Seit dem letzten Eintrag bin ich von Mzcheta, der alten Hauptstadt Georgiens über Gori, Kashuri und Borjomi nach Vardzia gefahren.
In Mzcheta (nur ca. 25km von Tiflis entfernt), wo sich untertags Unmengen an georgischen und ausländischen Touristen aufhalten, habe ich die spezielle Stimmung am Abend und am Morgen um so mehr genossen. Ich hatte das Glück, in einem guest house mit grosser Terrasse und vielen duftenden Rosensträuchern direkt bei der Kathedrale untergebracht zu sein. Die Glocke der Kathedrale wurde alle 3 Stunden (3 Uhr, 6 Uhr, 12 Uhr….) noch händisch geläutet und ich konnte den Messdiener beobachten, wie er die Stufen auf den Turm gestiegen ist und dann mit voller Kraft die Glocke geschlagen hat. Insgesamt gab es in diesem Turm aber 4 Glocken in verschiedenen Größen und wenn eine Messe stattfand, so wurde diese mit einem tollen Glockenspiel, das ca. 10 Minuten dauerte, eingeläutet. Dazu stiegen 4 Männer auf den Turm und läuteten die Glocken – es war ein wirklicher Hörgenuss. Und während der Messe sangen Chöre – auch diese Gesänge konnte ich auf der Terrasse meiner Unterkunft mitverfolgen. Es war ganz was Besonderes.
Vor der Kathedrale kam ich mit einer Gruppe georgischer girlies (13-16 Jahre) ins Gespräch. Sie waren zuerst ein bisschen schüchtern, haben sich dann aber gefreut, ihr gutes Englisch unter Beweis stellen zu können. Sie waren sehr interessiert an meiner Radreise, wollten alles Mögliche wissen (wieviel km ich täglich fahre, wo ich übernachte, wie ich mir das leisten kann, welche georgischen Wörter ich kenne, was meine georgische Lieblingsspeise ist, welcher mein georgischer Lieblingspopsänger ist – da musste ich passen). Dann hat eine gesagt, dass sie auch einen Satz auf Deutsch sagen kann. Na, dann raus damit! „Ich liebe dich“ und dann lautes Gekicher von allen. Dann alle durcheinander: „Ti amo“, „Te quiero“, „Je t‘aime“, „Uhibuk“ – immer gefolgt von lautem Gekicher. Wir waren uns natürlich einig, dass es immer gut ist, diesen Satz in diversen Sprachen zu beherrschen – man weiss ja nie, wer einem so über den Weg rennt. So süß, sehr natürlich und sympathisch.
Ausserdem habe ich ein älteres deutsches Ehepaar getroffen, das mit dem Wohnmobil in Georgien unterwegs ist. Sie campieren wild (Campingplätze mit Infrastruktur wie in Westeuropa gibt es nicht) und wenn sie vor dem Wohnmobil essen, so zieht das natürlich die Streuner an. Einer dieser Hunde wollte eine Bratwurst vom Teller stehlen und die Frau versuchte, ihn zu verscheuchen. Dabei biss er sie in die Hand, sodass sie eine blutende Wunde davontrug. Und: sie war nicht gegen Tollwut geimpft. Sie hat daraufhin ihren Bruder, der in Deutschland Arzt ist, angerufen und der hat ihr geraten, den nächsten Flieger nach Deutschland zu nehmen, um sich zu Hause im Nachhinein immunisieren zu lassen (er hat in D die Info erhalten, dass das benötigte Serum in Georgien nicht erhältlich ist). Sie hat dann aber in Tiflis ein kleines Institut entdeckt, das doch über das Serum verfügt und lässt sich nun hier die nachträgliche Immunisierung geben (man muss dabei einen genauen Zeitplan einhalten: Je 1 Dosis an fix festgelegten Tagen nach dem Biss). Die einzig unangenehme Sache ist, dass sie die nächsten 2 Monate keinen Tropfen Alkohol trinken darf – bei den guten georgischen Weinen eine harte Gschicht!
Ja, die Hunde – ein leidliches Thema und eine Änderung der Taktik war notwendig. Und das kam so: ich fuhr auf einer stark befahrenen Bundesstraße – links neben mir bretterten die LKWs in geringem Abstand an mir vorbei und rechts kamen aus einem Garten 2 Hunde auf mich zugeschossen und haben mich verfolgt. Ich versuche in so einem Fall immer, so schnell wie möglich zu fahren, um die Viecher abzuhängen. Aber das Ganze ist natürlich Stress pur und einen Fahrfehler darf ich mir in so einer Situation auf keinen Fall leisten. Dazu kommt noch, dass die Fahrbahn auch nicht gerade in einem optimalen Zustand ist (Schlaglöcher oder Asphalt, der sich durch die Hitze aufwölbt). Wenn ich da zu Sturz komme – na dann Gute Nacht!
Aus diesem Grund bleibe ich jetzt immer stehen, sobald ein Hund (oder auch mehrere) hinter mir her ist/sind. Ich steige ab und fange an, in sanftem Ton mit ihm/ihnen zu reden, so in der Art: „Hallo Hund. Schau, ich fahr da nur und tu dir nix“. Ca. 50% der Hunde hören dann tatsächlich auf zu bellen und manche fangen sogar an, mit dem Schwanz zu wedeln. Je größer die Meute ist, desto schwieriger ist es, sie zu beruhigen. Dann müssen sie sich ja gegenseitig beweisen, dass sie es sind, die die „böse Radfahrerin“ verjagt haben. In diesem Fall: runterbücken und einen Stein aufheben. Das wirkt fast immer. Manchmal sieht man auch Kampfhunde – glücklicherweise immer an der Leine – ich weiss nicht, wie ich reagiere, wenn mich so eine Bestie verfolgt.
