Die vergangene Radwoche führte mich von Amantea über Pizzo, Tropea und Palmi zur „Zehenspitze“ Italiens, nach Villa San Giovanni. Dabei war wieder eine Menge an Höhenmetern mit etlichen knackigen Anstiegen zu bewältigen.
Ich habe einige Radler-Blogs gelesen, in welchen eine ganz unangenehme Sache erwähnt wird, nämlich Fahrten durch unbeleuchtete, enge, niedrige Tunnelröhren ohne Rettungsbuchten. Speziell im Osten der Türkei dürften diese öfters vorkommen – die Radler, die unterwegs sind in den Iran schildern in ihren Berichten diese Horrorfahrten (ständig die Angst, dass man von den Autofahrern nicht gesehen wird und gerade wenn ein LKW im Anmarsch ist, hilft oft nur noch stehenzubleiben und sich an die Tunnelwand zu pressen und zu warten, bis der Spuk vorbei ist) – nur davon zu lesen hat bei mir bereits ein Gefühl der Beklemmung ausgelöst.
Komoot lotst mich ja – so weit wie möglich – über Nebenstraßen, Feldwege oder Radwege (den letzten Radweg habe ich südlich von Neapel gesehen – vor ca. 650km). Es kommt aber immer wieder vor, dass Straßen gesperrt sind und dann muss man eben auf die Bundesstraße ausweichen. Und so kam ich diese Woche auch in den „Genuss“ einiger Tunnelfahrten.
Bei der Einfahrt ist die Länge vermerkt – beim 1. Tunnel stand: 1200 m. Ah, das kann nicht so schlimm sein, hab ich mir gedacht: das ist ein guter Kilometer und der ist ja schnell vorbei. Aber wenn man einmal in diesem finsteren Loch drinnen ist (ab und zu ist so ein Funserl Licht an der Decke), kein Platz zum Ausweichen – rechts neben dem Fahrstreifen ist die Wand, dann wird aus einem Kilometer eine halbe Ewigkeit. Und dann seh ich im Rückspiegel, dass ein LKW daherkommt. Sieht der mich eh? Ich habe zwar eine gute Beleuchtung und auf den Packtaschen befinden sich reflektierende Logos. Okay, er hat mich gesehen (sonst würde ich wahrscheinlich nicht mehr hier sitzen), hat aber voll gehupt und dieses durch den Tunnel verzerrte und extrem laute Hupgeräusch des fetten Brummers war der ärgste Horror. Aber endlich war er weg und irgendwann waren die 1200m auch geschafft. Halleluja!
Grad als ich glaubte aufatmen zu können kommt der nächste Tunnel mit 900m Länge. Okay, jetzt heisst es aufrüsten – das Wichtigste ist, dass man gesehen wird und auffällt. In einem B+B hat mir der Besitzer scotchlite Reflektorbänder (die man mittels Schalter blinken lassen kann) geschenkt. Die Bänder habe ich an den Oberarmen angebracht (an den Wadln hat’s keinen Sinn, weil die werden durch die Packtaschen verdeckt), die Blinklichter eingeschaltet und rein ins finstere Loch. Und wer glaubt, dass die LKWs nicht zu toppen sind, der liegt falsch. Schon von weitem zu sehen und unüberhörbar: ein Rettungsfahrzeug mit Blaulicht und Folgetonhorn nähert sich von hinten in einem Höllentempo. Dieser Folgeton ist schon ausserhalb eines Tunnels sehr unangenehm und grell – im engen Tunnel wird der Ton verzerrt und in Kombination mit dem Blaulicht und dem Karacho, in dem das Fahrzeug unterwegs war und nah an mir vorbeigezogen ist, erzeugte er enormen Stress.
Es kam dann noch ein weiterer Tunnel und erst nachdem ich die Bundesstraße verlassen hatte und gemütlich am lungomare entlangradelte, liess die extreme Anspannung nach.
Es gäbe natürlich auch bei den Tunnelfahrten einen Plan B: umdrehen bevor man in die Röhre reinfährt und zurück zum nächstgelegenen Bahnhof und ein paar Stationen mit dem Zug fahren. Der muss zwar auch durch einen Tunnel, mit dem Zug ist das aber allemal entspannter.
Eine andere, sehr traurige Geschichte ist der viele Müll. Einerseits sind es leere Plastik/Glasflaschen, Getränkedosen und Zigarettenpackungen, die offensichtlich nach der Konsumation einfach aus dem Auto geworfen werden. Außerdem komme ich immer wieder an total vermüllten Plätzen mit alten Möbeln, ausrangierten Haushaltsgeräten, Autoreifen,…. vorbei.
Ich frage mich dann, wie es möglich ist, dass die Italiener, die ja für tolle Mode und exklusives Design stehen und daher sicher Sinn für Ästhetik haben dies zulassen. Ich habe z.B. einen gut gekleideten Mann beobachtet, der grad aus seinem SUV ausstieg und dabei eine leere Plastikflasche fallen liess. Hört der Sinn für Ästhetik auf, sobald das eigene Heim oder das eigene Auto verlassen werden? Machen sie es, weil es die anderen ja auch machen? Es gibt einen tollen Animationsfilm: Wall-E, der Letzte räumt die Erde auf. An diesen Film muss ich hier oft denken. Dabei soll er Utopie sein – hier wird er stellenweise in den nächsten 10-20 Jahren Realität werden. Greta, du hast noch viel zu tun!
