten. Die Kaution kann durchaus gepfeffert ausfallen – der höchste Betrag, der bisher verlangt wurde, waren €900,00.

Am nächsten Tag radeln wir in das ein paar Kilometer entfernte Gezeitenkraftwerk (das 1. auf der Welt) an der Rance, das seit fast 60 Jahren seinen Dienst versieht und die Hälfte des in der Bretagne benötigten Stroms liefert. Zurück gehts in den Hafen von St. Malo, wo einige sehr lässige Jachten liegen .

In St. Malo nehmen wir den Regionalzug nach Pontorson, von dort sind es nur noch 10km zu unserem einfachen Quartier (der hohe Preis spiegelt die Menge an Touristen wider) in der Nähe von Mont Saint Michel. Leichter Regen setzt ein und heftige Sturmböen erschweren uns das Radeln. Kurz vor 19:00 erreichen wir unser Chambre d’Hote, wo uns die Gastgeberin herzlich empfängt. Gleich nach dem Frühstück machen wir uns am nächsten Morgen auf zum Kloster, dabei überholen wir eine Prozession, die ebenfalls unterwegs ist nach Mont Saint Michel. Der Sturm ist noch immer heftig – wir müssen ordentlich strampeln, um vorwärts zu kommen. Dann werden wir aber belohnt: ein kitschiger Regenbogen direkt bei der Abtei. Was für ein Anblick! Und das frühe Aufstehen hat sich gelohnt: die meisten Touristen sitzen wahrscheinlich noch beim Frühstück, während wir durch die fast menschenleeren Gassen schlendern.

Am Nachmittag geht es zurück mit der Bahn nach Nantes. Dort haben wir eine Reservierung in einem kleinen, 1 Stern Hotel im Zentrum (mit sehr guten Bewertungen) um € 40,00/Nacht für ein Doppelzimmer – Frühstück kann man um € 10,00/Person dazubuchen. Überall wird am Personal gespart – auch hier ist die Rezeption nur von 07:00 – 11:00 und von 17:00 – 20:00 besetzt. Check-in und Check-out ist daher auch nur zu diesen Zeiten möglich. Das Zimmer ist wirklich schön, mit einem neurenovierten Badezimmer – das Highlight im Hotel ist aber die Rezeptionistin. Da wir sehr oft in Apartments, wo man überhaupt keinen persönlichen Kontakt zu Angestellten hat, übernachten (die gesamte Kommunikation erfolgt per mail), freut man sich natürlich, wenn man von einer richtigen Person begrüßt wird. Und Chantal ist wirklich lustig: ein kohlrabenschwarzer Wirbelwind mit einem ansteckenden, herzlichen Lachen. Sie hilft uns dabei, die Fahrräder über eine enge Wendeltreppe in ein sehr dunkles Kellerabteil zu tragen. Dort fängt sie an mit „Huuuuu“-Rufen gefolgt von einem lauten Lacher ein Gespenst zu imitieren (man sieht nur ihre Zähne und das weiss ihrer Augen) – nach unseren Erfahrungen in den Loire-Schlössern jagt uns das keine Angst mehr ein – wir müssen aber auch herzhaft lachen. Während Dieter die Fahrräder im finsteren Keller verstaut, gehe ich mit Chantal wieder rauf – dort fragt sie mich mit verschwörerischem Ton, ob sie Dieter im Keller einsperren soll. „Une bonne idee“ sage ich und wieder muss sie laut lachen. Dann meint sie aber, dass es da unten doch sehr kalt sei – okay, Dieter muss nicht im finsteren, kalten Keller schlafen.

Da sich einiges an Schmutzwäsche angesammelt hat, wollen wir in Nantes eine Laverie aufsuchen, wo wir um ca. € 7,00 eine Maschine voll waschen und trocknen können. Die nächste „Speed-Queen“-Wäscherei (mit der wir bereits in Angers gute Erfahrungen gemacht haben) liegt ca. 10min Fußmarsch von unserem Hotel entfernt. Also auf zur Speed-Queen! Der Magen meldet sich – „Was essen wir heute?“ „Ich hätte Gusto auf vietnamesisch“ sage ich. Dieter checkt auf Google Maps, wo die nächsten vietnamesischen Lokale liegen. Da stolpern wir aber ganz in der Nähe der Speed-Queen über ein Lokal mit der Aufschrift „Haiti Cherie Bar – Restaurant“. „Also, ich hätte auch nix gegen scharfe Karibik-Küche.“ „Na, dann schauen wir doch mal die Speisekarte an.“ Es gibt keine Karte, aber die Betreiberin, eine nette, schwarze Haitanerin sagt uns, dass wir die Wahl zwischen Huhn und Fisch hätten. „Okay, wir nehmen Huhn.“ Sie verschwindet in der Küche, wo geschnipselt und gebrutzelt wird.

Wir genehmigen uns in der Zwischenzeit an der Bar ein Paulaner Bier und kommen ins Gespräch mit Cathy aus Kamerun, die sich ein St. Thomas Bier gönnt. Sie lebt seit über 30 Jahren in Frankreich, wo sie mit einem Franzosen verheiratet war und 2 Kinder hat. Jetzt – sie ist bereits über 60 – möchte sie aber wieder zurück in ihr Geburtsland – trotz der Korruption und der nicht so angenehmen Umstände in Kamerun. Auch sie ist eine Frohnatur mit herzlichem Lachen – besonders lustig findet sie, dass Dieter und ich mit dem Fahrrad in die Sahara fahren wollen (irgendwie kann sie das nicht glauben)

In der Zwischenzeit ist unser Abendessen fertig und wir nehmen Platz am Tisch. Es ist ein absoluter Genuss – das Fleisch in einer würzigen Sauce, dazu Süßkartoffeln-Pommes und gebratene Kochbananen mit Salat. „Tres formidable!“ schwärmen wir und gönnen uns im Anschluss an der Bar noch ein paar Drinks und nette Gespräche über Gott und die Welt mit Cathy.

Dann heisst es Abschied nehmen von Nantes, einer sehr lebendigen und sympathischen Stadt. Obwohl hier sicher auch einige Touristen sind, hatten wir nie das Gefühl, dass es zu touristisch ist.

Weiter geht es nun mit dem Rad Richtung Atlantik, eine weiterhin ebene und ruhige Strecke fernab des Autoverkehrs. Unterwegs sieht man die Fangvorrichtungen der Senknetzfischer – lange hölzerne Stege führen hinaus ins Brackwasser zu den fest verankerten Carrelets.

Mittlerweile – nach vielen Kilometern durch Salzwiesen und -sümpfe, Schwemmland, Wälder, schöne und auch weniger schöne Orte, sind wir auf der Ile de Re (bei La Rochelle) angekommen, wo wir einen verdienten Ruhetag einlegen. Fast 1.000km sind geschafft!!

Tolle Jachten in St. Malo

Prozession auf dem Weg nach Mont Saint Michel

Mont Saint Michel

Chantal, die Wirbelwind-Rezeptionistin in Nantes

Ein lustiger Abend mit Cathy aus Kamerun

unser fantastisches Haiti-Abendessen

nette Begegnungen

Austernfischer

originelle Fortbewegungsmittel

man sieht viele Senknetzvorrichtungen

Sables d‘Olonne

ab und zu muss man das Rad tragen

DAS ABENTEUER GEHT WEITER ODER GHOSTBUSTERS ON TOUR

„Du Moni, wir haben nur noch 3.799km vor uns.“ „Na, das werden wir bis Weihnachten locker schaffen.“ kommt von mir zurück. Seit fast 2 Wochen bin ich nun radelnd mit Dieter unterwegs und unser gemeinsames Ziel ist das am Atlantik gelegene Tarfaya im Süden Marokkos in der Sahara.

Ich bin am 19. September mit vollbepacktem Rad in Wien in die Westbahn gestiegen und nach ca. 6 Stunden in Stuttgart angekommen. Die Westbahn bietet sich für Radfahrer als kostengünstige und bequeme Alternative zur ÖBB an. Zum einen muss man für den Radtransport und die Platzreservierung innerhalb Österreichs nichts extra bezahlen, wenn man (so wie ich) im Besitz eines österreichweiten Klimatickets ist und andererseits ist der Einstieg und das Verstauen des Rades im Zug wirklich unkompliziert.

Während man bei den Railjets der ÖBB das Rad erst mal mühsam die Stufen hochheben muss (die Taschen muss man dazu abnehmen und dann extra raufschleppen) und dann auf engem Raum um eine 90 Grad Kurve manövrieren und anschliessend das Vorderrad an einem Haken an der Decke einhängen muss, schiebt man das Rad ganz easy (ohne Niveauunterschied) in die Westbahn, wo es bei jedem Einstieg 2 Fahrradplätze gibt, nimmt die Taschen runter, befestigt es an der vorgesehenen Vorrichtung und nimmt entspannt Platz am reservierten Sitz in der Nähe des Fahrrades. Dann noch ein schneller Self-Check-In (ist in der Westbahn-APP mit 2 Klicks erledigt) und schon kann die Fahrt losgehen, ohne dass man beim Schaffner eine Fahrkarte vorweisen muss – der Zugbegleiter sieht auf seinem Tablet, wer bereits eingecheckt hat.

Nach der Ankunft in Stuttgart radle ich gemütlich in das ca. 14km entfernte Filderstadt (in der Nähe des Stuttgarter Flughafens), wo ich in einem Hotel einchecke. Am nächsten Morgen noch schnell die paar Kilometer zum Flughafen geradelt – von dort geht es dann weiter mit dem Flixbus nach Paris. Auf der Rückseite des Busses gibt es eine Vorrichtung zum Aufhängen der Räder – der Flixbusmitarbeiter erledigt das für mich und befestigt mein Rad. Nach einer ziemlich langen Busfahrt (es gab immer wieder Stau auf den Autobahnen) am Samstag um 20:00 endlich Ankunft am Busbahnhof an der Seine. Dort wurlt es – ich habe das Gefühl, halb Paris ist hier. Dieter, der schon vor einigen Stunden ebenfalls mit dem Flixbus aus Bielefeld angekommen ist und bereits im Hotel eingecheckt hat, holt mich ab und wir radeln gemeinsam in das 10 km entfernte Hotel im Norden der Stadt im 19. Arrondissement. Es ist ein warmer Samstagabend und Unmengen von Menschen auf den Straßen – die Gastgärten der Lokale sind alle gesteckt voll. Auf den Radwegen spielt es sich ebenfalls ab – das Positive ist, dass die Wege immer baulich getrennt vom Auto- und Fussgängerverkehr sind, sodass sich alle Verkehrsteilnehmer sicher fühlen. „Uj, hier brunzelt es aber“, sage ich zu Dieter und rümpfe die Nase. Wir passieren gerade eine eher dunkle Ecke der Stadt. „Was brutzelt hier?“ fragt er zurück. „Nicht brutzeln, sondern brunzeln (Dieter muss ab sofort österreichisch lernen!!) – riechst du das nicht?“ „Es riecht nach Pisse – schau mal, wieviele Zelte da unter der Bahnunterführung stehen.“ Und dann sehe ich es auch – Unmengen an Zelten und Verschlägen. Lauter Obdachlose, die da hausen ohne sanitäre Einrichtungen – noch lange habe ich den scharfen Gestank in der Nase. Nach der Ankunft im Hotel noch ein Drink und Planung für den nächsten Tag – unser erster gemeinsamer Radlertag.