Neben Hunden hatte ich vergangene Woche auch viele Begegnungen mit Kühen – die waren aber harmlos. Die Kühe hier sind auch etwas zarter gebaut als die Exemplare, denen man auf österreichischen Wanderwegen so über den Weg läuft. Nur vor den Stieren hab ich Respekt: auch die sieht man immer wieder, wenn man so durch die Wiesen fährt. Und wenn dann einer anfängt, mit den Hufen zu scharren und den Kopf zu senken: ganz langsam vorbeifahren und gut zureden (ich bin jetzt bald diplomierte Hunde- und Stierflüsterin 🙂 )
Auf einer stark befahrenen Straße habe ich dann noch eine Beobachtung gemacht, die faszinierend und abstoßend gleichzeitig war: eine in allen Grüntönen schillernde, ca. 20 cm lange Echse ist gerade überfahren worden. Sie hat noch ihre Beine bewegt und ihr Bauch war aufgeplatzt und aus diesem Bauch kamen lauter kleine Echsen gekrochen und sind in alle Richtungen auseinander gelaufen. Was für ein Anblick – ich konnte aber nur kurz hinschauen und bin gleich weiter gefahren.
In Gori, der Geburtsstadt Stalins kann man dessen Geburtshaus und das Stalinmuseum (sehr informativ) besichtigen, was ich auch tat. Man merkt aber einen Riesenkontrast zu Tiflis – während die Hauptstadt sehr lebendig und modern ist, hatte ich in Gori das Gefühl, noch immer im Ostblock zu sein. Abgesehen von den vielen hässlichen Gebäuden (Plattenbauten), hatten auch die Menschen die Ostblockmentalität irgendwie noch nicht abgelegt („der Staat tut so, als ob er mich bezahlen würde, dafür tu ich so, als ob ich arbeiten würde“). Fast könnte man meinen, der Geist Stalins verhindert, dass hier was weiter geht.
Das Radfahren vergangene Woche war einerseits extrem anstrengend (den ganzen Tag Sonne bei 32 Grad Tageshöchsttemperatur) auf Schotterpisten mit etlichen Höhenmetern. Jedes Auto hat eine Staubwolke aufgewirbelt – auf meiner Haut war eine gschmackige Mischung aus Sonnencreme, Schweiß und Staub. Gleich nach der Ankunft im Hotel: rein in die Dusche. Auch die ganze Kleidung habe ich gleich in die Dusche geschmissen, um den ärgsten Dreck abzuwaschen. Im Waschbecken dann der 2. Waschgang mit Seife – dann aufhängen (entweder in der Dusche oder am Balkon, falls es einen gab) – am nächsten Morgen war alles trocken und bereit für den nächsten Radlertag. Andererseits gab es auch sehr schöne Etappen auf wenig befahrenen Asphaltstraßen mit Blick auf Burgen oder Klöster am Berg, teilweise sogar mit leichtem Rückenwind vorbei an Wiesen mit einer Blumenvielfalt, wie man sie in Österreich, wo alles weggedüngt wird, nicht mehr sieht. Ein Paradies für Bienen und Co.
Während des Radfahrens esse ich nichts (ich frühstücke dafür ausgiebig), aber trinken ist wichtig und so kaufe ich unterwegs auch Wasser in kleinen Ortschaften, wo es Mini-Supermärkte gibt, nach. Wenn ich in so einen Supermarkt reinkomme, so falle ich natürlich auf (wegen meinem Radler-Outfit und auch, weil ich blond und hellhäutig bin). Ich hör dann die Leute immer tuscheln – irgendeiner fragt dann, woher ich komme. „Österreich“ antworte ich. „Und du bist mit dem Fahrrad aus Österreich hierher gekommen?“ „Ja“. Dann schauen mich alle an, als ob ich eine Außerirdische wäre. Und die nächste Frage lautet immer: „Wie alt bist du?“ „60“. Dann diskutieren sie – sie schauen mich an – sie schauen das Rad an. Und dann krieg ich fast immer ein Geschenk: entweder Obst oder ein Eis oder einen Schokoriegel oder ein Stück Kuchen und dazu ein „Daumen hoch“ oder ein „Super“ und ein anerkennendes Nicken. Madloba (Danke).
Ich bin dann immer weiter in die Berge raufgefahren und schlussendlich im Kleinen Kaukasus angekommen. Jetzt war es Zeit, die Bergschuhe auszupacken und ein paar Touren zu machen. Der Kaukasus ist ja die Heimat der Nordmanntannen – hier werden die Tannenzapfen geerntet und nach Westeuropa exportiert. Aus 1 kg Tannenzapfen (ca. 20 Stk.) gewinnt man den Samen für 4000 Weihnachtsbäume.
Und heute bin ich in Vardzia, einer Höhlenstadt, nicht all zu weit von der armenischen Grenze entfernt, eingetroffen. Näheres dazu im nächsten Beitrag.















