Meine Fahrradweltreise

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SCHWEIN GEHABT!

Vergangenen Freitag, den 13.5. habe ich mich am Nachmittag zum Hafen in Burgas aufgemacht. Ich habe zwar einen Platz auf der Fähre nach Batumi reserviert gehabt, Bezahlung (nur cash) und Abholung des Tickets bzw. des Boarding Passes mussten in einem Büro am Hafengelände erledigt werden. Das war schnell geschafft – 190,00 EUR für mich und 20,00 EUR für das Rad – inkludiert war ein Bett in einer 4-er Kabine und Vollpension für die nächsten 2 Tage bzw. 3 Nächte. Der Mann am Ticketschalter hat mich noch einmal extra darauf hingewiesen, dass ich meine Kabine mit 3 anderen Personen teilen muss „It‘s like a Hostel“. Dann ging es weiter Richtung Fähre – bei einem Container wurden noch Pass und Boarding Pass kontrolliert und dann konnte ich das Rad die Rampe raufschieben. 

Ich war extrem gespannt, was da auf mich zukommt. In einigen Blogs habe ich von wilden Wodka-Saufgelagen der Fernfahrer, die hauptsächlich auf dieser Fähre unterwegs sind,  gelesen. Die Rezeptionistin hat mir die Kabine No. 307 zugewiesen mit dem Hinweis, dass ich diese höchstwahrscheinlich mit 3 Fernfahrern teilen müsse. „Okay, I can handle that“ hab ich geantwortet und dann aber noch hinzugefügt, dass – sollte noch eine andere Frau einchecken – sie diese gerne bei mir in der Kabine unterbringen kann. Sie hat gesagt, sie wird schauen, was sich machen lässt.

Ich habe dann die kleine, ziemlich enge Kabine (2 Stockbetten, 1 kleiner Tisch + Badezimmer) bezogen und gleich mein Bett rechts unten mit meinen Sachen belegt. Dann hat sich lange Zeit nix getan – in der Zwischenzeit ist ein fetter Brummer nach dem anderen auf die Fähre gefahren – die Räder der Fahrzeuge wurden noch mit im Boden verankerten Ketten fixiert. Von meinem Deck aus (das ich erst wieder beim Auschecken verlassen darf) liess sich das Herummanövrieren und zentimetergenaue Einparken der 40-Tonner auf den unteren Decks fasziniert verfolgen.

Dann gab es Abendessen – man musste sich bei der Essensausgabe anstellen und hat 1 Teller mit Huhn, Reis und  Salat + 1 Apfel bekommen (Sonderwünsche bezüglich Essen konnte man nicht deponieren). Wasser und Fruchtsäfte gab es zur freien Entnahme. Als ich mich anstellte, standen ca. 7 Fernfahrer vor mir und siehe da, alle haben einen Schritt auf die Seite gemacht und mir signalisiert, dass ich – nach dem Motto „Ladies First“ – vor gehen soll. Na, da hab ich geschaut! Dass diese hartgesottenen, kaukasischen Typen so galant sein können. Nach dem Essen bin ich in die Kabine, um zu checken, ob schon jemand anderer eingezogen ist. Nix – vielleicht kommt ja niemand mehr? Aber die Beladung der Fähre war noch längst nicht abgeschlossen – das Schiff wird wahrscheinlich erst gegen Mitternacht ablegen.

Um 21:00 Uhr – ich hatte die Kabine noch immer für mich allein – bin ich ins Bad zum Zähneputzen und Fertigmachen für die Nacht und dann höre ich, wie die Kabinentür geöffnet wird. Ich schau raus aus dem Badezimmer und wer steht da? Manoi aus Hongkong und Julien aus Grenoble, die beiden Rucksacktouristen, die ich im Bus von Belgrad nach Sofia kennengelernt hatte. Was haben wir uns gefreut!  Und viel gelacht. „We did not know, that you are a truck driver“ haben sie augenzwinkernd gemeint (auch ihnen wurde gesagt, dass sie die Kabine mit Fernfahrern teilen müssen). Ein Bett war  noch frei – es konnte also durchaus sein, dass doch noch ein Fernfahrer kommt. Der 4. im Bunde war dann aber ein Physiker – Oliver aus der Nähe von München, der mit seinem zum Wohnmobil umgebauten Pick Up die nächsten 3 Monate in Georgien unterwegs sein wird und sein Sabbatical geniesst. 

Damit waren wir vollzählig und wir 4 waren auch die einzigen Touristen an Board. Neben der überwiegenden Mehrheit an Fernfahrern (schätzungsweise 70), waren auch ukrainische Flüchtlinge auf der Fähre. 2 Frauen aus Irpin (sie haben mir erzählt, dass die Stadt zu 75% zerbombt ist) wollen nach Batumi, weil dort der Gatte der einen Ukrainerin arbeitet. Ausserdem noch eine Mutter mit ihren 12-jährigen Zwillingen und einem süßen Schoßhündchen. Sie kommen aus Odessa und waren die letzten 2 Monate in Chisinau/Moldawien und reisen jetzt weiter zur in Georgien lebenden Schwester der Frau. Bei den Kindern hatte ich das Gefühl, dass sie das Ganze als aufregende Urlaubsreise betrachten – eh gut so.

Die 1. Nacht auf der Fähre habe ich sehr schlecht geschlafen – gut eingeschlafen bin ich erst irgendwann am Morgen, sodass ich fast das Frühstück verschlafen hätte. Es gab nämlich fixe Essenszeiten: Frühstück von 08:00 – 09:00, Mittagessen von 12:00 – 13:00 und Abendessen von 18:00 – 19:00. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt. Zu Mittag und am Abend gab es immer Huhn (in verschiedensten Ausführungen) mit Beilage und Salat – immer sehr lecker zubereitet und als Dessert immer 1 Stück Obst.

Das Meer war total ruhig – man hat kaum gemerkt, dass man auf einem Schiff ist – auch das Motorengeräusch war kaum wahrnehmbar. Fernfahrer haben uns dann aber erzählt, dass sie schon bei stürmischer See über das Schwarze Meer gefahren sind und das ist dann so schlimm, dass die meisten nur in der Kabine herumliegen und schauen, dass sie die Überfahrt irgendwie überstehen.

Samstag Nachmittag – eine Gruppe Fernfahrer (lauter Georgier) steht an Deck beisammen, alle trinken Wodka und sind gut drauf: ich frage sie, ob ich sie fotografieren darf. Na klar! Also ein Foto gemacht, dafür muss ich aber einen Becher Wodka mit ihnen trinken. Und damit war das Eis gebrochen. Bei einem Becher ist es natürlich nicht geblieben. Später haben sich Manoi, Julien und Oliver dazugesellt. Die Fernfahrer haben uns erzählt, dass sie immer 6-8 Wochen in Westeuropa unterwegs sind, bevor sie dann ein paar Tage bei ihren Familien in Georgien verbringen. In diesen 6-8 Wochen leben sie in den LKW‘s, sie verbringen die Wochenenden auf Autobahnraststätten (am Wochenende ist Fahrverbot) – sie kochen sich etwas auf ihren mitgebrachten Kochern (immer essen gehen in Westeuropa könnten sie sich nicht leisten). Was ist das für ein Leben?!!! Sie verdienen zwar ganz gut für georgische Verhältnisse, aber wenn die in Pension gehen, sind sie ein Wrack. Wirbelsäule kaputt – die meisten sind sehr starke Raucher – ich kann mir vorstellen, welche Lebenserwartung sie haben. Sie erzählen auch, dass bereits einige ihrer Trucker-Freunde bei Verkehrsunfällen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ums Leben gekommen sind. 

Aber auf der Fähre ist das Zusammentreffen für alle immer eine große Freude und daher wird das mit Unmengen an Wodka und Bier gefeiert. Und jedes mal muss ein Toast ausgesprochen werden: einmal auf die Freundschaft, einmal auf die Vergangenheit, einmal auf die Zukunft, 5x auf den Frieden, 5x auf die Ukraine, mindestens 10x auf den Patriarchen der georgisch orthodoxen Kirche (die Georgier sind sehr gläubig). Ukraine ist ein Riesenthema, alle hassen Putin und ein bisschen  kann man die Angst raushören, dass sie die nächsten sein könnten, sollte Putin‘s Appetit nicht gestillt sein. 

Ganz und gar nicht verstehen können sie, warum ich als Frau mit dem Rad um die Welt fahre. Das packen sie überhaupt nicht. Ich sollte doch zu Haus bei Mann und Kindern sein! Sie wollen mich auch gleich mit einem der Fahrer verkuppeln – der Betreffende hatte auch gar nix dagegen – nur ich war nicht so begeistert.

Julien hat aus Bulgarien ein paar Flaschen Wein mitgebracht – der wird jetzt auch noch vernichtet. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je so viel getrunken habe. Das Komische war: es hat mir nix ausgemacht. Normalerweise spüre ich den Alkohol nach 2 Gläsern Wein – diesmal habe ich Unmengen an Wodka und dann auch noch Wein getrunken. Ich war vollkommen klar. Dann noch Bruderschaft Trinken – jedesmal einen Becher voll Wodka ex und dann noch 3 Schmatze auf die Wange. Und eine Zigarette! Ich – als Nichtraucherin! 

Dafür habe ich wunderbar geschlafen. Dann der nächste Morgen: mir geht es bestens. Kein Kater. Als ich aufstehe, sind Manoi und Oliver schon beim Frühstück – Julien liegt noch im Bett. Im Speisesaal frage ich die beiden, wie es ihnen geht nach diesem Saufgelage. Manoi meint, dass es ganz okay ist – sie hat nicht so viel getrunken. Oliver hat schon 2 Aspirin geschluckt und trinkt grad seinen 2. Kaffee: jetzt geht es so halbwegs. Julien hat es arg erwischt – er hat Bier, Wein und Wodka durcheinander getrunken und liegt mit schlimmen Kopf- und Magenschmerzen in der abgedunkelten Kabine. Bis Mittag hat er sich aber so halbwegs erholt.

Oliver erzählt, dass die Fernfahrer, die mit uns gesoffen haben und die sich zum Schluss kaum noch auf den Beinen halten konnten, alle um Punkt 08:00 beim Frühstück waren. Mittlerweile haben sie sich aber wieder in ihre Kabinen zurückgezogen – das strahlende Sonnenlicht an Deck dürfte doch noch zu viel für sie sein.

Sonntag wurde nicht mehr getrunken, denn am Montag hieß es: sehr früh aufstehen. Frühstück war um 04:00, um 04:30 haben wir die Pässe ausgehändigt bekommen (die wurden beim Check-in einbehalten). Die Fähre lag bereits im Hafen von Batumi und Mitarbeiter der georgischen Einreisebehörden kamen an Board, sodass die Einreiseformalitäten sehr rasch erledigt waren.

Dann hieß es Abschied nehmen – aber wir bleiben in Kontakt.

Das 1. in einem neuen Land ist immer: SIM Card kaufen. Also bin ich um ca. 06:00 ins Zentrum von Batumi (2. größte Stadt Georgiens) gefahren – dort war noch alles verschlafen. Ich hab ewig lang nach einem geöffneten Kaffeehaus gesucht – endlich ein türkisches Lokal entdeckt, das schon offen hatte. Die hatten glücklicherweise auch WLAN (die Geschäfte, in welchen man SIM Karten kaufen konnten, öffneten erst um 10:00), sodass ich meine 1. Tagesetappe für Georgien planen konnte. Und nachdem es auf der Fähre kein WLAN gab, auch Mails, Nachrichten, Wetter, Hotel für die kommende Nacht checken. Um 10:00 habe ich noch schnell die SIM Card gekauft, beim Bankomaten 150 Lari behoben (hier kann man auswählen, ob man sich Lari oder USD auszahlen lässt) und dann ging es raus aus der Stadt Richtung Norden. Zuerst viel Verkehr, keine Radwege, nicht sehr angenehm zu fahren, dann kommt noch ein Tunnel. Keine Angabe, wie lang er ist. Aber dafür ist er gut beleuchtet und schön breit. Und es gibt eine Art Gehsteig, auf dem ich entlang fahren kann. Also halb so schlimm. 

Und dann geht es glücklicherweise auf einer nicht so stark befahrenen Nebenstraße weiter. Was mir auffällt: es gibt extrem viele Straßenhunde und sehr viele Kühe, die immer wieder auch auf der Straße herumstehen, sodass Verkehrsteilnehmer zu Ausweichmanövern gezwungen werden.