Dieter, den ich über eine Reiseplattform kennengelernt habe, kommt aus der Nähe von Bielefeld und ist wie ich eine Abenteurerseele. Er ist ebenfalls in Pension und hat im vergangenen Winter auf einem Kajak den Amazonas befahren und den wunderschönen Tafelberg Roraima (der schon lange auf meiner bucket-list steht) im Dreiländereck Venezuela, Guyana und Brasilien bestiegen. Außerdem ist er Rennradfahrer – ein bisschen habe ich die Befürchtung, dass ich ihm mit meiner gemütlichen Fahrweise zu langsam bin. Ich habe aber von Anfang an klargestellt, dass ich Tagesetappen von ca. 60km anpeile und ausserdem ein richtiges Bett in einem gemauerten Gebäude bevorzuge und daher auch keine Campingsachen mitnehme.

Am Sonntag gehts los – zuerst durch Paris, wo wir bei einem Markt anhalten und bei einem Weinbauern 2 Flaschen Weißwein erstehen, die Dieter in seinen Packtaschen verstaut. Dann die Seine entlang Richtung Südosten, raus aus der Stadt und begleitet von Vogelgezwitscher und bei angenehmen Temperaturen. Es geht zumeist eben dahin auf sicheren Radwegen oder auf wenig befahrenen Nebenstraßen- sehr gemütlich und ideal für den 1. Radlertag. Und schlussendlich werden es anstatt der von mir angepeilten 60km doch 75km (und 350 Höhenmeter) bis in unser Quartier in Féricy, wo wir ein Chambre d‘Hote in einem alten, wunderschön hergerichteten Steinhaus gebucht haben. Und da wir seit dem Frühstück auch nichts gegessen haben, haben wir richtig Hunger. Glücklicherweise verwöhnt uns Veronique, die Hausherrin, mit einem fantastischen Abendessen. Als Entree gibts eine Kartoffeltarte auf Vogerlsalat, gefolgt von einem Wurstragout mit Reis und Linsen (ein Rezept aus Réunion) und als krönenden Abschluss eine Lemon Tarte zum Niederknieen (die ich auch nicht besser machen könnte). Dazu eine Karaffe Rose – wir fühlen uns wie Gott in Frankreich. Nach einem ausgiebigen Frühstück radeln wir am nächsten Tag weiter die Seine entlang bis Montargis, wo wir dann auf den Canal d‘Orleans wechseln und bis in die Stadt der Jeanne d‘Arc fahren. Orleans liegt im sehenswerten Loiretal mit seinen unzähligen Schlössern und Herrenhäusern.

Und einige dieser Schlösser werden auch als Hotels angeboten – wann immer es in unsere Planung passt, buchen wir die Übernachtung an diesen speziellen Orten. Das 1. Schloss, in welchem wir übernachten ist das Chateau de Briancon. Es liegt einsam, umgeben von Wäldern – alles sehr beeindruckend (und ein bisschen spooky).  Und so wie es ausschaut, sind wir die einzigen Gäste. Restaurant gibt es keines und das Frühstück wird uns aufs Zimmer gebracht. Die Rezeptionistin, die ganz passabel englisch spricht, sagt uns, dass die Rezeption von 20:00 bis 08:00  nicht besetzt ist. Unser sehr grosses Zimmer liegt im 1. Stock – im 2. Stock gibt es eine Küche, in der wir uns ein Abendessen kochen können, falls wir das wollen. Da wir untertags bereits gegessen haben, kommt das nicht in Frage. Wir geben nur den Käse und die Flasche Weisswein, die wir unterwegs auf einem Markt erstanden haben, in den Kühlschrank und machen dann noch einen Spaziergang im Wald. Nach der Rückkehr ins Schloss  (die Rezeptionistin ist schon weg) ist es sehr spooky und wir ziehen uns gleich in unser Zimmer zurück. „Jetzt noch ein Glas Wein und  ein Stück Käse, Moni kannst du das mal aus der Küche holen?“ fragt Dieter. „Ich traue mich nicht.“ „Aber wovor hast du Angst?“ „Da gibts sicher Gespenster.“ „Aber du wohnst doch selber in einem Schloss, da hast du ja auch keine Angst.“ „Ja, weil die steirischen Gespenster kenne ich alle.“ Dieter kriegt einen Lachanfall. „Moni, ich wusste nicht, dass du so eine Memme bist.“ Wein und Käse gibt es dann doch noch – Dieter ist mutig und geht in den 2. Stock.

In der Nähe von Nantes gibt es das Chateau du Pe – auch hier werden über Booking.com Zimmer angeboten. Also nix wie hin. Auch hier wieder ein imposantes Gebäude mit toll gestalteten Zimmern, einer riesigen Küche, in welcher wir uns mit unseren mitgebrachten Lebensmitteln ein feines Abendessen zaubern können und auch hier ist die Rezeption zwischen 20:00 und 08:00 nicht besetzt. Die Rezeptionistin spricht nur französisch – also krame ich meine Französischkenntnisse hervor et voila, geht doch eh.

Auch hier sind wir die einzigen Gäste und unser sehr spezielles Zimmer liegt diesmal im 2. Stock. Das spezielle am Zimmer ist, dass das Bett im Boden versenkt ist. Und Bad/WC befinden sich im Gang. „Dieter, wenn ich in der Nacht aufs Klo muss, musst du mit mir mitkommen. Ich trau mich nicht allein.“ „Ach Moni, du Memme.“ Wir kochen dann noch unser Abendessen (es gibt Lachs mit Blattspinat und Salzkartoffeln, dazu eine Flasche Cidre) und dann ab ins Bett. Irgendwann nach Mitternacht meldet sich meine Blase – ich überlege, ob ich alleine aufs Klo gehen soll. Dann stehe ich doch auf und siehe da: Dieter grummelt was vor sich hin und trottet hinter mir her. Ich gehe ins Bad und er wartet draußen vor der Tür. Als ich wieder raus komme, ist er verschwunden. Ich gehe davon aus, dass er zurück ins Schlafzimmer ist – dort ist er aber nicht. Also mache ich mich auf die Suche: neben dem Badezimmer gibt es ein grosses TV-Zimmer und auf der Couch liegt Dieter, das Schlossgespenst und schnarcht vor sich hin. „Na, du bist mir ein Beschützer!“

Nicht nur Schlösser bieten tolle Übernachtungsmöglichkeiten, auch Mühlen, Weingüter und Landhäuser werden gerne von uns gebucht. Und zwischendurch wird fleißig geradelt – momentan liegen wir bei 620 km (also fast 1/6 der Gesamtstrecke) mit durchschnittlich ca. 70km/Radlertag.

Und Radfahren im Loiretal ist Genuss pur – tolle Wege, fast keine Steigungen, viel Natur, sehenswerte Städte und verschlafene Dörfer. Und die Franzosen sind extrem rücksichtsvoll – sie halten immer bei den Schutzwegen, sodass die Radler sicher auf die andere Seite wechseln können.

Paris – Tarfaya

Rad fährt Westbahn

Rad fährt Flixbus

Raus gehts aus Paris

an der Seine

Immer diese Aufforderung, dass man einen Radler saufen soll (okay, der war jetzt aufgelegt)

Mein 1. Patschen – zum Glück hab ich einen Radmechaniker dabei

Orleans

Hier gibts viel Hirse

Aber auch Atomkraftwerke

Chateau de Briancon – hier haben wir übernachtet

Das Baguette kommt aus dem Baguettomat

Angers

Angers

Diesmal übernachten wir in einer Mühle

Unser Wohnzimmer in der Mühle

unsere Küche in der Mühle

Das Chateau du Pe – auch hier haben wir übernachtet

Die Küche im Chateau

Das Schlafzimmer mit dem versenkten Bett

Vitaminnachschub

Kathedrale von Nantes

ein Häuschen am Wegesrand

Und zwischendurch ein Eclair

neugierig werden wir beäugt

weiter gehts

SARAMAGO, MANRIQUE, RADFAHREN UND VIEL FAULENZEN AUF LANZAROTE

Nachdem es auf unserem Ankerplatz vor Playa Blanca ziemlich ungemütlich geworden ist (der Wind hat gedreht und die Wellen sind so hoch, dass ich mich weigere, ins Dingi zu steigen), beschließen wir, in den Hafen rein zu fahren. Momentan gibt es genügend freie Plätze – November und Dezember ist es am schwierigsten, einen Platz zu kriegen, da viele Häfen auf den Kanaren voll sind mit Segelbooten, deren Crews sich spätestens ab Jänner auf den Weg in die Karibik machen. Hier nehmen die Segler letzte Reparaturen am Boot vor bzw. füllen sie ihre Lebensmittel- und Treibstoffvorräte auf (auf den Kapverden, wo zumeist ein allerletzter Stop eingelegt wird, kostet alles ein Vielfaches) – ausserdem kann man sich hier noch einmal so richtig die Beine vertreten, bevor man 3 – 4 Wochen auf engem Raum auf hoher See ist. Die Atlantiküberquerung selbst ist eher unspektakulär (so wird sie zumeist in Seglerberichten beschrieben) – ein Freund von Rupi ist diesen Winter ebenfalls auf der Barfussroute (heisst so, weil man sich in einer Klimazone bewegt, wo man immer barfuß an Deck herumgehen kann) in die Karibik gesegelt – auch er hat dies bestätigt.

