Nachdem es auf unserem Ankerplatz vor Playa Blanca ziemlich ungemütlich geworden ist (der Wind hat gedreht und die Wellen sind so hoch, dass ich mich weigere, ins Dingi zu steigen), beschließen wir, in den Hafen rein zu fahren. Momentan gibt es genügend freie Plätze – November und Dezember ist es am schwierigsten, einen Platz zu kriegen, da viele Häfen auf den Kanaren voll sind mit Segelbooten, deren Crews sich spätestens ab Jänner auf den Weg in die Karibik machen. Hier nehmen die Segler letzte Reparaturen am Boot vor bzw. füllen sie ihre Lebensmittel- und Treibstoffvorräte auf (auf den Kapverden, wo zumeist ein allerletzter Stop eingelegt wird, kostet alles ein Vielfaches) – ausserdem kann man sich hier noch einmal so richtig die Beine vertreten, bevor man 3 – 4 Wochen auf engem Raum auf hoher See ist. Die Atlantiküberquerung selbst ist eher unspektakulär (so wird sie zumeist in Seglerberichten beschrieben) – ein Freund von Rupi ist diesen Winter ebenfalls auf der Barfussroute (heisst so, weil man sich in einer Klimazone bewegt, wo man immer barfuß an Deck herumgehen kann) in die Karibik gesegelt – auch er hat dies bestätigt.

Die Marina Rubicon (Playa Blanca) ist wunderschön angelegt und bietet eine perfekte Infrastruktur. Saubere Duschen/WCs, schnelles WLAN, gute Restaurants und einladende Geschäfte, ausserdem eine Werft mit Segelmacher und eine Autovermietung. Und Berge gibts auch gleich ums Eck – wir besteigen ein paar Vulkane.

Lanzarote ist ja nur ca. 60km lang und maximal 30km breit mit nicht allzu hohen Bergen – die Insel bietet sich an für Radtouren durch die vulkanisch geprägte Landschaft. Und es gibt viele „Via Ciclista“s – spezielle Radfahrstrassen, auf welchen auch Autos erlaubt sind (mit maximal 60km/h) und dort ist es wirklich toll zu radeln. Es sind auch viele Rennradler und körperlich beeinträchtigte Radfahrer in Liegerädern unterwegs – Profisportler nutzen die Insel als Wintertrainingsdestination.

Bei einer meiner Radtouren komme ich auch nach Tias, wo Jose Saramago seine letzten 18 Lebensjahre (1992 – 2010) verbracht hat. Das Wohnhaus des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers steht heute allen Besuchern offen – auch ich habe seine Wohnstätte (Casa Saramago) mit schönem Garten und Blick auf das Meer besucht und bei einer Führung erfahren, dass er „Die Stadt der Blinden“ (ich habe das Buch vor ca. 10 Jahren gelesen) hier verfasst hat. Jetzt frage ich mich, ob ich das Buch nun mit anderen Augen sehe – in Anbetracht des Titels eine etwas schräge Frage.

Ein anderer großer Künstler, dem man hier immer wieder begegnet, ist César Manrique. Der 1992 bei einem Verkehrsunfall getötete Maler, Bildhauer und Umweltschützer ist der berühmteste Sohn der Insel – ihm ist es zu verdanken, dass die schönen Küstenabschnitte nicht mit hässlichen Hotelkästen zugepflastert wurden, sondern dass nur die traditionelle Bauweise Lanzarotes zugelassen wurde und auf mehr als 2-stöckige Bauwerke verzichtet wurde. Ausserdem wurden alle Werbeplakate von den Straßen der Insel verbannt – wäre auch schade, wenn der Blick auf die kahle und trotzdem schöne Landschaft mit ihren Vulkankegeln durch Plakate beeinträchtigt werden würde. Sehenswert sind auch die von Manrique geschaffenen Wohnräume – unter anderem gestaltete er Lavahöhlen in wirklich coole Locations um – der Name Manrique ist ein wichtiger Touristenmagnet auf Lanzarote und alle von ihm geschaffenen Sehenswürdigkeiten sind auch gut besucht (aber nicht überlaufen).

Ein Highlight auf der Insel ist das Radeln durch den Timanfaya-Nationalpark – eine asphaltierte Strasse inmitten von Lavabrocken macht das Ganze zu einem wahren Vergnügen. Der Anblick der rot leuchtenden „Feuerberge“, Vulkankegel, Lavafelder und Lavatäler ist einzigartig und faszinierend.

Kurz darauf – die Distanzen auf der Insel sind schnell überwunden – bin ich schon wieder an der Küste und radle die letzten paar Kilometer direkt an der gut besuchten Strandpromenade zurück in die Marina. Playa Blanca lebt nur vom Tourismus – der Großteil der Urlauber kommt jetzt im Winter aus Großbritannien und Deutschland. Viele haben eine Ferienwohnung und verbringen die kalte Jahreszeit hier, während in den Sommermonaten viele Festlandspanier der Hitze zu Hause entfliehen und den Urlaub auf den im Sommer wesentlich kühleren Kanaren genießen.

Die medizinische Versorgung ist top – neben einigen deutsch-britischen Ärztezentren (wo deutsch- und englischsprachiges Personal anzutreffen ist), gibt es auch ein 24/7 Centro de Salud, wo direkt mit der gesetzlichen Krankenversicherung in Österreich abgerechnet wird (e-Card und Pass müssen vorgewiesen werden) – hier muss man dann aber mit ausschliesslich spanisch sprachigem Personal vorlieb nehmen (das medizinisch aber top ist – ich spreche aus eigener Erfahrung).

Meine Zeit hier neigt sich schön langsam dem Ende zu – es war ein wirklich toller Winter mit vielen neuen Eindrücken. Ich hab ein bisschen Einblick ins Segeln gewonnen (und die Knoten kann ich wirklich perfekt), ein bisschen Sport betrieben (ein paar mal hab ich rüber Richtung Afrika geschaut und mir gedacht: „Dort – nur ca. 120km entfernt – verläuft die Strasse nach Dakar. Dort könnte ich jetzt radeln.“), meine Spanischkenntnisse auf Vordermann gebracht und vor allem viel gefaulenzt. Und jeden Tag Sonne und angenehme Temperaturen (Short und T-Shirt reichen) – ja, man kann es schlimmer erwischen. Heimweh hatte ich nie – ab und zu hab ich mir den österreichischen Wetterbericht angeschaut und mir gedacht: „Was bin ich doch für ein Glückskind!“ Und das wichtigste: mit Rupi hab ich mich sehr gut verstanden, wir haben viel geblödelt und viel gelacht!

Los geht‘s auf der Via Ciclista

Windspiel von César Manrique

Jameos del Agua/Cesar Manrique

Auf dieser Wüstenpiste ist es fast unmöglich zu radeln

Während ich auf dem Drahtesel sitze, werden die Touristen auf Kamelen durch den Timanfaya Nationalpark gekarrt

Gesteinsformationen bei Teguise