Schon bald erreiche ich mein Etappenziel und checke im Hotel am Meer ein. 

Für den nächsten Tag plane ich eine längere Strecke: 85 km und 950 Höhenmeter ins Landesinnere. Es ist sonnig und es geht am Anfang recht flott dahin, zuerst noch Asphalt und eben, dann aber biege ich ab in einen Feldweg. Sehe viele Kühe (teilweise ist ein Hirte bei ihnen), werde bei den einsamen Gehöften von den Hunden verfolgt und fahre dann schön langsam rauf in die Berge (oder eher Hügel, weil ich an diesem Tag auf maximal 280 m komme). Vor den verstreut liegenden Häusern sieht man viele Schweine, die freundlich und zufrieden grunzen, wenn sie einen sehen. Ab und zu stehen ein paar Ferkel am Straßenrand, die laut quiekend auseinanderstoben, wenn man sich ihnen nähert. Aber lauter glückliche Schweine, die sich im Schlamm suhlen und mit dem Rüssel die Erde durchwühlen dürfen. 

Die Straßen, die mir Komoot vorschlägt, sind auf weiten Strecken nicht asphaltiert, sondern es sind so richtige Gravel-Pisten. Extrem anstrengend zu befahren und wenn es steil bergauf geht, muss ich das Rad ja schieben. Dann wird das richtig heavy: die linke Hand am Lenker schiebt, die rechte Hand am Sattel zieht – ich hab das Gefühl, ich muss 100kg den Berg raufschieben.

Wenn ich in diesen abgelegenen Gebieten Menschen treffe, so grüße ich immer mit einem freundlichen „Hallo“. So auch bei einem Haus am Hügel, wo ein Mann im Garten steht und der ruft zurück: „Bist du Russin?“ „Oder Deutsche?“ Ich kann natürlich nicht georgisch, verstehe aber, was er meint und die Ausdrücke „russkiy“ und „nemetskiy“ verstehe ich wohl. Also lautet meine Antwort: no, Austria, Vienna. Voller Begeisterung fragt er mich, ob er mich auf einen Wodka ins Haus einladen darf. Also Wodka eher nicht (dieser Bedarf ist seit der Fährfahrt bis an mein Lebensende gedeckt), aber einen guten türkischen Kaffee – da tät ich nicht nein sagen. Also folge ich Giorgi  ins Haus – neugierig zu sehen, wie die hier wohnen. Alles proper – ich nehme am Küchentisch Platz, während er das Wasser am Gasherd zum Kochen bringt. Aus dem Küchenkastl holt er ein paar Kekse, die er mir hinstellt. Außerdem schenkt er mir aus einem Krug Wasser ein. Das ist sicher Leitungswasser. „Das kannst ruhig trinken“ meint er. Und auch er schenkt sich ein Glas ein und macht einen kräftigen Schluck. „Ach, was soll’s. Ein Schluck wird mich schon nicht umbringen.“ Ein paar Stunden später schon sollte ich dies bitter bereuen.

In der Zwischenzeit war auch der Kaffee fertig – der hat ausgezeichnet geschmeckt, ausserdem habe ich alle Kekse verdrückt. 

Schön langsam musste ich aber wieder weiter – ich hatte noch eine lange Strecke vor mir. Vielen Dank für den guten Kaffee und weiter gehts mit dem Rad den nächsten Anstieg bewältigen.

Ich war dann auf einer sehr schönen, asphaltierten Nebenstraße unterwegs, als ein Auto anhält und mich der Fahrer fragt, wohin ich fahre. „Samtredia“ antworte ich.  Dann kannst du hier nicht fahren – du musst zurück auf die Bundesstraße und dort weiter fahren. Und warum? Er gibt mir zu verstehen (mit gekreuzten Händen), dass diese Straße hier gesperrt ist. Dann fährt er weiter. Was soll ich jetzt tun? Ich hab keinen Bock auf die stark befahrene Bundesstraße. Sowohl in Kroatien, als auch in Serbien habe ich die Erfahrung gemacht, dass gesperrte Straßen zwar nicht von Autos passiert werden können – Fußgänger und Radfahrer können diese Sperren aber meistens passieren. Ich fahr einfach weiter und tatsächlich: da ist eine eingestürzte Brücke. Das Bacherl darunter führt fast kein Wasser und es führt ein schöner Weg runter und auf der anderen Seite wieder rauf- also kein Problem, mit dem Rad durch zu fahren.

Eine sehr schräge Hundebegegnung hatte ich auch: Schon von weitem sah ich in einem Garten einen riesigen Hund, der laut zu bellen anfing, als er mich daherkommen sah. Es war aber überall Zaun – ich fühlte mich ziemlich sicher. Dann  nimmt dieses Vieh einen Anlauf und springt  mit einem Satz über den Zaun und war schon fast bei mir, als die Besitzerin ihn zurückpfiff. Der Hund dreht um und springt wieder mit einem Satz zurück in den Garten. Na, da hab ich geschaut!

Ein paar Stunden nachdem ich bei Giorgi zu Gast war, habe ich germerkt, dass ich total müde und auch schwach bin. Ich hatte den letzten Anstieg (200hm) auf einer schlimmen Schotterpiste vor mir – nach dem Anstieg würde es nur noch bergab bzw. eben dahingehen (noch 35km bis Samtredia, wo ich ein Hotel gebucht hatte). Zuerst wollte ich mir noch einreden, dass das warme Wetter und die herausfordernden Pisten Schuld an meinem Schwächeanfall sind. Dann ist mir heiss und kalt gleichzeitig geworden und in meinem Bauch hat’s zu rumoren begonnen. Ich hab mich dann einmal unter einen schattigen Baum gesetzt und mich maßlos über mich geärgert. Das darf jetzt nicht wahr sein! So ein Sch….!

Gerade ich hätte wissen müssen, dass ein kleiner Schluck Leitungswasser ausreicht, um einen ernsthaft krank zu machen. Vor 40 Jahren haben mich 2 Kugeln Eis, die ich an einem Eisstand in einer kleinen Stadt auf Sumatra konsumiert habe (und die ausgezeichnet geschmeckt haben) in ein Delirium katapultiert, aus dem ich erst 1 Woche später (total abgemagert) wieder rausgefunden habe. 

Ärgern bringt jetzt auch nix – ich muss schauen, dass ich mir Hilfe organisiere. Das nächste Auto, das vorbeikommt, werde ich anhalten. Und schon höre ich ein Motorengeräusch – es ist eine ziemliche Rostschüssel, die daherkommt, aber groß genug, dass man das Rad irgendwie im Kofferraum unterbringen kann. Der Fahrer, ein Mann mittleren Alters, schaut mich fragend an.

„Do you speak english?“ „A little bit“ Gut, das macht’s einfacher. Ich sag ihm, dass ich krank bin und nicht weiterfahren kann und ob er mich (mitsamt Rad) in die 35km entfernte Stadt Samtredia bringen kann. Ich zahl natürlich auch. Er sagt, dass er in eine näher gelegene Stadt unterwegs ist, wo er was zu erledigen hat und in dieser Stadt gibt es auch ein Hotel. Das ist eine gute Idee – das Hotel in Samtredia kann ich noch immer stornieren. Das Rad verstaut er irgendwie im Kofferraum – die Packtaschen auf der Rückbank – also auf in die nahe gelegene Stadt. Wir kommen am Hauptplatz an – er sagt, ich soll im Auto warten – er checkt, ob ein Zimmer frei ist. 2 Minuten später ist er zurück – das Hotel ist wegen Renovierung geschlossen. Am Hauptplatz stehen auch ein paar Taxis – ich bitte ihn, die Taxler zu fragen, ob einer von ihnen bereit ist, mich und das Rad nach Samtredia zu bringen. Ein Taxler ist bereit – er muss dafür aber erst von zuhause einen Dachträger holen, das dauert ca. 5 Minuten. Kein Problem – ich gehe in der Zwischenzeit im Restaurant nebenan aufs Klo. Der Taxler kommt zurück mit Dachträger – das Rad wird darauf festgemacht, Packtaschen rein in den Kofferraum und dann gehts ab nach Samtredia. Zuerst auf einer wilden Schotterpiste, dann endlich auf die Autobahn, auf der ich einen Mann und einen ca. 6 Jahre alten Buben mit Fahrrädern fahren sah. Sehr schräg. 

Endlich im Hotel – ich habe mir nur noch 1 Mineralwasser und 1 Cola im Supermarkt nebenan gekauft, das war mein Abendessen.  Und dann ab ins Bett. Ich war todmüde.

Am nächsten Tag war ich zwar noch immer etwas mau, aber im Großen und Ganzen habe ich mich wieder fit gefühlt. Also hat es mich diesmal bei weitem nicht so schlimm wie vor 40 Jahren erwischt – noch einmal Glück gehabt!  Ich habe sogar ein bisschen was gefrühstückt und dann beschlossen, mit dem Rad weiter nach Kutaissi zu fahren. Das sind nur 35 km und alles eben auf Asphalt.

In Kutaissi habe ich dann eine wirklich schöne, sehr ruhig und idyllisch gelegene Unterkunft bezogen und beschlossen, ein paar Tage hier zu bleiben und auszurasten. Und das tue ich jetzt.

Rauf gehts auf die Fähre
Die Kabine für die nächsten 3 Nächte
Schön langsam füllt sich das Deck (beim LKW vorne links sieht man die Kette, die vom Hinterrad zur Bodenverankerung führt)
Jetzt sind alle eingeparkt
Die georgischen Fernfahrer
Hier sieht man auch Manoi, Julien und Oliver
Das Saufgelage beginnt
Zeitvertreib mit Backgammon Spielen
Batumi
Meine 1. Tunnelfahrt in Georgien
Weiter gehts über einen Feldweg
Der Kuhhirte hat sich sehr gewundert, was ich da in der Pampa mach
Ein zufrieden grunzendes Schwein
Und noch eins
Dieser Mann hat sofort seinen Apfel mit mir geteilt, als er mich den Berg heraufkommen sah
Haus von Giorgi
Bei Giorgi auf einen Kaffee
Weiter gehts über den nächsten Hügel
Das lässt sich leicht durchqueren, auch wenn die Brücke weggerissen wurde
Immer wieder Kühe auf der Fahrbahn
Man sieht viele Kleintransporter, die früher in Deutschland unterwegs waren (noch mit dt. Firmenlogos und Kontaktdaten versehen)
Hier gibts auch Fahrräder
Kathedrale in Kutaissi
Auf ein Kartenspiel am Straßenrand
Kutaissi
Kutaissi
Tolle Graffiti in Kutaissi
Kutaissi

JA ODER NEIN – DAS IST HIER DIE FRAGE

Vergangene Woche führte mich von Osijek über Vukovar weiter über die Donau (kroatisch-serbische Grenze) nach Novi Sad. Von dort ging es dann mit Zug/Bus/Zug bis Burgas (BG), wo ich gestern angekommen bin.

Gleich nachdem ich Osijek verlassen hatte, ist mir aufgefallen, dass alle Ortstafeln und Strassennamen sowohl in lateinischer als auch in kyrillischer Schrift angegeben waren. Vukovar war mir bis dato als Kriegsschauplatz während des Jugoslawienkriegs in Erinnerung und schon bei der Einfahrt in die Stadt wird man auf schockierende Weise darauf aufmerksam gemacht. 

Abgesehen von vielen Häusern mit Einschusslöchern steht dort noch immer das völlig zerbombte Bahnhofsgebäude als Mahnmal gegen den Krieg. Ich fühlte mich an die aktuellen Bilder aus der Ukraine erinnert. Vukovar wurde im Herbst 1991 drei  Monate lang belagert und die Zivilbevölkerung hat sich teilweise im örtlichen Krankenhaus verschanzt. Viele von ihnen wurden ermordet – sowohl die Serben, als auch die Kroaten haben in dieser Gegend schreckliche Kriegsverbrechen begangen und erst der Friedensvertrag von Erdut hat einen (ziemlich fragilen) Frieden für Ostslawonien gebracht. Der Anblick des Bahnhofsgebäudes hat mich so schockiert, dass ich vergessen habe, es zu fotografieren – auf google findet man aber Fotos. Auch der Wasserturm der Stadt dient noch als Mahnmal – zusätzlich zu vielen Häusern, die auch jetzt noch an die Vorkommnisse vor 30 Jahren erinnern.