Die Marina Rubicon (Playa Blanca) ist wunderschön angelegt und bietet eine perfekte Infrastruktur. Saubere Duschen/WCs, schnelles WLAN, gute Restaurants und einladende Geschäfte, ausserdem eine Werft mit Segelmacher und eine Autovermietung. Und Berge gibts auch gleich ums Eck – wir besteigen ein paar Vulkane.

Lanzarote ist ja nur ca. 60km lang und maximal 30km breit mit nicht allzu hohen Bergen – die Insel bietet sich an für Radtouren durch die vulkanisch geprägte Landschaft. Und es gibt viele „Via Ciclista“s – spezielle Radfahrstrassen, auf welchen auch Autos erlaubt sind (mit maximal 60km/h) und dort ist es wirklich toll zu radeln. Es sind auch viele Rennradler und körperlich beeinträchtigte Radfahrer in Liegerädern unterwegs – Profisportler nutzen die Insel als Wintertrainingsdestination.

Bei einer meiner Radtouren komme ich auch nach Tias, wo Jose Saramago seine letzten 18 Lebensjahre (1992 – 2010) verbracht hat. Das Wohnhaus des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers steht heute allen Besuchern offen – auch ich habe seine Wohnstätte (Casa Saramago) mit schönem Garten und Blick auf das Meer besucht und bei einer Führung erfahren, dass er „Die Stadt der Blinden“ (ich habe das Buch vor ca. 10 Jahren gelesen) hier verfasst hat. Jetzt frage ich mich, ob ich das Buch nun mit anderen Augen sehe – in Anbetracht des Titels eine etwas schräge Frage.

Ein anderer großer Künstler, dem man hier immer wieder begegnet, ist César Manrique. Der 1992 bei einem Verkehrsunfall getötete Maler, Bildhauer und Umweltschützer ist der berühmteste Sohn der Insel – ihm ist es zu verdanken, dass die schönen Küstenabschnitte nicht mit hässlichen Hotelkästen zugepflastert wurden, sondern dass nur die traditionelle Bauweise Lanzarotes zugelassen wurde und auf mehr als 2-stöckige Bauwerke verzichtet wurde. Ausserdem wurden alle Werbeplakate von den Straßen der Insel verbannt – wäre auch schade, wenn der Blick auf die kahle und trotzdem schöne Landschaft mit ihren Vulkankegeln durch Plakate beeinträchtigt werden würde. Sehenswert sind auch die von Manrique geschaffenen Wohnräume – unter anderem gestaltete er Lavahöhlen in wirklich coole Locations um – der Name Manrique ist ein wichtiger Touristenmagnet auf Lanzarote und alle von ihm geschaffenen Sehenswürdigkeiten sind auch gut besucht (aber nicht überlaufen).

Ein Highlight auf der Insel ist das Radeln durch den Timanfaya-Nationalpark – eine asphaltierte Strasse inmitten von Lavabrocken macht das Ganze zu einem wahren Vergnügen. Der Anblick der rot leuchtenden „Feuerberge“, Vulkankegel, Lavafelder und Lavatäler ist einzigartig und faszinierend.

Kurz darauf – die Distanzen auf der Insel sind schnell überwunden – bin ich schon wieder an der Küste und radle die letzten paar Kilometer direkt an der gut besuchten Strandpromenade zurück in die Marina. Playa Blanca lebt nur vom Tourismus – der Großteil der Urlauber kommt jetzt im Winter aus Großbritannien und Deutschland. Viele haben eine Ferienwohnung und verbringen die kalte Jahreszeit hier, während in den Sommermonaten viele Festlandspanier der Hitze zu Hause entfliehen und den Urlaub auf den im Sommer wesentlich kühleren Kanaren genießen.

Die medizinische Versorgung ist top – neben einigen deutsch-britischen Ärztezentren (wo deutsch- und englischsprachiges Personal anzutreffen ist), gibt es auch ein 24/7 Centro de Salud, wo direkt mit der gesetzlichen Krankenversicherung in Österreich abgerechnet wird (e-Card und Pass müssen vorgewiesen werden) – hier muss man dann aber mit ausschliesslich spanisch sprachigem Personal vorlieb nehmen (das medizinisch aber top ist – ich spreche aus eigener Erfahrung).

Meine Zeit hier neigt sich schön langsam dem Ende zu – es war ein wirklich toller Winter mit vielen neuen Eindrücken. Ich hab ein bisschen Einblick ins Segeln gewonnen (und die Knoten kann ich wirklich perfekt), ein bisschen Sport betrieben (ein paar mal hab ich rüber Richtung Afrika geschaut und mir gedacht: „Dort – nur ca. 120km entfernt – verläuft die Strasse nach Dakar. Dort könnte ich jetzt radeln.“), meine Spanischkenntnisse auf Vordermann gebracht und vor allem viel gefaulenzt. Und jeden Tag Sonne und angenehme Temperaturen (Short und T-Shirt reichen) – ja, man kann es schlimmer erwischen. Heimweh hatte ich nie – ab und zu hab ich mir den österreichischen Wetterbericht angeschaut und mir gedacht: „Was bin ich doch für ein Glückskind!“ Und das wichtigste: mit Rupi hab ich mich sehr gut verstanden, wir haben viel geblödelt und viel gelacht!

Los geht‘s auf der Via Ciclista

Windspiel von César Manrique

Jameos del Agua/Cesar Manrique

Auf dieser Wüstenpiste ist es fast unmöglich zu radeln

Während ich auf dem Drahtesel sitze, werden die Touristen auf Kamelen durch den Timanfaya Nationalpark gekarrt

Gesteinsformationen bei Teguise

CHAMPAGNERSEGELN ODER DARF ES DOCH EIN BISSCHEN ACTION SEIN?

„Champagnersegeln“ – dieses Wort habe ich zum ersten mal von Eve gehört. Sie verbringt gemeinsam mit ihrem Mann Jan jeden Winter auf ihrem Segelboot vor den Kanaren. Beide sind noch berufstätig und können es sich jobmässig so einteilen, dass sie immer von Anfang Dezember bis Ende Februar hier in der Wärme herumcruisen und so dem nasskalten Berliner Wetter und dem Weihnachtswahnsinn entkommen. Wir waren ihnen beim Anlegemanöver im Hafen von Rosario behilflich und ein paar Tage später laufen sie uns wieder über den Weg.

„Wir ware heute champagnersegeln“ meint Eve. Vor meinem geistigen Auge tauchen gleich die entsprechenden Bilder auf: blau glitzerndes Meer mit fast nicht vorhandenen Wellen, Sonnenschein und angenehme Temperaturen, eine leichte Brise – sanft gleitet das Segelboot durch das Wasser. In der Hand ein Glas Champagner, dazu ein feines Häppchen – so lässt sich das Leben genießen. „Gehen wir heute auch champagnersegeln?“ frage ich Rupi am nächsten Tag (so wie man in Wien vielleicht fragen würde, ob man einen Nachmittagsspaziergang im Lainzer Tiergarten unternehmen will). „Wir können gerne segeln – aber champagnersegeln wird das heute nicht. Draußen gibts hohe Wellen“ – kaum vorstellbar, wenn man sich die glatte Wasseroberfläche im Hafenbecken ansieht. „Okay, dann halt wildes segeln“. „Na, dann verräum mal alle Sachen am Boot, damit uns nichts um die Ohren fliegt, wenn wir draußen am Meer sind.“ Kurz darauf sind wir startklar – das Dingi (Beiboot) lassen wir am Steg liegen, weil wir es bei der Nachmittagsausfahrt wahrscheinlich nicht brauchen werden – in ein paar Stunden sind wir ohnehin wieder zurück.

Ich darf ans Steuerrad – „Aber gib nicht wieder so viel Gas, wie das letzte mal, sonst rammst du eines der Fischerboote“ meint Rupi. Aber ich mach das schon ganz super, während Rupi die Fender verräumt und die Seile verstaut, manövriere ich ganz souverän raus aus der Marina in einen Bereich, der noch immer windgeschützt ist. Dort setzen wir die Segel, das Hauptsegel und eine Selbstwendefock – die Genua verwenden wir diesmal nicht. Dann Motor aus und unter Segel geht es raus Richtung offenes Meer – es ist eine relativ enge Durchfahrt zwischen einer großen Fähre und der AIDA COSMA, die an diesem Tag vor Rosario liegt. Aber unter Rupis Anleitung funktioniert es tadellos, schon bald bin ich draußen nur noch umgeben von Wasser und kein Objekt in der Nähe, das ich rammen könnte.

Und dann darf ich so richtig loslegen – anluven, abfallen, wenden – das volle Programm bei hohen Wellen und viel Hin- und Herschaukeln (Champagnertrinken wäre da eh nicht möglich gewesen). Das Boot krängt ordentlich, aber Rupi beruhigt: „Brauchst keine Angst haben, da sind 4 Tonnen Blei im Kiel – es stellt sich immer wieder auf.“ Und nach ein paar Stunden geht es wieder zurück Richtung Hafen. Vorbei an AIDA und Fähre in den ruhigeren Bereich, dort reffen wir die Segel. „Schalt den Motor ein“ sagt Rupi. Es sind nur noch ca. 150 m bis zu unserem Steg. „Der Motor ist tot!“ Rupi kommt zu mir – auch ihm gelingt es nicht, den Motor zu starten. „Vermutlich hat sich ein im Meer treibendes Tau um den Propeller gewickelt“ meint Rupi. Wir müssen aber schauen, dass wir irgendwie zu einem Steg kommen, wo wir das Boot festmachen können und dafür brauchen wir jemanden, der uns abschleppt.

Das Problem ist nun die Strömung, die uns wieder raus Richtung offenes Meer und gefährlich nahe an die AIDA herantreibt. Da helfen all unsere Fender auch nichts – Kreuzfahrschiffe haben ja keine Fender – wenn wir dieses Ungetüm touchieren, ist das zwar keine Tragödie, aber das Schiff darf sicher erst weiterfahren, nachdem es vom TÜV eine Freigabe erhalten hat. „Hast eh eine gute Versicherung?“ frage ich. „10 Millionen“ – das dürfte sich ausgehen.