Jetzt aber auch was Positives: gestern bin ich über weite Strecken nur auf Feldwegen gefahren entlang von Mandarinenplantagen. Ich musste nur die Hand ausstrecken und die süßen, saftigen Früchte pflücken und genießen – ich habe sicher 1 Kilo verdrückt. Ewig lang bin ich keiner Menschenseele begegnet – irgendwann kam ein Traktor mit 2 Männern daher: die haben mich groß angeschaut und sich wahrscheinlich gewundert, was ich mit dem voll bepackten Rad in ihrem Feld mache. Ich habe ihnen freundlich zugewunken und sie haben zurückgewunken.
Über meine ganz speziellen Freunde, die Hunde kann ich auch noch was berichten: Ich hab sie nämlich durchschaut.
Es gibt 3 Arten:
1) die Wohlerzogenen: die liegen vor dem Haus und sind ganz cool. Die ignorieren mich nicht einmal, wenn ich vorbeifahre. Werden wahrscheinlich erst aktiv, wenn man das Grundstück betritt.
2) die ohne Erziehung: lautes, aggressives Gebell und ständiges Hin-und Herlaufen hinter dem Gartenzaun und manche drehen sprichwörtlich durch. Sie laufen nämlich bis zum letzten Eck im Garten, um mich zu verfolgen und dann drehen sie sich ganz schnell im Kreis. Verrückt.
3) die Streuner: sind normalerweise harmlos. Liegen irgendwo am Straßenrand herum.
Und heute ist mir folgendes passiert: Ich war auf einer steilen Nebenstraße unterwegs und hab das Rad geschoben. Am Straßenrand lagen 2 Streuner, die harmlos gewirkt haben und nicht gebellt haben. Dann kam ein Bauernhof (mit Zaun) und hinter dem Zaun waren 3 Hunde ohne Erziehung. Lautes aggressives Gebell und offensichtlich irgendwo ein Tor, das nicht geschlossen war. Ich hab das Rad weiter bergauf geschoben (es war zu steil, um zu fahren) und plötzlich waren 5 Hunde hinter mir her. Die beiden Streuner, diese Opportunisten, haben sich den 3 aggressiven Viechern angeschlossen und mir kam es so vor, als ob sie beschlossen hätten: „Die machen wir fertig“. Ich habe einmal ein Buch gelesen über Wölfe, wie sie im Rudel jagen und welche Rolle die einzelnen Tiere übernehmen. Ich bin einfach weitergegangen und hab versucht, sie zu ignorieren. Mittlerweile war der größte und aggressivste Hund rechts vor mir (zwischen ihm und mir war das Rad), der zweite große Hund war links hinter mir und die restliche Meute hinten nach. Alle haben laut gebellt. Mein Puls war irgendwo. Es hat so gewirkt, als ob sie mich einkreisen wollen (so machen es zumindest die Wölfe). Scheisse! Wo ist der Plan B? Okay, einen Versuch ist es wert: ich bück mich runter und tu so, als ob ich einen Stein aufheben und diesen nach den Hunden werfen würde. Die beiden großen Hunde sind stehen geblieben (noch immer laut bellend), die 3 anderen sind tatsächlich ein Stück zurückgelaufen. Also noch mal: runterbücken, einen imaginären Stein aufheben und nach den Hunden werfen. Und noch ein paar mal und dann haben sie mich, noch immer unter lautem Gebell, zumindest nicht mehr verfolgt, sondern sind stehen geblieben. Hätte der Plan mit den imaginären Steinen nicht funktioniert, so hätte ich das Fahrrad umgedreht, wäre aufgestiegen und bergab den Weg zurückgefahren, den ich gekommen bin. Dabei hätte ich sie rasch abgehängt, aber das wäre keine Lösung gewesen, weil ich ja über diesen Berg drüber musste und da gab es nur diese Straße.
Während ich mich hier mit den Hunden rumschlage, hat Brigitte (ihr wisst schon, die Schweizerin im südlichen Afrika) ein Affentheater. Sie schreibt mir, dass die Affen immer neben ihr her rennen und „mitreiten“ wollen. Ein oder zwei Affen am Gepäckträger hätten sicher Platz! Sie ist übrigens mittlerweile in Sambia bei den Victoriafällen und schickt mir ein Foto, auf welchem sie alleine vor den herabstürzenden Wassermassen steht. Normalerweise stehen dort Unmengen an Touristen – coronabedingt ist aber nichts los.
Ich werde heute und morgen etwas verschnaufen, dann geht es mit der Fähre rüber nach Sizilien.
karin fennes sagt:
Hi, du tapfere Stramplerin
die Tunnels klingen für mich wie blanker Horror. An den Müll wirst du dich gewöhnen… der wird dich in einigen Ländern begleiten. Mir war aber nicht bewusst, dass dieses Problem schon in Italien beginnt…. kein Licht ohne Schatten.
Aber die Mandarinenbäume entlang der Strecke sind natürlich ein tolles feature… und der Hundetrick funktioniert auch noch immer 😉.
So spannend, deine Berichte.
Take care
Karin
21.02.2022 — 6:00 pm
Monika sagt:
Danke Karin. Ich hab mir auch nicht vorstellen können, dass ein EU-Land so vermüllt sein kann. Lg, Monika
22.02.2022 — 9:17 am