Das Zentrum von Vukovar ist aber sehr schön und ich hatte das Glück, in einem wunderschönen Stadtpalais (Domestic House Lola) ein Zimmer zu ergattern. So ein tolles Gebäude mit hohen Räumen, dazu ein Restaurant und eine Bar – alles so lässig und cool gestaltet mit freundlichem, kompetentem Personal, das perfekt englisch spricht. Diese Location würde auch gut in einen Wiener Bobo-Bezirk passen. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.

Dann ging es weiter in den Süden über die Donau, die die Grenze zwischen Kroatien und Serbien bildet. Mein nächstes Ziel war Novi Sad, eine der europäischen Kulturhauptstädte 2022. Über weite Strecken bin ich direkt an der Donau entlanggeradelt – die Landschaft erinnert sehr an die Donauauen in Österreich. 

In Novi Sad, der 2. größten Stadt Serbiens gibt es ein exzellentes  Radwegnetz und entsprechend viele Leute sind mit dem Drahtesel unterwegs. Ich habe allerdings, seitdem ich Österreich verlassen habe, keinen einzigen e-bike Radfahrer gesehen. Bei meiner 1. Tagesetappe (am ebenen Murradweg Graz-Bad Radkersburg) bin ich sehr vielen Radlern begegnet, davon hatten ca. 80% ein e-bike.

Novi Sad hat mir sehr gut gefallen, es gibt viele nette Lokale und einen schönen Sandstrand an der Donau. Außerdem wird auch kulturell einiges geboten. Dort habe ich auch nach langer Zeit wieder einmal Shopska Salat mit sonnengereiften Tomaten, Gurken und leckerem Schafkäse gegessen (das war bei meinen früheren Geschäftsreisen nach Bulgarien, wo man diesen Salat auch überall bekommt, immer ein kulinarisches Highlight). 

In Novi Sad habe ich dann den Zug nach Belgrad genommen – die Strecke wurde erst Ende März sehr medienwirksam mit Orban und dem serbischen Präsidenten Vucic eröffnet. Belgrad-Novi Sad bildet den 1. Teil der Schnellbahnstrecke Belgrad-Budapest (deshalb war Orban bei der Feier dabei) – finanziert und errichtet von russischen und chinesischen Banken/Unternehmen (EU – wo bist du?). Bei einer Haltestelle wurde noch gewerkt und tatsächlich: es waren lauter chinesische Bauarbeiter, die ich gesehen habe.

Der Zug war sehr modern – so wie in Österreich. Das einzige, das ich als Radlerin zu bemängeln hatte: es fehlen die Gurte zum Fixieren der Räder. Ich musste während der Fahrt ein paar mal aufspringen und das Rad festhalten, um zu verhindern, dass es umfällt. Es gab auch keine Möglichkeit, es mit dem Fahrradschloss irgendwo anzuhängen. 

Um die bereits gebuchte Fähre am 13.5. vom bulgarischen Burgas ins georgische Batumi zu erreichen, musste ich auch die Strecke von Belgrad nach Burgas mit Öffis zurücklegen. In Serbien ist es extrem schwierig, online Infos zu Zug/Busverbindungen zu erhalten. Aus diesem Grund bin ich nach meiner Ankunft in Belgrad zum Bahn-Infoschalter gegangen, um rauszufinden, wie ich am besten mit dem Zug nach Sofia komme (ich wusste, dass es von Sofia nach Burgas ein paar Direktzüge gibt). Die Dame am Schalter hat mir die Auskunft gegeben, dass es Züge nach Nis (liegt ca. 240 km südlich von Belgrad) gibt. Auf meine Frage, wie ich dann weiter von Nis nach Sofia komme, konnte sie mir keine Auskunft geben. Sie hat gemeint, ich solle in Nis fragen, wie es weitergeht ???? Ich habe es dann noch am 2. Infoschalter probiert – auch dort nur Schulterzucken.

Ich wusste aber, dass es Busse von Belgrad nach Sofia gibt – die Frage ist nur: nehmen die mein Fahrrad mit? Um das rauszufinden, bin ich mit dem Rad vom Belgrader Hauptbahnhof zum Busbahnhof gefahren – waren nur ca. 3km, aber durch teilweise dichten Stadtverkehr. Beim 1. Schalter am Busbahnhof wurde mir gesagt: ja, es gibt einen direkten Bus nach Sofia, sogar noch am selben Tag, aber ob ich das Rad im Bus mitnehmen kann, wisse man auch nicht. Nach einigem Hin- und Her wurde mir der Name des Busunternehmens gegeben: Trans-Jug. Wo haben die ihr Büro? Gegenüber vom Busbahnhof. Nix wie hin zu Trans-Jug: dort war eine sehr nette Dame, die ein bisschen herumtelefoniert hat und dann hatte ich das okay: ich darf das Rad mitnehmen.

Um 14:30 fuhr der (ohnehin nur halb-volle) Bus mit mir und dem Fahrrad, das liegend im Gepäckraum transportiert wurde ab von Belgrad Richtung Sofia. Auf der Autobahn nach Nis habe ich mich wieder an eine Geschichte erinnert, die mir hier vor ca. 30 Jahren (es war noch vor dem Jugoslawienkrieg) passiert ist:

Ich hatte damals geschäftlich in Nis zu tun und bin daher nach Belgrad geflogen, wo ich einen Wagen anmietete. Ich kann mich noch erinnern – es war ein nagelneuer Golf mit dem ich auf der Autobahn Belgrad-Nis unterwegs war. Es fing schon leicht zu dämmern an und es war ein bisschen neblig, als plötzlich der Fahrzeuglenker  hinter mir begann, seine Lichthupe wie wild zu betätigen. Ich war weder zu schnell noch zu langsam unterwegs, sondern fuhr genau die erlaubte Höchstgeschwindigkeit – also was will der? Im Rückspiegel sehe ich, dass 2 Männer mittleren Alters im Fahrzeug (mit jugoslawischem Kennzeichen) sitzen. Der Fahrer hat dann begonnen, mich zu überholen und als er auf gleicher Höhe wie ich war, habe ich natürlich rübergeschaut: beide Männer haben wild mit den Händen herumgefuchtelt und immer wieder auf mein Hinterrad gezeigt, als ob da irgendwas nicht stimmen würde. Dann haben sie angedeutet, dass ich von der Autobahn runterfahren sollte. Sie haben sich dann vor mir eingereiht und bei der nächsten Ausfahrt zu einem Autobahnparkplatz, haben sie abgebremst und der Beifahrer, der sich zu mir umgedreht hat, hat mir angedeutet, dass ich raus auf den Parkplatz fahren soll. Sie sind dann tatsächlich raus auf den Parkplatz – ich bin auf der Autobahn gerade weiter. 

5 Minuten später waren sie wieder hinter mir. Das gleiche Spiel: Lichthupe, auf das Hinterrad zeigen, mir andeuten, dass ich auf den Parkplatz raus müsse. Und böse Blicke und Gesten, die fragten: „Warum bist du nicht von der Autobahn abgefahren?“ Auch beim nächsten Parkplatz sind sie raus und ich bin auf der Autobahn gerade weiter gefahren.

Ich war zwar irritiert, habe mir aber auch gedacht, falls irgendwas nicht stimmt mit meinem Fahrzeug, so würden mich doch auch andere Lenker darauf aufmerksam machen. Ich war aber ziemlich sicher,  dass diese beiden Typen nicht ganz koscher sind.

Aber sie gaben nicht auf – sie waren wieder hinter mir, als eine Ausfahrt zu einer Autobahnraststätte (mit Tankstelle, Restaurant, alles gut beleuchtet) kam. Ich schalte den Blinker ein und deute ihnen, dass ich jetzt raus fahre. Und siehe da: sie sind gerade auf der Autobahn weiter gefahren. Ich bin dann bei der Tankstelle ausgestiegen und 1 mal ums Auto rumgegangen: es war nix. Sicherheitshalber habe ich auch noch den Tankwart gefragt, ob er irgendetwas am Fahrzeug sieht, das nicht in Ordnung ist. Alles okay, hat er gemeint.

Am nächsten Tag habe ich diese Geschichte meinem Geschäftspartner in Nis erzählt – er hat gesagt, dass ich richtig gehandelt habe. Es gab damals mehrere Fälle, dass Personen (hauptsächlich Frauen), die allein mit neuen Autos unterwegs waren, mit dieser Masche  auf Autobahnparkplätze gelockt wurden, wo ihnen dann eine Waffe vorgehalten wurde und das Fahrzeug und andere Wertsachen abgenommen wurden. Glück gehabt!

Jetzt aber zurück zur Busfahrt nach Sofia: die war sehr kurzweilig, weil es nette Gespräche mit den Mitreisenden gab. Da waren einmal 2 Burschen aus Deutschland, die ein paar Wochen am Balkan unterwegs sind. Dann ein indischer Arzt, der in Dubai arbeitet und jetzt Freunde in Serbien und Bulgarien besucht. Ein junger Palästinenser, der in Sofia Medizin studiert und seinen Vater, der in Belgrad als Arzt arbeitet, besucht hatte. Und ein nettes Pärchen (er Franzose, sie Chinesin), die mit Rucksack am Landweg unterwegs sind nach China (sie war coronabedingt seit 3 Jahren nicht mehr zu Hause und ist sich auch jetzt nicht sicher, ob sie in China einreisen darf). Als ich den beiden sage, dass ich mit der Fähre über das Schwarze Meer fahre, sind sie sehr erstaunt. Sie waren der Meinung, dass aufgrund des Ukrainekrieges keine Schiffe über das Schwarze Meer fahren. Sie haben geplant, durch die Türkei mit dem Bus zu fahren und dann weiter über Georgien, Aserbaidschan, das Kaspische Meer und Kasachstan nach China. Sie werden nun aber versuchen, auch noch einen Platz auf der Fähre von Burgas nach Batumi zu ergattern, dann werden wir uns ja wieder sehen. 

Ankunft in Sofia war ziemlich spät am Abend (22:00), Fahrrad raus aus dem Bus, mit den Taschen beladen und dann ab ins Hotel. Ich frage in den Unterkünften immer, wo ich das Fahrrad sicher abstellen kann. Im Hotel in Sofia haben sie einen Garten, der zwar zur Straße hin offen ist, aber wenn ich das Rad am Zaun anhänge, soll es sicher sein. Dann die böse Überraschung: mein Fahrradschloss, das in einer Halterung am Rahmen befestigt ist, ist nicht da. Es muss im Laderaum des Busses aus der Halterung gefallen sein. Ich stelle das Rad im finstersten Winkel des Hotelgartens ab und muss halt hoffen, dass es morgen noch da ist. Ach, ist das ärgerlich! Das bedeutet, ich muss mir ein neues Schloss kaufen – hoffentlich finde ich in Sofia, das nicht wirklich eine Radfahrerstadt ist, etwas Adäquates (es sollte ein gutes Nummern-Faltschloss sein)

Dann habe ich aber eine andere Idee: der Bus, mit dem ich gekommen bin (und in dem wahrscheinlich mein Fahrradschloss liegt) fährt am nächsten Tag sicher wieder zurück nach Belgrad. Online checke ich schnell, wann am nächsten Tag Busse nach Belgrad fahren: siehe da, Trans-Jug fährt um 09:00 ab vom Busbahnhof. Am nächsten Tag habe ich volles Programm: aufstehen um 07:30, duschen, anziehen und dann gleich runterflitzen in den Hotelgarten: das Rad ist noch da!! Hurra! Dann auf zum Busbahnhof! Der blaue Mercedes Benz Bus mit Trans-Jug Aufschrift biegt grad ein ins Bahnhofsgelände. Der Busfahrer, ein netter, bulliger Serbe erkennt mich wieder und fragt, ob ich schon wieder zurück nach Belgrad fahre. Ich sage: nein und erzähle ihm von meiner Vermutung, dass mein Schloss im Laderaum liegt. Er sagt, das kann er sich nicht vorstellen, weil er nach jeder Fahrt checkt, ob eh nichts im Laderaum liegengeblieben ist und er hat am Vorabend nix gefunden. Aber wir können ja nachschauen. Er öffnet die Luke: im Laderaum liegen nur 2 Feuerlöscher. Sonst nix. Ich frage ihn, ob ich in den Laderaum klettern darf, vielleicht liegt das Schloss ja irgendwo ganz hinten im letzten Winkel. Er sagt: kein Problem! Ich klettere rein und auf allen Vieren bis ins letzte Eck. Und tatsächlich: hinter dem Feuerlöscher liegt mein Fahrradschloss! Was für eine Freude!