Rupi hat in der Zwischenzeit Florian, den deutschen Bäcker, der auch in der Marina von Rosario liegt, angerufen. Florian verspricht, einen Abschleppdienst zu organisieren. Mittlerweile sind wir wieder draußen am offenen, sehr unruhigen Meer und somit glücklicherweise weg von der AIDA (und ich wundere mich, wie schnell einen die Strömung rausspült). Und dann kommt endlich der „Abschleppdienst“. „Was, dieses Spuckerl will uns in den Hafen schleppen?“ Ungläubig schaue ich auf dieses Mini-Fischerboot, das wie eine Nussschale auf den hohen Wellen hin- und hergeschleudert wird. Im Boot sitzen Florian und ein Fischer – sie werfen uns eine Leine zu, welche wir mit einem Palstek-Knoten an einer Klampe befestigen. Und dann gehts los, aber irgendwie funktioniert das nicht. Der Hafen liegt vor uns auf der linken Seite – das Fischerboot driftet aber immer wieder nach rechts ab (mit uns im Schlepptau). Einerseits ist die Strömung zu stark, andererseits der 40PS Motor unseres Abschleppbootes zu schwach, sodass wir gemeinsam ein paar Runden im Uhrzeigersinn drehen und uns im Endeffekt so gut wie gar nicht Richtung Hafen bewegt haben. Okay, das wird nichts mehr. Wir sagen dem Fischer, dass er uns noch ein Stück Richtung Strand schleppen soll – wir werden dort einfach ankern und am nächsten Tag eine Lösung finden. Gesagt, getan – nach ein paar Minuten passt die Wassertiefe (ca. 8 m) – dort verabschieden wir uns von unseren Helfern und lassen den Anker runter. Das Meer ist sehr aufgepeitscht und ich stelle mich schon mal auf eine unruhige Nacht und auf eine kalte Jause als Abendessen ein. An Kochen ist bei diesem wilden Geschaukle nicht zu denken – wahrscheinlich schneide ich mich 3 x in den Finger, bevor ich fertig bin mit Zwiebel und Kartoffel schälen (ich wollte ein Kartoffelgulasch kochen). Aber die Bilge ist ohnehin voll mit allerhand Essbarem, das nicht gekocht werden muss – verhungern müssen wir keinesfalls.

Rupi hat dann aber noch eine andere Idee: als wir unsere Segel gerefft haben, ist eine 50 Fuß Bavaria mit deutscher Flagge an uns vorbei in den Hafen gefahren – aufgrund seiner Größe muss dieses Boot am äußersten Steg anlegen und für den Skipper wäre es sicher kein großes Problem, noch mal kurz raus zu fahren und uns abzuschleppen. Leider funktioniert die Batterie im Funkgerät nicht, das heisst, wir können ihn nicht anfunken. Also wird Derrick, der Koch aus Belgien, angerufen. „Derrick, bist du am Boot?“ „Ja, bin ich.“ Rupi schildert ihm unsere Situation und bittet ihn, nach vor zum 1. Steg zu laufen und die Bavaria-Crew zu fragen, ob sie uns abschleppen kann.

Es vergehen keine 10 Minuten – schön langsam geht die Sonne unter – und tatsächlich, da kommt die „Lemon Tree“, so der Name der Bavaria, um uns doch noch zu einer ruhigen Nacht im sicheren Hafen zu verhelfen. Die Crew besteht aus 4 Personen: Kerstin und Daniel aus Erfurt mit 2 Gästen.

Also holen wir den Anker wieder rauf und befestigen das Tau, welches uns Kerstin zuwirft an unserem Boot. Und dann geht es recht flott rein in den Hafen, wo auch wir ausnahmsweise am äußersten Steg anlegen. Als Dank für diese Rettungsaktion laden wir unsere Helfer ins Restaurant ein – die Herren haben alle Gusto auf Pizza, also gehen wir ins „Ciao Mare“, wo ausgezeichnete italienische Spezialitäten mit dazu passendem Vino (aber auch cerveza für Rupi) kredenzt werden.

Kerstin und Daniel bieten Segelurlaube an (www.mein-segelurlaub.de) und sind zwischen November und Februar auf den Kanaren, bevor es dann wieder ins Mittelmeer geht, wo sie von April bis Oktober in der Adria cruisen. Für ihre beiden Gäste war die Abschleppaktion eine willkommene Abwechslung und für Kerstin und Daniel war es selbstverständlich zu helfen, zumal kein Segler davor gefeit ist, dass sich ein Seil im Propeller verfängt und den Motor lahmlegt.

Jetzt musste man nur noch das Leinen vom Propeller runterschneiden. Rupi kramt einmal den Tauchanzug hervor. „Kopf oder Zahl?“ fragt Rupi. „Nix“ sage ich – „ich tauche da sicher nicht runter“. „War eh nur Spaß!“ Es ist ihm dann zu mühsam, sich in den Tauchanzug zu zwängen; also hüpft er in Badehose und mit Messer ausgerüstet ins Wasser (so kalt ist es ohnehin nicht) und nach kurzer Zeit taucht er wieder auf mit dem Corpus Delicti in der Hand. Dann wird der Motor gestartet und er schnurrt wie ein Kätzchen – Ende gut, alles gut.

Wenn wir segeln, darf ich ans Steuer bzw. übernimmt bei längeren Fahrten der Autopilot. Dann sind nur noch kleine Korrekturen nötig, sodass das Ganze sehr entspannt abläuft. Am Zielort angekommen bevorzugen wir es zu ankern, solange es Wind und Wellen zulassen. In Playa Blanca auf Lanzarote hatten wir einen perfekten Ankerplatz – windgeschützt und perfekt, um das Treiben auf dem Wasser zu beobachten.

Während des 1. Kaffees können wir schon die Optimisten beobachten, die als erstes die Marina verlassen, um ihr Können zu perfektionieren. Optimisten sind kleine, leichte Boote mit 1 Segel für Kinder und Jugendliche bis ca. 15 Jahre. Sie wirken wie ein Schwarm weißer Schmetterlinge, die über das Meer gleiten/schweben – leicht und unbeschwert.

Und dann Unmengen von Kitesurfern, die mit einem Karacho über das Wasser schiessen, der einen staunen lässt.

Der Sonnenuntergang und die Abendstimmung vom ankernden, leicht schaukelnden Boot aus zu beobachten ist ohnehin das Kitschigste, das man sich vorstellen kann – als Draufgabe dann noch kurz ein Sprung ins Wasser – hier kann man das auch pudelnackt machen.

Das Dingi, ausgestattet mit einem Elektromotor bringt uns innerhalb von ein paar Minuten in die Marina zum Dingi-Dock, wo es mit einem Kreuzknoten befestigt wird. Ich bin schon richtige Knoten-Spezialistin – Rupi ist sehr streng, was Knoten anbelangt und wenn ich einen Knoten schlampig gemacht habe, muss ich ihn aufmachen und neu machen. Dingifahren will auch gelernt sein und gerade bei höheren Wellen kann ich mir gut vorstellen, dass ab und zu jemand über Bord geht. Bei unserem einfachen Dingi kann man sich auch nirgends richtig festhalten – der Punkt ist, dass man beim Hinuntersteigen in das (instabile) Boot gleich in die Knie geht, um den Schwerpunkt nach unten zu verlagern und sich dann an den Rand des Bootes setzt. Das ist die Theorie, in der Praxis schaut es dann vielleicht so aus: Wir kommen grad vom Einkaufen und legen unsere Einkäufe rein ins Boot, das noch am Steg befestigt ist. Rupi steigt ein und nimmt gleich einmal Platz am Bootsrand, dann steige ich ein. Ich löse noch den Knoten und will mich grad hinsetzen, da stößt Rupi das Boot schon weg vom Dock. Und schon lande ich rücklings im Wasser, voll bekleidet (eh nur in Shorts, T-Shirt und Sandalen) und zum Glück habe ich meinen Stoffrucksack (mit Handy, Pass,…) zuerst ins Boot gelegt und nicht am Rücken gelassen. Am Dock gibt es sogar eine kleine Leiter – ich schwimme dort hin und klettere wie eine gebadete Maus aus dem Wasser und muss einmal herzlich lachen. Rupi erzählt mir dann, dass er schon 3x aus dem Dingi ins Wasser gefallen ist (ich weiss jetzt nicht genau, ob dabei das cerveza auch eine Rolle gespielt hat 😉). Blöd ist es halt nur, wenn man sich alleine im Boot in voller Fahrt befindet und dann rausfällt – das Boot fährt dann alleine weiter.

Radfahren auf Lanzarote ist ein großes Vergnügen – mehr dazu das nächste mal.

Rad fährt Boot

Kerstin und Daniel mit ihrer Lemon Tree

Unser Ankerplatz

Jeden Abend das gleiche Schauspiel

zwischendurch ein Sprung ins kühle Nass

Heute gehts auf den Vulkan

Zeit fürs Frühstück – die gesunden Sachen sind für mich

Ganz was Seltenes – Regen auf Lanzarote

TOD IM PARADIES

Rupi plant, für die nächsten 10 Tage Chartergäste an Bord zu nehmen. Da kommt eine Anzeige auf der Reiseplattform wie gerufen für mich: Michael aus dem Sauerland verbringt seinen Winterurlaub auf La Palma, der westlichsten der Kanareninseln, die er wandernd erkunden möchte. Ich war 2018 bereits auf der „Isla Bonita“ oder auch „Isla Verde“ – beide Namen trägt La Palma mit seiner imposanten Bergwelt und seinen schwarzen Lavasand-Stränden zurecht.

Nach einem kurzen Mailverkehr und einem Telefonat vereinbaren wir, uns direkt am Flughafen von Santa Cruz, dem an der Ostküste gelegenen Hauptort von La Palma zu treffen.

Diese Reiseplattformen sind absolut genial – wenn man bereit ist, sich innerhalb kurzer Zeit auf einen anderen Menschen einzulassen, die gegenseitige Sympathie passt und gewisse Eckpunkte (Kostenteilung 50:50, getrennte Schlafzimmer oder auch nicht – man muss das aber vor der Reise vereinbaren, Gestaltung der Urlaubstage, ganz wichtig: man muss nicht alles gemeinsam unternehmen und keiner darf beleidigt sein, wenn einer einmal alleine losziehen möchte und beiderseitige Kompromissbereitschaft) geklärt sind, so steht einem angenehmen Urlaub zu zweit nichts mehr im Weg.