Nächster Punkt: Bahnticket nach Burgas checken (ich bin auch hier nicht sicher, ob ich das Rad im Zug mitnehmen darf – die Angaben im Internet sind nicht eindeutig). Auf zum Bahnhof (der glücklicherweise gleich neben dem Busbahnhof liegt) und dann zum 1. Ticketschalter. Ich sage der Dame, dass ich eine Fahrkarte nach Burgas kaufen möchte und das Fahrrad mitnehmen will. Ob das eh möglich ist? Sie schüttelt den Kopf. So schnell gebe ich nicht auf und versuche es bei einem anderen Schalter. Auch dort schüttelt die Dame den Kopf und verweist mich an einen Info-Schalter. Die Dame hinter dem Infoschalter ist sehr hilfreich: sie schreibt mir alle Züge, die in Frage kommen auf und sagt, ich kann das Fahrrad mitnehmen. Preis: 19,20 EUR für mich und 2,00 EUR für das Rad. Passt!. Auf zum Ticketschalter, Ticket kaufen- fertig.

Nächster Punkt: Ich habe kein Datenvolumen mehr, d.h. ich brauche eine SIM Card. Auf in den nächsten A1 store – ich frage die junge Dame, ob sie Englisch spricht. Sie schüttelt den Kopf. Ich gebe ihr zu verstehen, dass ich eine SIM Card nur für Internet brauche. Sie greift in eine Lade und gibt mir die gewünschte Karte. Dann sagt sie in perfektem Englisch: „ If you give me your mobile phone, I will activate  it for you“. Komisch, warum hat sie den Kopf geschüttelt, als ich sie fragte, ob sie Englisch spricht. Dann ist es mir wieder eingefallen. In Bulgarien bedeutet Kopfschütteln: ja und Nicken bedeutet:nein. Das heisst, auch die beiden Damen am Ticketschalter am Bahnhof haben meine Frage bezüglich Fahrradmitnahme bejaht und ich habe geglaubt, sie meinen „nein“. Fremdsprachen beherrschen bedeutet eben auch, die Gesten richtig zu interpretieren, das wird einem hier wieder einmal klar.

Dann noch schnell frühstücken: ich entdecke ein kleines Bistro, in dem ich einen guten Espresso und ein feines Croissant genieße. 

Am Nachmittag geht es dann mit einem extrem abgefuckten Zug nach Burgas – zuerst noch mit Blick auf die schneebedeckten Berge des Vitoshagebirges. Immer wieder durch kleine Ortschaften, in denen man noch Pferdefuhrwerke sehen kann. Teilweise Plastikmüll – fast so schlimm wie in Süditalien. Schaf- und Ziegenherden mit Hirten. Nach über 6 Stunden Fahrt Ankunft in Burgas, einer sehr grünen Stadt mit tollem kulturellen Angebot und schönen Stränden am Schwarzen Meer. Außerdem merkt man, dass hier vergleichsweise wesentlich mehr Geld in die Stadtkasse gespült wird (durch den Hafen und den Tourismus), als z.B. in Sofia, wo es doch sehr offensichtlich ist, warum Bulgarien als das ärmste EU-Land gilt.

Hier gibt es auch ein gut sortiertes Fahrradgeschäft, wo ich mich mit dem Inhaber unterhalte und ihn frage, ob auch e-bikes gekauft werden. Er meint: nein, e-bikes kauft hier keiner. Als ich ihm erzähle, dass in Österreich mittlerweile der Großteil der verkauften Räder e-bikes sind, meint er: „That’s because the Austrians are lazy. And because they can afford it“. Diese 2 Gründe (Bequemlichkeit und weil man es sich leisten kann) sind auch hauptsächlich dafür verantwortlich, dass so viele Autos in Städten, wo es genügend Alternativen gäbe, unterwegs sind. Da kann ich leider nur zustimmen.

Und morgen geht es dann mit der Fähre rüber nach Georgien – aber das ist dann eine andere Geschichte.

Über Brigitte – ihr wisst schon, die Schweizerin, die in Afrika unterwegs ist, kann ich auch noch was berichten: sie ist momentan in Tansania, wo sie bei den Massais in der Steppe mit Ziegen und Kühen übernachtet.

Vukovar
Vukovar
Domestic House Lola, Vukovar
Domestic House Lola, Vukovar
Domestic House Lola, Vukovar
Domestic House Lola, Vukovar
Cremeschnitte im Glas
Am Eurovelo 6 gehts weiter
Aha, jetzt ist alles klar
Sandstrand an der Donau in Novi Sad
Pljeskavica und Shopska Salat
Mit der S-Bahn von Novi Sad nach Belgrad
Durch Belgrad
Der Zug von Sofia nach Burgas
Zug Sofia - Burgas
Burgas
Armenische Kirche in Burgas
Burgas

WEITER GEHT´S GEN OSTEN

So, seit einer Woche bin ich jetzt schon wieder unterwegs. Nachdem ich in Österreich alle Sachen erledigt habe, die zu erledigen waren (Freunde treffen – das war sehr nett und lustig/ notwendige Impfungen – 7 Stiche innerhalb von 1 Woche – das war weniger lustig und vor allem ziemlich kostspielig/ Reiseversicherung abschliessen – das war mit ein paar Klicks erledigt/ Service für das Rad). Zwischendurch ein paar Berg- und Radltouren, damit ich in Form bleibe und gewappnet bin für die bevorstehende Etappe. 

Dann wurden die Radtaschen wieder gepackt – zusätzlich zu den beiden 24l Hinterradtaschen, die ich bereits in Italien verwendet habe, kommt nun noch eine 24l Rack Pack Tasche (robust und wasserdicht), die ich ebenfalls am Gepäcksträger mit Spannbändern befestigen kann. Die zusätzliche Tasche brauche ich für die Campingausrüstung, die ich nun auch dabei habe (Zelt, Schlafsack, Matte, Kocher, Kartusche, Geschirr) – es hat alles wunderbar reingepasst. Außerdem habe ich am Lenker eine kleine Tasche für das ganze Krimskrams, das man immer schnell bei der Hand haben soll.

Bepackt mit ca. 20kg ging es am 29.4. los von Graz – es hat eine Zeit lang gedauert, bis ich mich an das zusätzliche Gewicht gewöhnt hatte. Die 1. Tapesetappe führte mich die Mur entlang nach Bad Radkersburg, wo ich mir noch einmal einen steirischen Backhendlsalat gönnte (in dieser Form werde ich ihn so schnell nicht wieder bekommen).

Im Gasthaus wurde ich von einer Herrenrunde angesprochen, die mein voll bepacktes Rad gesehen haben. Was ich denn vor hätte, wollten sie wissen. Einmal um die Welt, habe ich geantwortet. Was – ohne Motor und allein? Einen Motor brauch ich nicht – hab ja eh Muskeln. Einer der Männer hat gemeint, dass er bis 9. Mai Urlaub hat und mich begleiten könnte. Bis 9. Mai werden wir die Welt nicht ganz schaffen, habe ich geantwortet. So haben wir herumgeblödelt und viel gelacht.

Am nächsten Tag ging es über die Mur nach Slowenien und nach ca. 35km über einen einsam gelegenen Grenzübergang an einer Nebenstraße (der Pass wurde kontrolliert) weiter nach Kroatien. Dort waren auch ein paar Höhenmeter zu überwinden und ich war gezwungen, das Rad zu schieben, weil es ziemlich steil war. Auch dabei habe ich das zusätzliche Gewicht stark gespürt – bei dem steilen Anstieg war es wirklich anstrengend, das Rad über den Berg zu schieben/ziehen. 

Ab dem 3. Tag wurde es dann sehr angenehm und beschaulich – alles eben, Sonnenschein den ganzen Tag und kein Wind. Ich radelte die meiste Zeit über wenig befahrene Nebenstraßen, passierte immer wieder kleine Ortschaften, wo man Störche auf den Laternenmasten beim Brüten beobachten konnte bzw. ihr lautes Klappern hörte. In einem Dorf stellte ich mein Rad vor dem „Mini-Market“ ab, um schnell Obst einzukaufen. Als ich aus dem Geschäft raus kam, stand ein altes, schwarz gekleidetes Mütterchen (mit Kopftuch) vor meinem voll bepackten Rad, kicherte und murmelte etwas auf Kroatisch. Ich hab sie nicht verstanden, nehme aber an, dass sie sich gewundert hat, was ich mit dem Rad vorhabe. Dann hat sie sich auf ein uraltes Waffenrad geschwungen und ist weggefahren.

Für mich ging es dann weiter die Mur entlang nach Slawonien durch bäuerlich geprägte Landschaft. In den Ortschaften sind mir erstmals langgezogene, schmale Speicher aufgefallen. Bei jedem landwirtschaftlichen Anwesen stand so ein Speicher.  Wie sich dann rausstellte, werden darin Maiskolben aufbewahrt. Ca. 100km weiter waren diese Speicher dann wieder verschwunden, dafür gab es dann was für die Nase. Schon von weitem zu riechen: Kamille. Überall Kamillefelder – es war ein unglaubliches Duftmeer. Kroatien ist ein wichtiger Lieferant für die Kräuter- und Pharmaindustrie.

In der Nähe von Legrad mündet die Mur in die Drau, d.h. mein weiterer Weg führte mich dann die Drau entlang. Alles sehr idyllisch, auf Nebenstraßen mit wenig Verkehr. In manchen Ortschaften gibt es zwar lästige Hunde, aber nicht so schlimm wie in Italien. Auch hier sieht man neben der Fahrbahn zeitweise achtlos weggeworfene leere Getränkedosen und Zigarettenpackungen, aber harmlos im Vergleich zu Italien.

Von Zeit zu Zeit passierte ich auch eher ärmliche Siedlungen mit Schotterstraßen – sehr unangenehm zu befahren. Zwischen diesen eher einfachen, baufälligen Häusern steht dann manchmal  hingeklotzt ein Bauwerk, mit dem ein Neureicher seinen Traum vom eigenen Schloß realisieren wollte. Mit Türmchen, Erkern, fetten Säulen und das Ganze in grell gelb/pink/orange. Da haut‘s einem die Augen raus!!

Gestern habe ich nach 430 km und 7 Radlertagen Osijek (4.größte Stadt Kroatiens, 120k Einwohner) erreicht. Osijek wurde während des Jugoslawienkriegs (1991-95) heftig umkämpft – man sieht auch jetzt bei manchen Häusern noch Einschusslöcher.

Osijek ist bekannt für seine schönen sezessionistischen Gebäude, für guten Wein und Bier und für sein gutes Radwegnetz. Es sind auch sehr viele Personen mit dem Rad unterwegs. Ich habe heute Vormittag im Kaffeehaus am Markt meinen Espresso genossen, während an den Nebentischen bereits Cevapcici, serviert in Fladenbrot mit Zwiebeln und Ajvar verspeist wurden. Und dazu ein Pivo.

Morgen geht es weiter Richtung Donau und in einer Woche bin ich bereits auf der Fähre von Burgas (BG) nach Batumi (Georgien).

 

Abfahrt aus dem heimatlichen Schloss
Am Murradweg
An der Mur in Kroatien
Maisspeicher
Mein Nachtquartier in Molve/Drau
Schloss von Suhopolje / mein Nachtquartier
Suhopolje
Bike Self Service Box
Schloss Mailath in Donji Miholac
Park von Schloss Mailath/ Donji Miholac
Donji Miholac
Kamillefeld
Osijek
Osijek
Osijek
Osijek
Osijek
Osijek

ROM – FLORENZ

Seit meinem letzten Eintrag vor circa 2 Wochen habe ich einen großen Sprung Richtung Österreich gemacht. Zuerst bin ich mit dem Zug von Catania nach Messina, weiter mit der Fähre nach Villa San Giovanni und dann noch einmal mit Trenitalia weiter nach Rom. Die Eisenbahnstrecke verläuft die meiste Zeit am Meer entlang, sodass ich vom Zug aus viele Orte /Strände gesehen habe, die ich ein paar Wochen vorher mit dem Rad passiert habe. Nur dass ich mit dem Rad circa 4 Wochen benötigt habe, während der Zug die selbe Distanz in ein paar Stunden zurücklegt.

Ich bin dann 5 Nächte in Rom geblieben, wo ich ausgiebig Zeit hatte für Sightseeing. Und ich war nicht die einzige – Rom war voller Touristen und an den Hot Spots hat es sich abgespielt. Teilweise habe ich die Stadt zu Fuß erkundet und teilweise mit dem Fahrrad. Im Zentrum war das eine ziemliche Herausforderung – es gab so gut wie gar keine Radwege und der Verkehr ist zwar nicht zu vergleichen mit Neapel, man muss aber trotzdem sehr aufpassen. Auch Fahrrad-Ständer sucht  man im Zentrum vergeblich – ich habe mein bici immer an Laternenmasten oder Absperrgitter angehängt.

Um dem Touristenrummel etwas zu entfliehen, habe ich in Rom und Umgebung mit dem Rad 2 empfehlenswerte Touren gemacht und zwar den Tiber entlang (da gibt es einen sehr schönen Radweg) und die Via Appia Antica (Kopfsteinpflaster) – zum Glück gibt es neben dem gepflasterten Weg (seeehr anstrengend zu fahren) ein schmales Wegerl, auf welchem man besser voran kommt.

Vergangene Woche ging es dann von Rom nach Florenz. Die Strecke (über Sutri, Montefiascone, Bolsena, San Quirico und Siena), die mir Komoot vorschlägt hat 320 km mit fast 4000 Höhenmetern. Knackig!

Die Fahrt raus aus Rom war sehr angenehm – fast 20km eben dahin auf einem schönen Radweg. Und dann ging es rauf in die Berge und leider kam auch sehr starker Nordwind mit Böen bis 70kmh. An diesem Abend war ich wirklich geschlaucht – 70km gefahren, 900 Höhenmeter und das meiste bei starkem Gegenwind. Der starke Nordwind mit eisigen Temperaturen (ich musste Haube und Handschuhe anziehen) hat mich auch an den nächsten 2 Tagen begleitet. Die restlichen 3 Radlertage waren dafür wieder sehr schön (windstill, sonnig). 

Und die Landschaft war sehr reizvoll – im Latium sieht man sehr viele Pinien und Zypressen, während dann in der Toskana nur die Zypressen das Bild prägen. Die Radstrecke verläuft teilweise auf der Via Francigena, einem alten Pilgerweg und ich habe tatsächlich eine Pilgerin getroffen. 

Sonja, eine Holländerin war mit dem Rucksack unterwegs von Siena nach Rom (250 km) sie geht am Tag ca. 25km, das heisst sie braucht insgesamt 10 Tage bevor sie wieder zurückreist nach Holland, wo sie ein BnB hat. Zum ersten mal auf meiner Reise habe ich voll bepackte Radfahrerinnen (so wie ich) getroffen: 2 französische Mädels sind seit 2 Wochen in der Toskana unterwegs – sie übernachten im Zelt. Auf meine Frage, ob ihnen das nicht zu kalt ist (in der Nacht hat es 0 Grad) haben sie gemeint: es geht, die Schlafsäcke sind warm. Und in 1 Woche sind sie ohnehin wieder zu Hause in ihrem weichen, warmen Bett. 

Wenn man so durch die Landschaft fährt, gehören tierische Begegnungen natürlich auch dazu. Da sind einmal meine ganz speziellen Freunde, die Hunde. Auf einem einsamen Feldweg ist mir eine Spaziergängerin mit (nicht angeleintem) Schäferhund entgegengekommen. Ich hatte ohnehin mit dem starken Gegenwind zu kämpfen, da fängt dieser Köter an, mich aggressiv anzubellen und versuchte, mich ins Bein zu beißen. Die Frau hat es irgendwie geschafft, ihn von mir weg zu ziehen.

Bei der Fahrt (auf einem Feldweg) zu einem etwas abgelegenen agriturismo, wo ich ein Zimmer gebucht hatte, sehe ich, dass sich auf der steilen Böschung zwischen den Büschen ein Tier rasch in meine Richtung bewegt. Zuerst dachte ich, das ist ein Hund und habe mich noch gewundert, dass er nicht bellt. Und dann war es eine Wildsau – die hat ein paar Meter vor mir den Weg überquert und ist auf der anderen Seite wieder in den Büschen verschwunden.

Neben den lebenden Tieren, sehe ich als Radlerin aber auch viele tote Lebewesen am Straßenrand liegen. In Süditalien habe ich viele Hunde und Katzen (die werden von den Autos angefahren, erleiden einen Genickbruch und schaffen es noch bis zum Straßenrand, wo sie verenden) liegen gesehen – zumeist hat es ausgesehen, als ob sie schlafen würden. Aber auch auf der Fahrbahn waren immer wieder Fellreste zu sehen. Und die Kadaver werden offensichtlich von niemandem weggeräumt.

Zwischen Rom und Florenz habe ich zwar keine toten Hunde und Katzen am Straßenrand gesehen, dafür aber 1 Dachs, 2 Füchse und noch ein anderes flauschiges Tier. 

Schlußendlich bin ich gut in Florenz (sooooo viele Touristen) angekommen, wo sich meine Italienreise dem Ende zuneigt. In ein paar Tagen geht es mit dem Zug zurück nach Österreich und dann (voraussichtlich) Mitte April weiter Richtung Schwarzes Meer/Asien. Insgesamt habe ich seit 6. Jänner 2.121 km zurückgelegt und bin 15.500 hm rauf und auch wieder runter gefahren. Und es war gar nicht schwer.

Ich mag diese Spukerl einfach!
Via Appia Antica
Via Appia Antica
Via Appia Antica
Via Appia Antica
Tiberradweg mit Engelsburg
Radweg raus aus Rom
Pilgerweg
Schaut aus, als ob er schlafen würde - ist aber tot
Heute geht es da lang
Latium
Montefiascone
Agriturismo in der Toskana
Eine Stärkung zwischendurch
Frühstück im BnB
Das auch (leider mit Plastikteller + Plastikbesteck!!!!)
In Siena muss man zu Nannini
Florenz

SCHLUSS MIT LUSTIG

In einem meiner früheren Beiträge habe ich geschrieben, dass alles ganz easy läuft und ich sehr unbeschwert und sorgenfrei in den Tag hineinlebe und mich überraschen lasse, was dieser denn so bringt. Seit 24.2. ist dem aber nicht mehr so und ich nehme an, dass auch die meisten meiner Leser*innen mit großer Sorge in die Zukunft blicken.  Ich bin jedenfalls fassungslos und schockiert über die Vorgänge in der Ukraine und irgendwie ist mir momentan auch die Lust am Reisen vergangen, obwohl ich mich hier in Catania/Sizilien natürlich sicher fühle. 

Normalerweise habe ich alle 2-3 Tage die Nachrichten verfolgt, mittlerweile schaue ich am Tag sicher 10x auf orf.at in der Hoffnung, dass sich doch etwas Positives (Waffenstillstand) tut.

Um von der ganzen Tragödie etwas abzulenken und weil dies ja ein Fahrrad-Reiseblog ist, möchte ich hier über meine dieswöchigen Radlererlebnisse berichten.

Nach 2 Rasttagen in Villa San Giovanni ging es am Mittwoch mit der Fähre nach Messina/Sizilien. Ich war gerade mit dem Rad  vom Hafen unterwegs zum BnB in Messina, als ich am lungomare einige Damen entdeckte, die unter Anleitung einer Trainerin ein Kräftigungs-Workout machten. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen – ich bin hin zur Gruppe und habe gefragt, ob ich auch mitmachen dürfe. „Certo“ hat Benedetta, die Trainerin gesagt, und schon war ich mittendrin. Es war ein tolles, 1stündiges Ganzkörpertraining und hat viel Spass gemacht. Und die Damen waren sehr erstaunt, als sie hörten, dass ich aus Österreich mit dem Radl nach Sizilien gekommen bin. Am nächsten Tag hatte ich einen Muskelkater am Hintern und in den Oberschenkeln, als ob ich seit Ewigkeiten keinen Sport mehr betrieben hätte.

Von Messina ging es dann weiter nach Taormina (sehr touristisch) und Catania, wobei man immer mehr blühende Sträucher und Bäume sieht. Glücklicherweise waren nur kurze Tunnelfahrten dabei  und die Hunde haben zwar hinter dem Zaun gebellt, mich aber sonst  in Ruhe gelassen. 

Von Catania bin ich total begeistert, die tollen Barockbauten, das kulinarische Angebot mit den verführerischen Süßigkeiten – hier lässt es sich aushalten. Im Moment läuft eine Warhol/Banksy Ausstellung, die ich natürlich besucht habe. 

Da ich in 2 Wochen wieder in Österreich sein will, werde ich mich morgen den Zug nach Messina nehmen und dann weiter nach Rom fahren, wo ich ca. 1 Woche bleiben werde.

Fähre nach Sizilien
Mit den sportlichen ragazze in Messina
Normannischer Dom in Messina
Der Ätna immer im Blickfeld
Catania
Catania
Warhol/Banksy Ausstellung
Madl mit Radl
That‘s really funny
Catania
Die besten tartufi gibt es in Catania
Catania
Catania
Catania
Eine kalorienreiche Entschuldigung des BnB Besitzers für laute Gäste, die meine Nachtruhe störten
Catania
So, und zum Schluß noch ein Eis

MÜLL, MANDARINEN UND DER LÄNGSTE KILOMETER MEINES LEBENS

Die vergangene Radwoche führte mich von Amantea über Pizzo, Tropea und Palmi zur „Zehenspitze“ Italiens, nach Villa San Giovanni. Dabei war wieder eine Menge an Höhenmetern mit etlichen knackigen Anstiegen zu bewältigen.

Ich habe einige Radler-Blogs gelesen, in welchen eine ganz unangenehme Sache erwähnt wird, nämlich Fahrten durch unbeleuchtete, enge, niedrige Tunnelröhren ohne Rettungsbuchten. Speziell im Osten der Türkei dürften diese öfters vorkommen – die Radler, die unterwegs sind in den Iran schildern in ihren Berichten diese Horrorfahrten (ständig die Angst, dass man von den Autofahrern nicht gesehen wird und gerade wenn ein LKW im Anmarsch ist, hilft oft nur noch stehenzubleiben und sich an die Tunnelwand zu pressen und zu warten, bis der Spuk vorbei ist) – nur davon zu lesen hat bei mir bereits ein Gefühl der Beklemmung ausgelöst. 

Komoot lotst mich ja – so weit wie möglich – über Nebenstraßen, Feldwege oder Radwege (den letzten Radweg habe ich südlich von Neapel gesehen – vor ca. 650km). Es kommt aber immer wieder vor, dass Straßen gesperrt sind und dann muss man eben auf die Bundesstraße ausweichen. Und so kam ich diese Woche auch in den „Genuss“ einiger Tunnelfahrten. 

Bei der Einfahrt  ist die Länge vermerkt – beim 1. Tunnel stand: 1200 m. Ah, das kann nicht so schlimm sein, hab ich mir gedacht: das ist ein guter Kilometer und der ist ja schnell vorbei. Aber wenn man einmal in diesem finsteren Loch drinnen ist (ab und zu ist so ein Funserl Licht an der Decke), kein Platz zum Ausweichen – rechts neben dem Fahrstreifen ist die Wand, dann wird aus einem Kilometer eine halbe Ewigkeit. Und dann seh ich im Rückspiegel, dass ein LKW daherkommt. Sieht der mich eh? Ich habe zwar eine gute Beleuchtung und auf den Packtaschen befinden sich reflektierende Logos. Okay, er hat mich gesehen (sonst würde ich wahrscheinlich nicht mehr hier sitzen), hat aber voll gehupt und dieses durch den Tunnel verzerrte und extrem laute Hupgeräusch des fetten Brummers war der ärgste Horror. Aber endlich war er weg und irgendwann waren die 1200m auch geschafft. Halleluja! 

Grad als ich glaubte aufatmen zu können  kommt der nächste Tunnel mit 900m Länge. Okay, jetzt heisst es aufrüsten – das Wichtigste ist, dass man gesehen wird und auffällt. In einem B+B hat mir der Besitzer scotchlite Reflektorbänder (die man mittels Schalter blinken lassen kann) geschenkt. Die Bänder habe ich an den Oberarmen angebracht (an den Wadln hat’s keinen Sinn, weil die werden durch die Packtaschen verdeckt), die Blinklichter eingeschaltet und rein ins finstere Loch. Und wer glaubt, dass die LKWs nicht zu toppen sind, der liegt falsch. Schon von weitem zu sehen und unüberhörbar: ein Rettungsfahrzeug mit Blaulicht und Folgetonhorn nähert sich von hinten in einem Höllentempo. Dieser Folgeton ist schon ausserhalb eines Tunnels sehr unangenehm und grell – im engen Tunnel wird der Ton verzerrt und in Kombination mit dem Blaulicht und dem Karacho, in dem das Fahrzeug unterwegs war und nah an mir vorbeigezogen ist, erzeugte er enormen Stress.