Auch wenn ich nicht auf Reisepartnersuche bin, so schmökere ich ganz gerne in den Inseraten, weil einem da immer wieder Sachen unterkommen, die einen zum Schmunzeln oder sogar Lachen bringen.

Da wären einmal die sogenannten „Ladies free“-Anzeigen. Sehr oft aufgegeben von Herren in meinem Alter – wenn man sich die eingestellten Fotos anschaut, sieht man, dass das Leben doch sehr tiefe Spuren hinterlassen hat, dem Bauchumfang nach zu schließen haben Bier und Schweinsbraten immer sehr gemundet. Nachdem die zukünftige Reisepartnerin ja eingeladen ist, erwarten diese Herren natürlich auch entsprechende Gegenleistungen: Wunschalter 18 bis 25 und – eh klar – hübsches Aussehen und gute Figur. Gebucht wurde über den Diskonter ein Doppelzimmer (kostet nicht viel mehr als ein Einzelzimmer) und der Billigflug ins Urlaubsparadies ist auch noch drin. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses Inserat irgend eine 25jährige hinter dem Ofen hervorlockt, es wird dann eher so sein, dass diese Herren von einschlägigen Damen angeschrieben werden, die ihnen ein All-In-Angebot unterbreiten (und das ganze dann definitiv nicht zum Diskontpreis).

Es gibt da aber auch einen 35-jährigen, der den Spieß umgedreht hat. Die Frauen sind ja emanzipiert und viele verfügen über ein gutes Einkommen. Er hingegen hat grad eine teure Scheidung hinter sich und kann sich keinen Urlaub leisten. Daher sucht er eine solvente, attraktive Dame bis maximal 35 (er sucht doch keine Sugar-Mummy!), die ihn zu einer mindestens 2-wöchigen Luxusreise einlädt. Seychellen wären super, aber ein exklusives Resort in SO-Asien oder in der Karibik tun’s natürlich auch. Dazu ein bisschen Taschengeld und ein nettes Geschenk, z.B. das neueste iPhone oder eine Rolex.

Ja, das ist so eine Sache mit den Erwartungen. Ein 65-jähriger sucht eine weibliche Reisebegleitung für eine mehrjährige Weltreise mit dem Wohnmobil – er ist in Rente und hat viel Zeit. Dem Foto nach zu urteilen nicht unsympathisch (durchschnittliches Aussehen), ausserdem gebildet, belesen, viel gereist – also sicher nicht uninteressant. Und laut eigenen Angaben auch topfit und sehr sportlich. Wunschalter der Dame, die ihn begleiten soll: 35 bis maximal 50. Und dazu auch gleich die Begründung: „Weil ich in meinem Leben immer mit jüngeren Leuten zu tun hatte“ – Ich denk mir: was ist das für eine Begründung? Und bedenkt er eigentlich, dass diese jüngeren Damen ja noch arbeiten müssen? Wie soll das dann gehen mit einer mehrjährigen Reise – es sei denn sie ist Digital-Nomadin? Kurz überlege ich, ihn anzuschreiben (mit einem link zu meiner homepage) und dem Bedauern, dass ich aufgrund meines fortgeschrittenen Alters (bin aber trotzdem jünger als er) ja leider nicht in Frage komme und zum Schluss mit „Mumie Monika“ unterschreibe (ich kann wirklich garstig sein) – lass es dann aber bleiben. Offensichtlich hat er die richtige aber bis jetzt nicht gefunden, weil in der neuesten Anzeige gibt er es schon etwas billiger: die Damen dürfen jetzt tatsächlich auch 60 sein. Na, dann viel Glück!

Jetzt aber zurück zu La Palma. Michael, der bereits seit ein paar Tagen auf der Insel ist, holt mich mit dem Leihwagen vom Flughafen ab und wir beziehen unsere Ferienwohnung in Puerto Naos an der Westküste. Gleich ums Eck gibt es einen kleinen Spar-Markt, wo wir uns mit Lebensmitteln für das Frühstück und die geplanten Wandertouren eindecken.

Vor ca. 3 Jahren war hier der letzte große Vulkanausbruch, der 3 Monate angedauert hat – nicht zu übersehen der neue Berg (Tajogaite) und der breite Lavastrom, der sich ins Meer ergossen hat. Dabei wurden 1500 Gebäude zerstört – von einigen sieht man nur noch das Dach aus der erstarrten Lavamasse rauslugen.

Vulkane und deren Landschaften (Caldera) bilden auch den Mittelpunkt unserer Bergtouren, die dann regelmäßig auf dem Programm stehen. Imposante Krater, kahle Mondlandschaften, wo vereinzelt wieder Kiefern anfangen zu wachsen und gewaltige Schluchten erzeugen viele WOW -Momente. Und wir machen nicht wenige Höhenmeter – das ganze in flottem Tempo. Ich bin auch nicht grad die Langsamste, muss aber schauen, dass ich mit Michael Schritt halte. Er war früher Landesmeister im Fünfkampf und ist mit seinen 60 Jahren noch immer topfit.

Am Abend geht es dann ab ins Restaurant, welches direkt am Meer liegt. Auch nach Sonnenuntergang um ca. 18:30 ist es noch immer angenehm im Freien zu sitzen, obwohl eine leichte Jacke nicht schadet.

Ich probier heute einmal Muräne (habe ich noch nie gegessen) – die haben sie hier auf der Karte, dazu papas arrugadas (Runzelkartoffeln) mit mojo rojo (Chilisauce) und Salat. Michael bestellt nach dem Motto: „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“ – für ihn gibts einen Burger mit Pommes. „Igitt, was ist denn das“ – entsetzter Blick von Michael, als er den Kopf der Muräne auf meinem Teller sieht. Zugegeben, das ganze schaut wirklich ein bisschen spooky aus: ziemlich grimmiger Blick, das Maul leicht geöffnet mit vielen spitzen Zähnchen. (Foto siehe weiter unten) „Magst kosten? – die Backerl schmecken sicher besonders gut.“ Michael ist mutig und die Backerl lässt er sich tatsächlich schmecken. Die restliche Muräne ist auch nicht schlecht – ein bisschen viel Gräten vielleicht, sonst aber nicht zu verachten.

Als passenden Wein wähle ich einen Malvasia von La Palma – die Traube wächst hier auf der Insel auf Vulkanböden (bei einer der Wanderungen im Süden kommen wir bei den Weingärten vorbei) und ergibt einen vorzüglichen Tropfen. Was für ein Genuss und das vor der imposanten Kulisse mit grossen Wellen, die mit Getöse auf den schwarzen Strand brettern.

Der nächste Tag ist ein Faulenzertag für mich, auch weil ich eine unangenehme, schmerzende Blase auf meinem kleinen Zeh habe. Sie ist mittlerweile offen, nässt und blutet leicht. Michael macht die heutige Bergtour alleine und verspricht, mir aus einer Apotheke Blasenpflaster mitzubringen, damit ich am nächsten Tag wieder fit bin für den nächsten Berg.

Am Nachmittag gehe ich an den Strand, um mir in der Bar einen Barraquito zu gönnen, anschliessend setze ich mich mit einem Buch auf eine schattige Bank an der Promenade, die ca. 1 m über dem Strand liegt. Es ist angenehm, hier zu lesen und zwischendurch immer wieder einen Blick auf die Strandbesucher, die Wellen und den Horizont zu werfen. Schon seit 2 Tagen weht die rote Flagge – Baden im Meer ist verboten – eine Gruppe socorristas (Rettungsschwimmer) passt auf, dass niemand das Verbot missachtet. Der Atlantik zeigt sich von seiner rauen, gefährlichen Seite – die Wellen, die am Strand ankommen sind ca. 4m hoch.

Dann – ich bin in mein Buch vertieft – ein aufgeregter Schrei eines Mannes neben mir: er ruft den socorristas auf spanisch zu, dass eine Person im Meer treibt und zeigt mit seiner Hand auf die betreffende Stelle. Ich stehe auf, um besser sehen zu können, kann in den aufgepeitschten Fluten aber nichts erkennen. 2 socorristas, junge Männer, schnappen sich je eine Rettungsboje, sprinten zum Wasser und innerhalb von ein paar Sekunden sind sie in den Wellen verschwunden. Von Zeit zu Zeit sieht man einen Kopf zwischen den Schaumkronen auftauchen, dann den zweiten – man sieht, dass sie ordentlich zu kämpfen haben, um wieder ans Ufer zu gelangen.

Gebannte und entsetzte Blicke der Strandbesucher und auch die Spaziergänger auf der Promenade bleiben stehen und verfolgen das dramatische Geschehen.

Im nächsten Moment ein gellender, hysterischer Schrei einer Frau Mitte 30, die auf einem der Liegestühle gleich unter der Promenade liegt. „Mischa, Mischa“ rufend springt sie auf und rennt Richtung Wasser – dort, wo die Rettungsschwimmer gerade versuchen, wieder festen Boden unter den Füssen zu gewinnen. „Um Gottes Willen – ist Mischa ihr Kind?“ ist mein 1. Gedanke. „Ist sie gerade drauf gekommen, dass ihr Kind nicht da ist?“

Dann sieht man aber, dass die socorristas den leblosen Körper eines erwachsenen Mannes in den schwarzen Sand legen und umgehend mit der Herzmassage beginnen. Die Frau, lange blonde Haare, mit Hot Pants und weißem T-Shirt bekleidet will mit lauten „Mischa, Mischa“ – Rufen zu ihrem Partner – ein paar Strandbesucher halten sie zurück und versuchen, sie zu beruhigen.

Schon bald kommt ein Rettungsfahrzeug mit Blaulicht und Folgetonhorn auf die Strandpromenade – 3 Sanitäter/Notärzte unterstützen nun die socorristas bei den Wiederbelebungsmassnahmen. Da mittlerweile die Flut eingesetzt hat, muss Mischa ca. alle 10 Minuten weiter Richtung Promenade umgebettet werden und mit ihm bewegt sich auch der gesamte Rettungstross, der inzwischen aus ca. 10 Personen besteht. 4 uniformierte Polizisten sind auch da – mich wundert, dass kein Sichtschutz errichtet wird.