Es kam dann noch ein weiterer Tunnel und erst nachdem ich die Bundesstraße verlassen hatte und gemütlich am lungomare entlangradelte, liess die extreme Anspannung nach.

Es gäbe natürlich auch bei den Tunnelfahrten einen Plan B: umdrehen bevor man in die Röhre reinfährt und zurück zum nächstgelegenen Bahnhof und ein paar Stationen mit dem Zug fahren. Der muss zwar auch durch einen Tunnel, mit dem Zug ist das aber allemal entspannter.

Eine andere, sehr traurige Geschichte ist der viele Müll. Einerseits sind es leere Plastik/Glasflaschen, Getränkedosen und Zigarettenpackungen, die offensichtlich nach der Konsumation einfach aus dem Auto geworfen werden. Außerdem komme ich immer wieder an total vermüllten Plätzen mit alten Möbeln, ausrangierten Haushaltsgeräten, Autoreifen,…. vorbei. 

Ich frage mich dann, wie es möglich ist, dass die Italiener, die ja für tolle Mode und exklusives Design stehen und daher sicher Sinn für Ästhetik haben dies zulassen. Ich habe z.B. einen gut gekleideten Mann beobachtet, der grad aus seinem SUV ausstieg und dabei eine leere Plastikflasche fallen liess. Hört der Sinn für Ästhetik auf, sobald das eigene Heim oder das eigene Auto verlassen werden? Machen sie es, weil es die anderen ja auch machen? Es gibt einen tollen Animationsfilm: Wall-E, der Letzte  räumt die Erde auf. An diesen Film muss ich hier oft denken. Dabei soll er Utopie sein – hier wird er stellenweise in den nächsten 10-20 Jahren Realität werden. Greta, du hast noch viel zu tun!

Jetzt aber auch was Positives: gestern bin ich über weite Strecken nur auf Feldwegen gefahren entlang von Mandarinenplantagen. Ich musste nur die Hand ausstrecken und die süßen, saftigen Früchte pflücken und genießen – ich habe sicher 1 Kilo verdrückt. Ewig lang bin ich keiner Menschenseele begegnet – irgendwann kam ein Traktor mit 2 Männern daher: die haben mich groß angeschaut und sich wahrscheinlich gewundert, was ich mit dem voll bepackten Rad in ihrem Feld mache. Ich habe ihnen freundlich zugewunken und sie haben zurückgewunken. 

Über meine ganz speziellen Freunde, die Hunde kann ich auch noch was berichten: Ich hab sie nämlich durchschaut.

Es gibt 3 Arten:

1) die Wohlerzogenen: die liegen vor dem Haus und sind ganz cool. Die ignorieren mich nicht einmal, wenn ich vorbeifahre. Werden wahrscheinlich erst aktiv, wenn man das Grundstück betritt.

2) die ohne Erziehung: lautes, aggressives Gebell und ständiges Hin-und Herlaufen hinter dem Gartenzaun und manche drehen sprichwörtlich durch. Sie laufen nämlich bis zum letzten Eck im Garten, um mich zu verfolgen und dann drehen sie sich ganz schnell im Kreis. Verrückt.

3) die Streuner: sind normalerweise harmlos. Liegen irgendwo am Straßenrand herum.

Und heute ist mir folgendes passiert: Ich war auf einer steilen Nebenstraße unterwegs und hab das Rad geschoben. Am Straßenrand lagen 2 Streuner, die harmlos gewirkt haben und nicht gebellt haben. Dann kam ein Bauernhof (mit Zaun) und hinter dem Zaun waren 3 Hunde ohne Erziehung. Lautes aggressives Gebell und offensichtlich irgendwo ein Tor, das nicht geschlossen war. Ich hab das Rad weiter bergauf geschoben (es war zu steil, um zu fahren) und plötzlich waren 5 Hunde hinter mir her. Die beiden Streuner, diese Opportunisten, haben sich den 3 aggressiven Viechern angeschlossen und mir kam es so vor, als ob sie beschlossen hätten: „Die machen wir fertig“. Ich habe einmal ein Buch gelesen über Wölfe, wie sie im Rudel jagen und welche Rolle die einzelnen Tiere übernehmen. Ich bin einfach weitergegangen und hab versucht, sie zu ignorieren. Mittlerweile war der größte und aggressivste Hund rechts vor mir (zwischen ihm und mir war das Rad), der zweite große Hund war links hinter mir und die restliche Meute hinten nach. Alle haben laut gebellt. Mein Puls war irgendwo. Es hat so gewirkt, als ob sie mich einkreisen wollen (so machen es zumindest die Wölfe).  Scheisse! Wo ist der Plan B? Okay, einen Versuch ist es wert: ich bück mich runter und tu so, als ob ich einen Stein aufheben und diesen nach den Hunden werfen würde. Die beiden großen Hunde sind stehen geblieben (noch immer laut bellend), die 3 anderen sind tatsächlich ein Stück zurückgelaufen. Also noch mal: runterbücken, einen imaginären Stein aufheben und nach den Hunden werfen. Und noch ein paar mal und dann haben sie mich, noch immer unter lautem Gebell, zumindest nicht mehr verfolgt, sondern sind stehen geblieben. Hätte der Plan mit den imaginären Steinen nicht funktioniert, so hätte ich das Fahrrad umgedreht, wäre aufgestiegen und bergab den Weg zurückgefahren, den ich gekommen bin. Dabei hätte ich sie rasch abgehängt, aber das wäre keine Lösung gewesen, weil ich ja über diesen Berg drüber musste und da gab es nur diese Straße.

Während ich mich hier mit den Hunden rumschlage, hat Brigitte (ihr wisst schon, die Schweizerin im südlichen Afrika) ein Affentheater. Sie schreibt mir, dass die Affen immer neben ihr her rennen und „mitreiten“ wollen. Ein oder  zwei Affen am Gepäckträger hätten sicher Platz! Sie ist übrigens mittlerweile in Sambia bei den Victoriafällen und schickt mir ein Foto, auf welchem sie alleine vor den herabstürzenden Wassermassen steht. Normalerweise stehen dort Unmengen an Touristen – coronabedingt ist aber nichts los.

Ich werde heute und morgen etwas verschnaufen, dann geht es mit der Fähre rüber nach Sizilien.

Tropea
Pizzo
In Pizzo muss es unbedingt ein Tartufo sein
Ein Aperol nach der Ankunft am Zielort kann nie falsch sein
Mein blinkendes Reflektorband für den Tunnel
Uj , das wird eine Gatschpartie! Hier heisst es umkehren!
Das schaut schon besser aus.
Vom Baum direkt in den Mund
Eine kreative Art, auf eines der vielen Schlaglöcher hinzuweisen
Frühlingsboten überall

ÜBER DIE BERGE DEM FRÜHLING ENTGEGEN

Montag und Dienstag in dieser Woche war kein Radfahrwetter (Regen am Montag und starker Wind am Dienstag) – gut, dass ich ohnehin Rasttage brauchte und auch einiges in Salerno zu erledigen hatte. Montag ging’s gleich nach dem Frühstück mit einer Tasche voll Schmutzwäsche in die Self Service Lavanderia und 90 Minuten später hatte ich frisch gewaschene und wohlriechende Wäsche – was für ein angenehmes Gefühl. 

Ich habe schon in einem meiner früheren Beiträge von Brigitte, der Schweizerin, die seit November im südlichen Afrika mit dem Rad unterwegs ist, berichtet. Sie liest auch meinen blog und hat auf meinen letztwöchigen Eintrag (Waschtag steht bevor) zurückgeschrieben, dass auch sie an diesem Tag Waschtag hat. Daraufhin hab ich sie gefragt, wie sie das macht: ob sie auch in eine laundry geht oder einfach im Fluss die Wäsche wäscht (sie ist momentan im namibisch-angolanischen Grenzgebiet). Darauf hat sie gemeint: Hatte einen Kübel…und viel Duft hineingemischt. Ja, so geht es natürlich auch!

Die 2. und viel wichtigere Sache, die zu erledigen war:  ein Service für das bici. Es gab in der Nähe des Hotels eine Radwerkstatt mit guten Bewertungen – also nix wie hin. Dienstag Vormittag konnte ich es schon wieder abholen – komplett gereinigt und bereit für die vielen Bergetappen, die mich diese Woche erwarteten.

Am Mittwoch startete ich bei Sonnenschein und Windstille und weiter ging es Richtung Süden am Tyrrhenischen Meer entlang. Zuerst fährt man noch eine ganze Weile am lungomare – das ist immer ein sehr angenehmes und entspanntes Radfahren bevor ich dann auf der Bundesstraße weiter radelte, aber auch dort war der Verkehr erträglich. Solange nicht Unmengen an LKW‘s an mir vorbeibrettern, ist mir der Verkehr mittlerweile ziemlich egal. 

Südlich von Salerno kam ich durch eher häßliche Gemeinden mit viel Müll neben der Fahrbahn und auch mit Straßenstrich. Die Damen in extrem hohen Plateaustiefeln und super kurzen Röckchen warteten auf Freier und so manches Geschäft wurde auf einem der weniger einsehbaren Parkplätze, versteckt hinter Büschen, gleich abgewickelt. Es gab entlang der Straße aber auch grindig wirkende Absteigen, die sicherlich auch einen Quickie-Check In anbieten.

Dann ging es mehr oder weniger von einem Strand zum nächsten, vorbei an (noch geschlossenen) Luxushotels – und auch das war wieder Genussradeln pur. Auf einem der Strände stand ein VW Bus mit UK Kennzeichen – 4 girlies saßen in der Sonne und haben Gitarre gespielt. Sie sind der Kälte Großbritanniens entflohen und befanden sich auf dem Weg nach Sizilien. Zum Großteil campieren sie wild – die meisten Campingplätze sind noch geschlossen – und genießen das Dolce Vita. Sie fanden es sehr cool, dass ich mit dem Rad so weit fahre.

Neben den Fahrten direkt am Meer standen diese Woche auch viele Höhenmeter am Programm. Um die einzelnen Orte am Meer zu erreichen, muss man über nicht all zu hohe Berge, aber in Summe kam eine beachtliche Zahl an Höhenmetern zusammen (insgesamt 3800 bei 320 gefahrenen km in 5 Tagen). Und dabei waren durchaus knackige Anstiege zu bewältigen – teilweise war es so steil, dass ich mich auch beim Schieben wirklich plagen musste, um das Rad mitsamt Packtaschen über den Berg zu bekommen. Und bei den Fahrten ins Tal wurden die Bremsen ordentlich beansprucht.

Eine unangenehme, tierische Begegnung hatte ich auf einer Nebenstraße: Ein laut bellender, aggressiver Hund kam mir entgegen. Mein 1. Gedanke: Ich hätte mich doch schon vor der Reise nach Italien gegen Tollwut impfen lassen sollen – geplant ist diese Impfung erst für Mitte/Ende März, wenn ich wieder in Österreich bin und bevor es weiter geht nach Asien. In so einem Fall heisst es Gas geben: also Gang raufschalten und ordentlich strampeln. Dieses Vieh hat tatsächlich versucht, mich ins Wadl zu beißen  – hat es aber nicht geschafft, weil ich mit einem Karacho dahingefetzt bin, dass er mich nicht fassen konnte. Er ist dann noch einige Meter hinter mir hergelaufen und hat dann irgendwann aufgegeben. 

Wenn man täglich 60 – 70 km in den Süden fährt, merkt man auch die langsame Veränderung in der Natur. Jeden Tag sieht man mehr blühende Sträucher, Bäume und Blumen,  die Vogerl zwitschern – ja, mittlerweile bin ich im Frühling angekommen. Außerdem sieht man auch sehr viele Olivenbäume und bei einigen Bauernhäusern,  die ich bei den Bergetappen passiere, hängt eine Tafel „Olivenöl zu verkaufen“. An den Berghängen sind Schaf- oder Ziegenherden, bewacht von Hunden und/oder Hirten zu beobachten.