Die Frau von Mischa ist komplett fertig – zeitweise läuft sie wie ein Tier im Käfig im Kreis verzweifelt „Mischa, Mischa“ rufend, dann sitzt sie apathisch im Sand und stiert vor sich hin. Solange die Einsatzkräfte nicht aufgegeben haben, besteht Hoffnung, dass das ganze doch noch gut ausgeht. Es taucht dann auch noch ein junger, schlaksiger Mann auf, der ebenfalls einen Zusammenbruch erleidet. Beim Anblick von Mischa, der mittlerweile in eine gold glänzende Rettungsdecke gehüllt ist, beginnt er laut zu schluchzen und es beutelt ihn am ganzen Körper.

Unter den Strandbesuchern werden Mutmaßungen angestellt – wie konnte das passieren? Bei diesen hohen Wellen geht doch keiner ins Wasser. Ein Pärchen berichtet, dass es am Vortag bei einem Strandspaziergang fast hinausgespült worden ist. Aber sie waren zu zweit und der Mann konnte die Frau im letzten Moment aus dem Wasser ziehen. Die hohen Wellen und die starke Strömung werden leider unterschätzt.

Und so war es vielleicht auch bei Mischa. Er verbringt mit seiner Frau und seinem 20-jährigen Sohn (der aus einer früheren Beziehung stammt) einen schönen Nachmittag am Strand. Sie haben heute einen Faulenzer-Strandtag eingelegt, nachdem sie in den letzten Tagen immer sportlich in den Bergen unterwegs waren und auch morgen ist wieder eine anstrengende Bergtour geplant. Vielleicht überlegen sie gerade, in welchem Restaurant sie heute zu Abend essen (diese Tapas Bar mit den Arepas wollten sie schon die ganze Zeit mal ausprobieren), da meint Mischa zu seiner Frau: Du, ich geh noch schnell auf einen Kaffee in die Strandbar. Bin gleich wieder zurück. Okay, meint seine Frau und vertieft sich wieder in ihr Buch. Nachdem Mischa den Kaffee getrunken hat, beschließt er noch einen kleinen Strandspaziergang zu machen – er hat sich heute viel zu wenig bewegt. Strandspaziergang: das ist normalerweise ganz harmlos und steht für Urlaub pur. Miniwellen, die die Zehen kitzeln – wenns hoch geht werden vielleicht einmal die Wadl‘n nass. In Gedanken versunken geht er am Wasser entlang und dann kommt die Welle, die ihn mit raus nimmt aufs Meer. So oder so ähnlich könnte es gewesen sein.

Es ist mittlerweile 18:00 – vor 1 Stunde wurde Mischa aus dem Wasser gezogen und in diesen 60 Minuten haben die Einsatzkräfte ihr bestes gegeben, ihn ins Leben zurückzuholen. Leider vergeblich. Sie beginnen, ihre Sachen zusammenzupacken. Die Socorristas reinigen ihre Bojen und das restliche equipment und verstauen alles in einem Lagerraum neben der Strandbar. Die Sanitäter und der Notarzt packen ebenfalls alles zusammen und verstauen die Sachen im Rettungsauto. Ein Sanitäter holt ein weißes Tuch aus dem Rettungswagen und deckt damit den leblosen Körper von Mischa zu. (Ich frage mich, wieviele weiße Tücher die Einsatzkräfte immer dabei haben. Mit wie vielen Leichen rechnen sie pro Tag?)

Die Sonne verschwindet langsam im Meer – mich fröstelt.

Am schwarzen Sand liegt noch immer die mit weißem Tuch zugedeckte Leiche von Mischa. Die goldene Rettungsdecke lugt hervor. 2 Polizisten stehen daneben. Der Liegestuhl- und Sonnenschirm-Verleiher sammelt die Liegen und Schirme ein. Die Liegen werden neben der Strandbar gestapelt, daneben die Schirme hingelegt. Die meisten Strandbesucher sind schon in ihren Ferienwohnungen – sie machen sich fertig fürs Abendessen.

Die Sonne ist jetzt ganz weg – Dunkelheit senkt sich über die Szenerie. Da kommt noch einmal die Frau von Mischa, sie kniet sich neben ihn in den schwarzen Sand, zieht das weiße Tuch zurück, sodass sein Kopf sichtbar wird, streichelt ihm über die Haare und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann deckt sie ihn wieder zu. So herzzerreißend und erschütternd – so zärtlich und intim.

Vergleiche mit der griechischen Mythologie drängen sich auf: Poseidon hat seinem Bruder Hades zu einem Neuzugang in dessen Totenreich verholfen. Mischa hat bereits den Styx überquert, vorbei an Zerberus und nichts kann ihn zur Umkehr bewegen. Nicht die lauten, verzweifelten „Mischa, Mischa“-Schreie seiner Frau, nicht das unüberhörbare Schluchzen seines Sohnes.

Überhaupt wirkt das alles so inszeniert: Die eben im Meer versunkene Sonne, der Abendhimmel, die lauten, ungestümen Wellen, der schwarze Strand mit dem leblosen Körper, mit dem weißen Tuch darüber. Dazu das Publikum (viele haben Tränen in den Augen): in der Strandbar, das sind die Logenplätze. Die Plätze auf den Strandliegen entsprechen dem Parkett und auf der Promenade, wo auch ich stehe, das ist der 1. Rang.

Die Vorstellung hat genau 90 Minuten gedauert, jetzt fällt gleich der Vorhang. Dann werden die grandiosen Schauspieler noch einmal vor den Vorhang treten und sich den verdienten Applaus abholen. In der Mitte verbeugt sich Mischa in seiner schwarz-grünen Badehose, die goldglänzende Rettungsdecke um die Schultern sorgt dafür, dass ihm nicht kalt wird – daneben seine Frau und sein Sohn und anschließend die socorristas, Notärzte, Sanitäter und Polizeibeamten.

Es ist kein Theater – es ist Realität.

RIP Mischa, er wurde 49 Jahre alt.

Heute gibts Muräne

Kraterlandschaft auf La Palma

Blick aufs Nebelmeer

Morgenstimmung in der Cumbrecita

Ein bisschen grün in der Vulkanlandschaft

So siehts aus nach dem letzten Vulkanausbruch

Mit Michael am Strand von Puerto Naos – dazu ein ausgezeichneter Wein

AUF ZU NEUEN UFERN

MIR FEHLT DAS MEER – in fetten Riesenlettern prangt dieser Spruch auf einem Transparent, welches am Balkon einer Wohnung beim Wiener Naschmarkt angebracht ist (man sieht es auch sehr gut, wenn man mit der U4 stadteinwärts fährt, kurz vor der Einfahrt in die Station Kettenbrückengasse – man muss nur raufschauen zur Linken Wienzeile). Ich wohne ganz in der Nähe und denk mir immer, wenn ich es sehe: MIR AUCH!

Und seit einigen Wochen schon bin ich nun von Meer umgeben und damit verbunden viel Sonne und angenehme Temperaturen. Ich wohne auf einem Segelboot, welches momentan im Hafen von Puerto del Rosario auf Fuerteventura liegt.

Nachdem ich nach meinem Pamir Highway – Radtrip schon wieder mehr als 1 Jahr in Österreich verbracht habe (verbunden mit einem tollen Job als Köchin), war es allerhöchste Zeit, sich wieder ins Abenteuer zu stürzen.

Ursprünglich geplant war, mit dem Drahtesel von Paris nach Dakar zu radeln. Die für 5-6 Monate anberaumte Reise (mit Start in Paris Anfang November) wollte ich nicht allein machen – 2500 km durch die Sahara zu fahren sind kein Honiglecken und der Gedanke, dass ich in der Wüste bei Sandsturm und Skorpionen eine Panne habe (und niemand da ist, der mir hilft), war nicht grade prickelnd. Obwohl es etliche Leute (auch Frauen) gibt, die diese Sache allein durchziehn. Und man weiss ja auch, dass 95 % aller Befürchtungen sowieso nie eintreffen. Bei der Suche nach einem passenden Reisebuddy bin ich über die Anzeige von Rupi gestolpert. Rupi, ein Vorarlberger ist Einhandsegler, der sein 40 Fuß (12m) Segelboot vor den Kanaren liegen hat und nach dem Motto „Hand gegen Koje“ für den Winter eine Mitseglerin sucht. Paris-Dakar rennt mir schon nicht davon, denk ich mir und schreib ihn an. Ich bin zwar noch nie gesegelt, finde die Idee aber spannend und die Vorstellung, dass ich die Kanarischen Inseln mit Fahrrad und Wanderschuhen entdecken kann, wann immer das Boot im Hafen oder vor Anker liegt, ist sehr reizvoll. Außerdem kann ich meine Spanischkenntnisse, die etwas eingerostet sind, wieder aufpolieren.

Voraussetzung ist aber, dass wir beide uns verstehen und dass mir die doch etwas beengten Verhältnisse am Boot zusagen. Wir treffen uns daher im September, um gemeinsam von Fuerteventura nach Lanzarote zu segeln. Rupi, der das Boot vor 30 Jahren selbst gebaut hat (und daher auch alles selbst reparieren kann) verfügt über eine lange Segelerfahrung und so fühle ich mich sicher an Bord. Außerdem verstehen wir uns gut und beschließen, den Winter gemeinsam am Boot zu verbringen. Das ganze soll ohne Stress ablaufen – wir richten uns nach dem Wind und lassen uns treiben. Nachdem die Inseln viel zu bieten haben, gibt es viele Möglichkeiten der sportlichen Betätigung. Da wir ohnehin nicht die ganze Zeit aufeinander picken wollen, unternehme ich auch immer wieder alleine Rad- oder Wandertouren, während Rupi am Boot herumschraubt.

Der Wind war in den letzten Wochen sehr ungünstig – statt des üblichen NO Passats kommt starker Südwind, der hohe Wellen in den Hafen von Rosario, wo wir momentan liegen, reindrückt. Eines Morgens werde ich sehr unsanft geweckt – die Wellen schlagen so heftig gegen den Bootsrumpf, sodass ich gleich auf die andere Seite des Bettes rolle. Über meinem Bett befindet sich die Notausstiegsluke – ich stecke meinen Kopf raus. Am Steg, der sich auch heftig hin- und her bzw. auf- und ab bewegt stehen ein paar Skipper beisammen – Rupi ist auch dabei – und diskutieren. Immer wieder besorgte Blicke rauf zu den Masten – die Boote führen auf den hohen Wellen einen wilden Tanz auf und immer wieder stoßen die Masten zusammen. Direkt neben uns liegt ein britisches Boot – am Masten haben sie das Ankerlicht und einen Windmesser angebracht – beides ist kaputt. Bei uns ist glücklicherweise nichts kaputt gegangen. Einige Boote im Hafen sind nicht bewohnt. Da Gefahr in Verzug ist, gehen die anwesenden Skipper zu diesen Booten und prüfen, ob die Taue nicht durchgescheuert bzw. ob die Fender richtig gesetzt sind und beheben dann entsprechende Mängel. Normalerweise ist das nicht erlaubt, in diesem Fall aber wichtig, um zu verhindern, dass Boote beschädigt werden.