Diese Woche habe ich immer in B+B‘s übernachtet und eines davon will ich unbedingt hervorheben: das Zia Yaya in Maratea. Fantastische, ruhige Lage direkt am Meer (nur Meeresrauschen und Vogelgezwitscher) alles ist extrem liebevoll gestaltet und die Besitzerin, Maria Rosaria ist ein wahrer Schatz. Gleich bei der Ankunft am Nachmittag gab es Espresso (ich hätte natürlich auch einen anderen Kaffee haben können), Mineralwasser und Cantuccini. Am nächsten Morgen das Frühstück auf der Terrasse über dem Meer: Rührei, 3 Scheiben frisch getoastetes Schwarzbrot, Prosciutto + 3 verschiedene Käsesorten, Crostini mit sonnengereiften Tomaten, 1 Cornetto (Croissant), 1 Riesenstück selbstgemachter, flaumiger Kuchen, Joghurt, Obst, Fruchtsaft, Kaffee. Als ich sie fragte, wer das essen soll, hat Maria nur gemeint: du hast gestern nichts zu Abend gegessen (womit sie recht hatte) und heute willst du 70 km fahren. Und ich habe wirklich fast alles aufgegessen – es hat so lecker geschmeckt. Und mein Fahrrad, das auf ihrer Terrasse (im Erdgeschoss) übernachtet hatte, hat sie mit einem Badetuch zugedeckt. So aufmerksam!

Das Frühstück ist auch deswegen eine Erwähnung wert, weil das typisch italienische Frühstück aus 1 Cornetto und Kaffee besteht und in manchen Unterkünften bekommt man auch nicht mehr.

Ich bin jetzt seit gut  5 Wochen unterwegs und es hat so ein Flow eingesetzt: weiter, immer weiter…. Ich weiss, was ich mir zutrauen kann, 70km und 1000 Höhenmeter pro Tag sind leicht zu bewältigen – es ist alles easy.

Seit heute bin ich in Amantea, wo ich in einem schönen 4 Stern Hotel direkt am Meer mit Blick auf den rauchenden Stromboli untergebracht bin und gönne mir 1 oder 2 Faulenzertage (ein gutes Buch, was Leckeres am Teller und zum Abschluss ein Eis – la vita è bella)

Salerno
Tutto Bici Romano in Salerno
Hier wird mein bici fit für die Weiterreise gemacht
Am lungomare raus aus Salerno
Traurig
Immer wieder am Strand entlang
Jetzt gehts wieder rauf auf den Berg
Zia Yaya
Heute geht es mitten durch die Frühlingswiese
Der beißt nicht mehr

IN BICI A NAPOLI und MIT HÖLLENGLOCKEN DIE AMALFIKÜSTE ROCKEN

Vor einer Woche bin ich mit dem Zug von Bologna nach Neapel gefahren, um der Kälte zu entfliehen. Ich musste an diesem Sonntagnachmittag mit dem Fahrrad nur ein paar Kilometer von Napoli Centrale ins Quartieri Spagnoli (das Spanische Viertel), wo sich mein Hotel befand, zurücklegen und habe dabei gleich einen ersten Vorgeschmack auf das bekommen, was mich hier als Radlerin erwarten wird. Auch der Riesenkontrast zwischen Nord- und Süditalien war sofort offensichtlich – während sich Bologna als die reiche, schöne, ordentliche und vielleicht auch ein bisschen überhebliche Signora präsentierte, war Neapel chaotisch, laut, dreckig aber auch sehr lebenslustig und charmant.

Auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel habe ich nirgends einen Radweg gesehen – also habe ich mich einfach mitten ins Verkehrschaos begeben und bin unversehrt im Hotel angekommen. Die roten Ampeln werden von den Neapolitanern ja nur als Empfehlung betrachtet und die Zebrastreifen stellen einfach eine Strassendekoration dar. Fast alle Autos, die ich in Neapel gesehen habe, hatten Kratzer, Dellen, abgerissene Außenspiegel oder keine Stoßstangen mehr. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sich dieses Chaos irgendwie von selbst reguliert. Neben den vielen Autos sind ja auch Unmengen an Vespas und anderer Kleinmotorräder unterwegs – alle hupen ständig, um mitzuteilen: jetzt komme ich und gebremst wird nicht!

Mein Fahrrad hat im Hotel dann überhaupt den geilsten Schlafplatz bekommen: ich durfte es im Jazzclub, der coronabedingt leider nicht bespielt wird, abstellen. Und das WiFi Passwort im Hotel lautete natürlich Maradona1960 – ich musste wirklich schmunzeln. Er wird hier noch immer verehrt wie ein Gott, obwohl es über 30 Jahre her ist, dass er den SSC Neapel aus dem Tal der Tränen geführt hat – uj, das klingt jetzt aber pathetisch, passt aber zu Maradona und Neapel.

Ich habe 3 Tage in dieser chaotischen Stadt verbracht und diese sehr genossen. Niemals hatte ich das Gefühl, dass es gefährlich ist – überall waren Unmengen an Menschen auf der Strasse. Leider hat man auch sehr viele Obdachlose, die sich auf den Gehsteigen ihre Schlafstätten hergerichtet hatten, gesehen.

Pompei und Vesuv habe ich im Rahmen einer geführten Tagestour gemacht – das war sehr interessant und außerdem habe ich ein paar nette Leute, die ebenfalls diese Tour gebucht haben, kennengelernt. Ilaria und Flaka (Mutter und Tochter) aus dem Kosovo und Jan aus der Schweiz. Flaka macht gerade ihren PhD in Medizin in Basel und ihre Mutter Ilaria lebt in Prizren im Kosovo. Jan hat seinen letzten Job mit Jahresende gekündigt und seine neue Beschäftigung beginnt erst im März – also nutzt er die Zeit, um Italien mit dem Zug zu bereisen – ohne Frau und Kinder (er hat gemeint, dass es gut ist, dass er Urlaub von der Familie machen kann und seine Frau ist froh, dass sie Urlaub von ihm machen kann). Ja, so kann das auch funktionieren. Wir 4 haben uns sehr gut verstanden und über Gott und die Welt diskutiert.

Und kulinarisch gibt Neapel natürlich auch was her: hier habe ich auf meiner Reise die 1. Pizza und das 1. Eis (die Temperaturen passen) genossen. Beides hat fantastisch gemundet.

Am Donnerstag ging es dann weiter Richtung Süden. Zuerst musste ich aber einmal raus aus der Stadt und das in der Rush Hour. Es war nicht nur der Wahnsinnsverkehr (man muss wirklich aufpassen wie ein Haftelmacher), sondern auch die Strasse (alles Kopfsteinpflaster) stellte eine Herausforderung dar. Nach einer gefühlten Ewigkeit, müde vom konzentrierten Fahren und durchgeschüttelt war ich froh, endlich einen Radweg befahren zu können. Und auch dort hieß es aufpassen: immer wieder lagen Glasscherben auf der Fahrbahn.

Irgendwann habe ich Neapel hinter mir gelassen und bin durch kleinere Städte geradelt und dabei habe ich bemerkt, dass die Kette ein komisches Geräusch macht. Wahrscheinlich muss sie geölt werden – ich war gerade am Überlegen, ob ich das gleich erledigen soll (ich habe Kettenöl dabei) oder erst, wenn ich am Zielort bin, da sehe ich eine Fahrradwerkstätte. Ein junger Mann schraubte gerade an einem Fahrrad herum – neugierig wollte er gleich wissen, woher ich komme. Als ich ihm sagte, dass ich aus Österreich hergeradelt bin (ausgenommen die Strecke mit dem Zug) war er ziemlich beeindruckt. Er wollte dann auch kein Geld dafür, dass er die Kette geölt hat.

Überhaupt kommen mir die Leute hier im Süden viel offener und gesprächiger vor. In einer der nächsten Ortschaften habe ich an einer Kreuzung angehalten, um am Handy zu checken, in welche Richtung ich weiter muss. 4 junge Männer, die vor einem Lokal saßen, haben mich angesprochen und auch sie waren sehr beeindruckt, dass ich mit dem Rad schon so weit gefahren bin und wollten alles mögliche wissen (wieviele km pro Tag ich fahre/ wo ich übernachte / wie alt ich bin/…) Einer ist dann in ein Geschäft gelaufen und mit einer Flasche Mineralwasser, Schokolade und 2 Orangen zurückgekommen. Mit den Worten „Du musst ja ordentlich essen und trinken“ überreichte er mir die Sachen. Mille Grazie! 

Ich bin an diesem Tag noch weiter nach Sorrento, wo ich übernachtete. Dann stand die Amalfiküste am Programm – das bedeutete einige Höhenmeter und viel Strampeln, aber auch wunderschöne Ausblicke auf das Meer. Die Küstenstraße ist um diese Jahreszeit zum Glück nicht stark befahren – ich kann mir vorstellen, wie es sich hier im Sommer abspielt.

Nach einer Übernachtung in einem tollen Bed + Breakfast in Positano (La Maliosa D‘Arienzo idyllisch über dem Meer gelegen mit Orangen/Zitronen/Olivenbäumen + Frühstück auf der Terrasse in der Sonne) ging es weiter über Minori nach Salerno. Gestern (Samstag) + heute (Sonntag) sind mir sehr viele Rennradler begegnet und die waren wirklich extrem nett. Ich habe so viele motivierende „bravissima“ und „complimenti“ Rufe gehört – einer hat laut „Super-Woman“ gerufen, gerade als ich absteigen und schieben wollte, weil es so steil war. Na, als „Super-Woman“ kann man nicht schieben, also heisst es Zähne zusammenbeissen und weiter strampeln. 

Ein Radler war bereits von weitem zu hören – er hatte eine Art Ghettoblaster dabei und spielte volle Pulle Hells Bells von AC/DC. Was für eine geile Musik zum Radfahren, gerade wenn es einen knackigen Anstieg zu bewältigen gibt. Im Rhythmus der Höllenglocken schafft man die letzten Höhenmeter mit links.

Morgen ist ein Rasttag (Wäsche waschen + Fahrradservice) bevor es weiter geht in den Süden.

Neapel
Mein Fahrrad darf im Jazzclub übernachten
Neapel
Neapel
Neapel
Der Versuch, eine Obdachlosenschlafstätte mit Stofftieren und Pflanzen etwas heimelig zu gestalten
1. Frühstück im Freien
Amalfiküste

1.000 KM GERADELT – EINE ERSTE BILANZ

Am 24.1. ging es von Ferrara recht gemütlich nach Argenta, wo ich bereits nach ein paar Stunden in meinem Quartier (Ca Morari, ein tolles Landhaus) eintraf. Für den nächsten Tag war dann eine ebenfalls sehr entspannte Tour nach Ravenna geplant – ca. 40 km sollten es werden. Der Radweg von Ferrara nach Ravenna ist streckenweise ident mit der Via Romea Germanica, das ist der 2200km lange Pilgerweg von der Hansestadt Stade nach Rom. Pilger trifft man zu dieser Jahreszeit aber nicht, ab und zu Spaziergänger, Jogger oder Rennradfahrer.

Ich plane und navigiere meine Touren über Komoot und auch auf dieser Strecke war eine Fährfahrt dabei – kein Wunder in einer Gegend, die von einem dichten Wassernetz durchzogen ist. Komoot weist bereits bei der Planung darauf hin, dass man sich im Vorfeld über die aktuellen Abfahrtszeiten der Fähre erkundigen soll. Ich habe das nicht gemacht, weil ich bei den bisherigen Fährfahrten maximal 1 Stunde auf die nächste Fähre warten musste und bin davon ausgegangen, dass es auch diesmal so sein wird. 

Also radle ich ganz relaxed am Damm entlang, das Wetter war ideal – ich konnte sogar ohne Handschuhe radeln, so warm war es. Circa 1 km vor der Anlegestelle habe ich am Damm einen älteren Spaziergänger mit angeleintem (mittelgroßen) Hund überholt. Und dann komm ich zur Anlegestelle: da steht eine Tafel mit der Information, dass es im Winter keinen Fährbetrieb gibt und die nächste Fähre am 1. März geht. Na so lang will ich dann auch nicht warten. Also, Handy raus und checken, wie (Fähre oder Brücke) und wo ich über diesen Kanal komme. 