Nicht nur das Schauspiel der wild tanzenden Boote ist beeindruckend – die dazugehörige Geräuschkulisse steht ihm in nichts nach. Es ist ein Geächze, Geseufze und Gestöhne, ein Wimmern, Jammern und Weinen; ausserdem scheint die halbe Tierwelt anwesend zu sein. Man hört Löwen brüllen, Kätzchen miauen (oder weint da ein Baby?), einen Vogel, der einen lauten Pfiff von sich gibt – unglaublich welche Geräusche durch die Seile, Taue, Takelage, Masten, Stege,… entstehen.

Ich beschließe, an diesem Tag auf dem Boot zu bleiben. Der schmale, ca. 50cm breite Steg, der vom Boot zum ca. 2m breiten Hauptsteg führt, bewegt sich wie wild hin und her. Auch die Britin vom Nachbarboot wagt sich nur auf allen Vieren nach vor zum befestigten Teil des Hafens.

Ich frage mich eh, wie viele (schon etwas angeheiterte) Leute hier schon ins Wasser gefallen sind.

Ich bin zwar noch nicht reingefallen, dafür habe ich eine spezielle Fotosession am Steg abgehalten. Rupi ist unter Deck, ich will unbedingt ein Foto vom Boot, daneben das Rad, das ich mir hier zugelegt habe und dazu die Wanderschuhe. Leider ist es noch immer ziemlich windig – auch der breite Hauptsteg führt sich auf wie ein Berserker-Drachen. Mir gelingt es aber, das Rad neben den Bug zu stellen, dazu die Wanderschuhe. Dann schnell ein Foto gemacht – und dann mache ich den Fehler und schau mir das Foto am Handy an und lasse kurz das Fahrrad aus den Augen. Im nächsten Moment liegt das Rad im Meer (hier ca. 7m tief) – ich kann grad noch den Lenker fassen und das Gefährt mit Müh und Not aus dem Wasser ziehen. Jetzt ist es halt ein richtiges Inselfahrrad – getauft mit Meerwasser. Rupi spritzt es dann noch ab mit Süßwasser und schmiert es an den wichtigen Stellen.

Wenn man längere Zeit im Hafen liegt, so lernt man auch die Nachbarn kennen (Es ist ein bisschen wie in einer Reihenhaussiedlung, nur eben am Boot). Da ist einmal Florian, ein bayrischer Bäcker. Seine Eltern haben hier vor ca. 40 Jahren die Panaderia Alemana eröffnet, die mittlerweile von ihm betrieben wird. Er lebt am Boot genau so wie Derrick aus Belgien. Er ist Koch und lebt mit seiner Frau Yrina, die aus Fuerteventura stammt, in einem 10m Boot. Sehr cosy – mir wäre es auf Dauer zu eng, obwohl das Interieur wirklich sehr einladend ist. Man besucht sich dann auch mal gegenseitig auf einen Drink (Bier, Gin und Tonic sind immer eingekühlt). Dann gibt es noch unseren Nachbarn direkt gegenüber – er ist Deutscher, auch bereits in Pension und er will keinesfalls mehr zurück nach D. Er will auch nicht mehr segeln, sondern einfach nur hier in Rosario am Boot leben. Die Hafengebühr ist leistbar (EUR 14,00 pro Tag).

Rosario selbst ist nicht grad der Heuler – man muss schon etwas suchen, um charmante Ecken zu entdecken. Aber es gibt schöne Strände und ausserdem ein paar sehr nette Lokale (La gula – „Die Völlerei“, mein absoluter Favorit).

Ich koche zwar zumeist selbst (Rupi ist nur für die niederen Kombüsendienste zuständig, z.b. die Töpfe am Herd festhalten, wenn das Boot stark schaukelt, bzw. Orangensaft pressen zum Frühstück), trotzdem genießen wir von Zeit zu Zeit auch die Gastronomie vor Ort.

Und das Wetter ist sowieso ein Argument. Wenn ich sehe, dass es in Wien 3 Grad hat(grau in grau und nasskalt) und ich genieße mein Frühstück an Deck in der Sonne im kurzärmeligen Shirt und in kurzer Hose. Auch untertags ist die Temperatur angenehm (22 Grad), sodass man die Vitamin D Speicher gut auffüllen kann. Und die Tage sind sowieso ca. 2 Stunden länger als in dem 20 Breitengrade nördlicher gelegenen Wien (Sonne von 08:00 – 18:00).

Interessant ist auch das „Hafenkino“ – zu beobachten, wie neue Boote ankommen. Die Boote müssen mit 2 Flaggen versehen sein: 1. die Flagge des Landes, in dessen Gewässern man sich befindet. D.h. Alle Boote hier haben die spanische Flagge am Mast. Die 2. Flagge, die man hissen muss betrifft das Land, in welchem das Boot registriert ist. Rupi hat das Boot in Ö registriert, daher haben wir die österreichische Flagge am Mast. Sehr viele Boote hier haben die polnische Flagge (Wow, da sind aber viele Polen hier) – die Lösung ist folgende: Polen hat extrem niedrige Gebühren, deshalb lassen auch viele Nicht-Polen ihr Boot in Polen registrieren. Und dann gibt es noch viele Japaner (was machen die hier auf den Kanaren??) – tatsächlich gibt es die Flagge der Einhandsegler, die ausschaut wie die japanische. Einhandsegler signalisieren damit, dass sie allein an Bord sind und nichts dagegen haben, wenn ihnen jemand beim Hafenmanöver behilflich ist.

Das Interessante beim Hafenkino ist, dass zumeist die Männer lässig am Steuerrad stehen und die dazugehörigen Frauen die ganze Arbeit machen müssen (Fender positionieren, Taue verstauen,……). Rupi erzählt, dass er bei den Manövern oft Zeuge von Beziehungstragödien wurde – schon 5 Meter vor dem Steig werden die Frauen von den (hypernervösen) Männern aufgefordert, mit dem Tau zu springen (sie stehen ohnehin zumeist sprungbereit an der Reling) und dann das Boot mit voller Kraft zum Steig zu ziehen und an der Klampe zu verknoten.

Kürzlich kam ein Boot (mit österreichischer Flagge), ein Paar aus dem Burgenland mit 5- und 7- jährigen Söhnen. Sie verbringen ihr Sabbatical am Boot (zuvor im Mittelmeer und jetzt kommen sie grad von Agadir) – bis zum Herbst wollen sie wieder zurück in Ö sein. Da unser Nachbarplatz mittlerweile frei ist (die Engländer sind weggesegelt), möchte er sich neben uns einparken. Er fragt Rupi, aus welchem Material unser Boot ist (Stahl). In diesem Fall kann er nicht neben uns parken, weil er hat ein Alu-Boot. Große Fragezeichen meinerseits. Rupi erklärt mir, dass ein Aluboot nicht neben einem Stahlboot liegen darf, weil spätestens nach 1 Woche wird das Aluboot dann ein Loch haben. Das ganze hat mit Galvanik zu tun (das salzige Meerwasser spielt dabei auch eine Rolle) und ich höre zum 1. mal von Opferanoden (in Physik und Chemie war ich nie eine Leuchte).

Neben uns parkt dann ein französisches Boot, ebenfalls mit 2 Kindern an Bord. Beide Mädchen sind sehr süß und auch so ca. 6-7 Jahre alt. Es dauert nicht lange, schon tauchen die blonden Haarschöpfe der burgenländischen Buben am Steg auf – sie haben die Mädchen schon entdeckt. Und sie bringen auch gleich Geschenke mit: Spielzeugautos für Les Mademoiselles. Die Mädchen revanchieren sich – ebenfalls mit Spielzeugautos. Die Buben ziehen wieder ab – jetzt müssen sie andere Geschosse auffahren: Nach einiger Zeit sind sie wieder da – in der Hand je eine Kette mit bunten Sternen dran (ich glaub, die Mama hat ihnen beim Basteln geholfen). Mercie sagen die kleinen Französinnen.

Jeden Tag legt in Rosario mindestens 1 Kreuzfahrtschiff an – ich google dann gleich beim Frühstück die ganzen Eckdaten. (Wieviele Passagiere? Länge?, Breite?) Rupi erklärt mir, dass die Schiffe nicht breiter als 32m sein dürfen, da sie ansonsten nicht durch den Panamakanal fahren können (Panamax-Breite). Der Kanal, der wegen Trump grad wieder Thema ist, wurde aber 2016 erweitert und seither können Schiffe bis 49m Breite durchfahren. Aha.

Ich habe schon einige Radtouren auf Fuerteventura gemacht – im Ortsgebiet gibt es oft Radwege. Überland war ich auf zumeist auf Bundesstraßen unterwegs – alle haben einen ca. 1 m breiten Pannenstreifen, sodass es ganz okay war. Und das Tolle ist: man darf Fahrräder (KEINE e-bikes) in öffentlichen Bussen ohne Mehrpreis mitnehmen. So kann man in die diversen Winkel der Insel mit dem Bus fahren und dann gemütlich zurückradeln. Höhenmässig gibt es ja keine großen Herausforderungen (der höchste Berg hat ca. 800m), es ist eher der Wind, der einem durchaus heftig entgegen blasen kann.

So, das wars nun fürs Erste – Fortsetzung folgt!

Rupi am Steuer

Ich als Dingi-Kapitän

Boot, Wanderschuhe und Rad (kurz bevor es abgesoffen ist)

Im Salon – mit Kombüse (mein Reich)

Typische Landschaft auf Fuerteventura

Etwas Weihnachtsstimmung im Yachthafen

Heute gehts am Meer entlang

durch hübsche Ortschaften (hier die ehemalige Hauptstadt Fuerteventuras, Betancuria)

Waschtag

Zwischendurch ein Barraquito

USBEKISTAN

Nach den Rasttagen in Osh beschließen wir, weiter nach Usbekistan zu radeln. Die Grenze liegt nur ein paar Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und unser Plan ist, bis in die 400.000 Einwohner-StadtAndijon (50 km, es geht immer bergab) zu radeln und von dort mit dem Zug weiterzufahren. Wenn man schon in Zentralasien ist, muss man unbedingt die Seidenstrassenstädte Samarkand, Buchara und Xiva sehen.

Nach der Grenze wandelt sich die Landschaft komplett – keine Berge mehr, dafür Felder, auf denen Baumwolle und Mais angebaut werden. Außerdem sieht man eine Menge Textilfabriken, in welchen die Baumwolle gleich weiterverarbeitet wird. Und auch sonst ein ziemlicher Unterschied zu Tadschikistan und Kirgistan: die Häuser sind schöner (mit vielen Blumen in den Gärten) – reizvolle Innenhöfe laden zum Chillen auf Tapchans unter Bäumen ein. Wir halten vor einem Haus, um den auf der Strasse zum Trocknen ausgebreiteten Mais zu fotografieren. Der Besitzer kommt sofort raus und bringt eine Kanne Chay und 2 Schalen. Er kann zwar kein Englisch, aber über Fussball entsteht eine angeregte Diskussion zwischen ihm und Karl. Er ist ganz aus dem Häuschen, als er erfährt, dass Karl aus Bayern kommt. „Bayern München, Franz Beckenbauer, Oliver Kahn“ – er kriegt sich kaum ein vor Begeisterung. Er meint dann, dass wir unbedingt bei ihm übernachten müssen – wir haben aber schon ein Hotel in Andijon reserviert. Okay, dann müssen wir zumindest etwas essen – es gibt eine Gemüsesuppe mit Rindfleisch, selbstgemachtes Brot und Kuchen. Und zum Schluss packt er einen Riesenlaib Brot, Kuchen und Äpfel ein, weil als Radfahrer müssen wir ja ordentlich essen.

In Andijon bleiben wir nur eine Nacht, am nächsten Morgen geht es weiter mit der usbekischen Bahn nach Samarkand. Wir sind rechtzeitig am Bahnhof, auch um sicher zu gehen, dass die Räder ordentlich im Zug verstaut werden. Die Schaffner sind extrem nett und helfen uns, sie am Waggonende unterzubringen und zu fixieren – der Radtransport ist übrigens kostenlos. Pünktlich gehts los um 09:00 – im ziemlich vollen Zug gibt es ausschliesslich Liegeplätze. Kurz nach der Abfahrt kommt der Schaffner (jeder Waggon hat einen eigenen Zugbegleiter) und teilt Bettwäsche in verschweißten Plastikbeuteln aus. Also wird das Bett überzogen und dann kann man es sich bereits in der Horizontalen gemütlich machen – bei einer 12 Stunden Fahrt ist das sehr angenehm. In jedem Waggon gibts auch einen Samowar – dort kann man sich heißes Wasser für den Chay holen.

Der Zug kommt auf die Minute genau in Samarkand an und wir brauchen nur noch in das gleich beim Bahnhof gelegene Hotel zu fahren. Am nächsten Tag – es ist Sonntag – dann mit den Rädern in das 7km entfernte Zentrum von Samarkand und jetzt ist Staunen angesagt. Waren es bis jetzt auf unserer Reise zumeist aussergewöhnliche Landschaften, so sind es nun vom Menschen gemachte Bauwerke, die uns sprachlos vor Begeisterung machen. Nicht nur der Registan, einer der prächtigsten Plätze Zentralasiens mit seinen 3 Medresen, sondern auch viele Moscheen ziehen uns in ihren Bann. Aber wir sind natürlich nicht die einzigen, die deswegen hier sind – die Stadt ist voll mit Touristen.

Sonntag ist in Usbekistan auch ein beliebter Tag zum Heiraten – im Park beim Registan sehen wir mindestens 30 Brautpaare, die sich dort zum Fotoshooting eingefunden haben. In dem Online-Magazin www.novastan.org lese ich einen Artikel über den Jungfräulichkeitskult in Usbekistan. Es ist (auch in anderen zentralasiatischen Staaten) gesellschaftlich kaum akzeptiert, dass Frauen vor ihrer Ehe ein Sexleben haben. Und kann in der Hochzeitsnacht kein Beweis für die Jungfräulichkeit erbracht werden (durch Blutflecken auf dem Leintuch), so kann es schon passieren, dass der Bräutigam seine Frischvermählte zu ihrer Familie zurückschickt. Oder er ist nett und nimmt eine kleine Nadel, mit der er sich in den Finger sticht und so ein paar Blutstropfen produziert, damit er den „Frauen-Prüferinnen“ (die dann die frohe Nachricht an die Verwandten verbreiten) ein blutbeflecktes Leintuch präsentieren kann.

In die nächsten 2 Städte, Xiva und Buchara, wollen wir ebenfalls mit dem Zug fahren, daher lassen wir unsere Räder und den Großteil des Gepäcks im Hotel in Samarkand, wo wir es in ca. 1 Woche wieder abholen werden. Die Fahrt durch die Wüste in die Oasenstadt Xiva an der turkmenischen Grenze dauert auch wieder ca. 12 Stunden und findet in der Nacht statt. Auch hier ist der Zug wieder auf die Minute genau und geschlafen habe ich erstaunlich gut.

Karl bucht in Xiva eine Tour zum ausgetrockneten Aralsee – ich kann mich nicht für die 14 stündige Autofahrt erwärmen und bleibe in der Stadt, wo ich auch gleich von einer Familie in ihr Haus geladen werde. Außerdem werde ich von einer Gruppe usbekischer Frauen angesprochen und es werden Fotos gemacht. Es zeigt sich wieder einmal, dass man als allein reisende Frau mit fast 100 %iger Sicherheit damit rechnen kann, von Einheimischen angesprochen und eingeladen zu werden.

Dann gehts weiter nach Buchara – extrem viele Touristen und gefühlt jedes 2. Haus im Zentrum ein Hotel. Und nach langer Zeit wieder mal ein guter Cappuccino in einem deutschen Kaffeehaus – ein Julius Meinl Kaffeehaus habe ich hier übrigens auch gesehen. Aber natürlich auch hier viele sehenswerte Bauwerke. Und Shopping ist angesagt: diese tollen usbekischen Stoffe – ein Kaftan und eine Jacke haben in meinen Radtaschen schon noch Platz.

Noch eine letzte Fahrt mit Uzbekistan Railways (wieder pünktlich) zurück nach Samarkand – dort besteigen wir wieder unsere voll bepackten Räder und fahren zur 50 km entfernten Grenze nach Tadschikistan. Leider auf einer furchtbaren Strasse mit extrem viel Verkehr und die Usbeken fahren wie die Gesengten Säue!!! Von Abstand haben die noch nie was gehört.

Endlich an der Grenze angekommen – der Übertritt verläuft ganz unspektakulär – in Tadschikistan stehen uns nur noch 20 Kilometer auf einer Super-Strasse ohne Verkehr bis Panjakent bevor. Eingecheckt im Panjakent Plaza, dem besten Haus am Platz – ein typisch zentralasiatisches Hotel mit extrem schwülstiger Deko und Info durch den netten Rezeptionisten beim Check-In: Breakfast from 07:00 until 10:00. Am nächsten Tag läutet das Telefon um 08:00 und im Befehlston: „You have to eat breakfast now“. Aha. Okay, dann gehen wir halt frühstücken. Außer uns war offensichtlich nur eine chinesische Reisegruppe zu Gast und die waren um 07:45 schon fertig mit dem Frühstück – also wollte man wahrscheinlich nicht ewig lang auf uns warten und das Buffett wieder abbauen. Andere Länder – andere Sitten, wir nehmen‘s mit Humor (und lassen uns das Frühstück schmecken).

Das erinnert mich an ein Hotel am Sewansee in Armenien: dort gab es Frühstück nur von 10:00 bis 11:00. In der Umgebung gabs ein paar Berge/Hügel – ich hab vor dem Frühstück halt immer eine Bergtour gemacht und mich dann richtig hungrig über das eher bescheidene Buffett hergemacht. Einmal kam ich erst um 10:30 von der Tour – da wurde das Buffett schon wieder abgebaut.

In Panjakent nehmen wir ein Taxi, das uns wieder nach Dushanbe bringt. Die Fahrt durch spektakuläre Berglandschaft führt über einen 2.800m hohen Berg und durch viele enge, unbeleuchtete Tunnelröhren – wir sehen auch ein paar Radfahrer. Nur der Gedanke, dass ich mit dem Rad durch diese Tunnels fahren müsste, schnürt mir die Kehle zu.

In Dushanbe steigen wir wieder in „unserem“ Hotel ab – die Rezeptionisten kennen uns noch. Karl hat hier vor mehr als einem Monat seine Durchfallerkrankung auskuriert und sich mit Griesskoch, welches es hier beim Frühstücksbuffet gibt, aufgepäppelt. Beim Frühstück sehe ich eine Gruppe junger Indonesierinnen, die bereits während unseres 1. Aufenthalts da waren. Sie tragen Jacken mit der Aufschrift „Indonesia“ – sind offensichtlich Sportlerinnen. Ich frage sie dann, welchen Sport sie betreiben – „Wrestling“ und sie sind hier in Dushanbe auf einem Trainingscamp.

Unsere Zeit hier in Zentralasien neigt sich dem Ende zu – bald geht es zurück nach Europa. Voll mit tollen Eindrücken und Bildern, die wir so schnell nicht vergessen werden. Und wieder einmal die Erkenntnis: „(Fast) Alles ist einfacher, als man es sich vorgestellt hat.“ Der Pamir Highway ist abenteuerlich, anstrengend, atemberaubend (im wahrsten Sinn des Wortes) und affengeil. Aber auch Oldies wie wir (Karl ist 66, ich bin grad noch 61) können ihn mit einem normalen, voll beladenen Trekkingbike radeln (okay, ein paar mal hatten wir motorisierte Unterstützung). DON‘T DREAM IT, DO IT!

Baumwollfeld

Auf eine Suppe bei einem usbekischen „Bayern München“ Fan

Hier die coole Rentnergang aus Andijon (Usbekistan)

Eine müde Österreicherin im usbekischen Zug

Bahnfahren in Usbekistan

Mein Shirt passend zur Kuppel am Registan in Samarkand

Samarkand

In der Oasenstadt Xiva

Wirkt wie geflochten – Mausoleum in Buchara

Buchara