Ich war gerade in die Planung vertieft, als dieser Spaziergänger, den ich zuvor überholt hatte, am Damm daherkam und mir etwas mit verzweifelter Stimme zurief (er stand oben am Damm und ich war unten bei der Anlegestelle). Ich habe ihn nicht gleich verstanden, hatte aber das Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt. Auch der Hund war nicht mehr bei ihm. Bei genauerem Hinsehen habe ich bemerkt, dass eine Gesichtshälfte total blutig war und in der Hand hielt er ein blutverschmiertes Stofftaschentuch. Also fuhr ich rauf zu ihm und er erzählte mir, dass sich der Hund losgerissen hat (weil er im Gebüsch ein Tier erspäht hatte) und ihn dabei zu Fall brachte. Das Resultat waren 3 ordentliche Cuts (1xStirn, 1xNase, 1xWange) und der Hund war auch verschwunden. Mit dem Stofftaschentuch hat er die Blutung so halbwegs gestillt und lehnte auch dankend ab, als ich ihm anbot, das mit meinem Erste-Hilfe-Set zu versorgen. Er meinte, das sei nicht so schlimm, viel schlimmer wäre, dass der Hund weg ist und ob ich ihm bei der Suche behilflich sein könnte. Er würde mittlerweile auf der Böschung nach dem Tier suchen.

Okay, also fuhr ich den Damm entlang und hielt Ausschau nach dem Hund und siehe da, nach ca. 1 km stand er da am Damm mit der Leine im Schlepptau. Jedes mal, wenn ich versucht habe, die Leine zu fassen, ist er ein paar Meter weiter gelaufen. In diesem Moment kommt ein Auto daher – ich habe es angehalten und dem Fahrer zu verstehen gegeben, dass dieser Hund hier einem Mann gehört, der in ca. 1km Entfernung im Bereich der Böschung verzweifelt nach eben diesem Tier sucht und ob er so nett sein könnte, mit dem Auto zu diesem Mann zu fahren und ihm zu sagen, dass der Hund gefunden wurde. Ich würde in der Zwischenzeit weiter versuchen, den Hund einzufangen.

Jetzt muss man dazu sagen, dass sowohl der Hundebesitzer, als auch der Autofahrer nur italienisch sprachen und mein italienisch nur rudimentär vorhanden ist. Ich verstehe zwar so einiges, aber wenn ich italienisch spreche, so ist das ein Misch-Masch aus spanisch (das ich so halbwegs beherrsche) und italienisch. Umso erstaunter bin ich jedes mal, wenn die Leute mein Kauderwelsch dann doch verstehen.

Es ist mir zwar nicht gelungen, den Hund einzufangen, aber schon nach ein paar Minuten kam der Autofahrer mit dem Hundebesitzer und es gab ein Happy End für Mann und Hund. 

Die beiden Herren haben sich dann von mir verabschiedet und sich bedankt – der Autofahrer hat gesagt, dass sie zum Arzt fahren, damit die Wunden professionell versorgt werden.

So, und jetzt konnte ich mich auf den weiteren Weg Richtung Ravenna machen: es gab eine Brücke in einiger Entfernung und dort konnte ich den Kanal überqueren. Wie schon erwähnt, es gibt im Po-Delta eine Unmenge an Wasserwegen und so waren noch einige Brücken zu queren, um weiter in den Süden zu gelangen. Und sobald eine dieser Brücken gesperrt ist (was bei mir der Fall war), so muss man noch einmal einige Extra-km in Kauf nehmen. Und dann war noch eine Straße, die laut Komoot (und auch laut analoger Straßenkarte) eine ganz normale öffentliche Straße sein soll, als Privatstraße mit „Durchfahrt verboten“und Hinweis auf landwirtschaftliche Schwerfahrzeuge, gekennzeichnet. Man muss aber diese Straße passieren, um zur 4km entfernten Brücke zu gelangen, es sei denn, man nimmt noch einen Umweg von 15km in Kauf. In diesem Fall bin ich einfach über die „Privatstraße“ gefahren – ich hätte mich einfach dumm gestellt, falls mich jemand aufgehalten hätte.

Aber, niemand hat mich aufgehalten und ich bin schließlich nach 80 geradelten km (statt der ursprünglich geplanten 40km) in Ravenna, der Mosaik- und Piadinastadt angekommen. Ich bin 2 Nächte in einem kleinen Hotel im Zentrum (mit einer sehr netten, engagierten Chefin) geblieben – das Fahrrad durfte in der Wäscherei des Hotels übernachten. Und so hatte ich wieder 1 Tag Zeit für Sightseeing (wunderschöne Kirchen mit bunten Mosaiken) und Faulenzen.

Dann ging es weiter über Imola nach Bologna, wo ich gestern angekommen bin (mein Fahrrad darf im Büro des Hotelmanagers übernachten:-). Und hier ist sehr viel los – die autofreie Altstadt mit Piazza Maggiore und die Mercati mit ihren kulinarischen Versuchungen sind bummvoll – alle Plätze in der Sonne sind besetzt. Aber es dürften zum Großteil Italiener sein, man hört kaum etwas anderes als Italienisch.

Mein weiterer Plan wäre jetzt gewesen, den EUROVELO 7 in den Süden zu befahren. Es ist aber noch immer sehr kalt (Morgentemperaturen um den Gefrierpunkt) und um in den Süden zu gelangen, muss man über die Berge (bis auf 1000hm) und dort ist es noch einmal kälter (wahrscheinlich sogar mit Schnee und Eis und das hatte ich ja schon). Und irgendwie habe ich von der Kälte schon genug – an Tagen ohne Sonne komme ich immer mit eiskalten Füßen in der Unterkunft an und es dauert ewig, bis ich wieder aufgewärmt bin.

Daher habe ich beschlossen, morgen mit dem Zug nach Neapel zu fahren und von dort eventuell gleich weiter mit der Fähre nach Sizilien – dort gibt es Morgentemperaturen von 10° und tagsüber bis 16°.

Und nun zum Thema dieses Eintrags: ich stehe momentan bei 1.020 geradelten km – Zeit auch für eine 1. Bilanz.

1) Mir geht es gut: Bis auf die kalten Füße an den bedeckten Tagen, kann ich mich über nichts beklagen – keine Kreuzschmerzen von der Radlerhaltung, keine Knieprobleme, keine eingeschlafenen Hände und mein Allerwertester beschwert sich auch nicht.

Andererseits ist es auch nicht schwierig: ich habe die 1020 km in 15 Radlertagen zurückgelegt, d.h. durchschnittlich 68 km pro Radlertag und das ist keine große Herausforderung, zumal es ja fast immer eben dahin geht.

Dazu kommt, dass ich keinen Stress habe: ich kann jeden Tag ausschlafen und dann ausgiebig frühstücken, bevor es um ca. 10:00 los geht. Keine Sorgen quälen mich – ich kann in den Tag hineinleben und schauen, was er so bringt.

Und mein allergrößter Luxus ist, dass ich über unbegrenzte Zeit verfüge. Ich kann jederzeit einen Pausentag einlegen oder sagen: heute fahre ich nur 20km. Und auch das Wissen, dass ich jederzeit in meine homebase nach Österreich zurückkehren kann, falls mich das Heimweh packt.

2) Ausstattung: auch hier habe ich nichts zu bemängeln. Das Fahrrad läuft und läuft – oft habe ich das Gefühl, es läuft von allein und das Gewicht, das ich zugeladen habe (ca. 16kg) bemerke ich nicht einmal. Auch die Packtaschen waren eine gute Wahl – alles ist gut verstaut. USB-Werk: ich hänge das Handy beim Wegfahren an (es sei denn, ich fahre noch mit eingeschaltetem Licht wegen Nebel weg) und bei der Ankunft habe ich noch immer 100% Akku. Sattel: ganz wichtig – ich mag diese „Windel“Radlerhosen nicht und fahre mit einer elastischen, robusten Winter-Trekkinghose (Ophit Plus 2.0 von Maier Sports), ohne dass mir der Hintern weh tut. Und meine Navigations APP von komoot macht das Radfahren erst so richtig kommod. 

3) Was ich gar nicht mag:

Schwerverkehr: der stresst mich tatsächlich ein bisschen. Mit Hilfe von komoot schau ich jetzt immer, ob es eine Alternativroute auf Nebenstraßen gibt und wenn es nicht mehr als 15-20 Extra-km sind, nehme ich diese.

Gegenwind: da heißt es ordentlich strampeln

Fahrten durch Industrieviertel (zona industriale): das ist immer trostlos, auch wenn es einen Radweg gibt, ist es laut und die Luft ist schlecht

Fahrten vorbei an Shopping Centern: ist genau so schlimm wie die Industrieviertel

Fahrten durch charmbefreite Stadtviertel

Müll neben den Straßen

4) Was ich mag:

Fahrten auf Nebenstraßen durch verschlafene Nester, wo man höchstens mal eine Katze vor dem Haus in die Sonne blinzeln sieht

Begegnungen mit anderen Radfahrern: die Rennradler begrüßen einen immer schon von weitem mit einem lauten freundlichen Ciao

Radwege

Autofreie Stadtzentren

Sonstige Begegnungen: das ist immer nett

Wenn mein italienisch-spanisch Kauderwelsch verstanden wird

dass alles VIEL einfacher ist, als man es sich vorgestellt hat

 

Bis 1. März warte ich sicher nicht
Frühstück in Ravenna
Piadina überall in Ravenna
Mosaike in Ravenna
Ravenna
Mit so einem Schnuffi wäre es sicher auch nett, die Landschaft zu erkunden
Bologna, man beachte la Signora rechts
Bologna
Bologna
Bologna
Bologna
Bologna

BENVENUTI A FERRARA

Am 18. Jänner habe ich Venedig Richtung Süden verlassen. Zuerst den Lido entlang, dann die Fähre nach Pellestrina – diese Insel dann vom Norden nach Süden geradelt und von dort die 2. Fähre nach Chioggia. Bis dahin war es sehr angenehm – fast kein Verkehr, Pellestrina wirkt sehr verschlafen und das Wetter hat auch mitgespielt (Sonne, kein Wind). 

Da mein Ziel für diesen Tag Porto Tolle im Po-Delta war, hatte ich noch einige km vor mir. Ich versuche zwar immer, Radwege und Nebenstraßen zu nehmen – dies ist aber nicht immer möglich und so habe ich an diesem Tag Bekanntschaft mit dem Schwerverkehr auf der Via Romea gemacht. Es war echt ein Wahnsinn – teilweise sind 10 – 15 fette Brummer im Konvoi an mir vorbeigedonnert. Dann war kurz Ruhe bevor ich im Rückspiegel die nächsten LKW‘s anrollen sah. 

Zum Glück war der Pannenstreifen relativ breit, sodass ich mich dort halbwegs sicher fühlte – leider gab es aber auch Abschnitte ohne Pannenstreifen und dann mussten die Fahrzeuge wirklich ausweichen (bei starkem Gegenverkehr), um überholen zu können. Na da hab ich mit den Ohren geschlackert und war froh, als ich die Bundesstraße endlich verlassen konnte. Die restliche Fahrt war wieder sehr angenehm auf einem Radweg direkt am Fluß.

Die nächsten 2 Tage verbrachte ich im Po-Delta, wo ich die verschiedenen Kanäle entlanggefahren bin – das war sehr entspannt. Auch dort habe ich sehr viele Nutrias gesehen – neben Wildenten, Gänsen, Reihern und Möwen die Tiere, die man im Winter am häufigsten sieht. Die rosa Flamingos, die in dieser Gegend auch häufig vorkommen, sind um diese Jahreszeit noch in wärmeren Gefilden.

Ich wollte dann eigentlich direkt weiter nach Ravenna – meine Gastwirtin in Pomposa (Abtei und interessante Holzskulpturen von Enrico Menegatti) hat mir dann aber von einem tollen Radweg nach Ferrara vorgeschwärmt und als ich dann noch rausfand, dass Ferrara DIE Fahrradstadt Italiens ist, habe ich beschlossen, einen Abstecher in diese Stadt zu machen. Und ich wurde nicht enttäuscht – im Gegenteil: Ferrara ist eine wirklich sympathische, sehr schöne Renaissancestadt mit einer der ältesten Universitäten. In die Altstadt, die von einer mittelalterlichen Stadtmauer umgeben ist, darf man nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Und es sind wirklich sehr viele Radfahrer (trotz Morgentemperaturen um 0 Grad) unterwegs. Es gibt eine Statistik, die besagt, dass 90% der Einwohner von Ferrara mit dem Rad fahren und jeder durchschnittlich 2,8 Fahrräder besitzt. Für eine Autofahrernation wie Italien ist das ein erstaunlicher Wert.

Was mir auf den (Rad)Wegen sonst noch aufgefallen ist: viele Wege führen auf Dämmen entlang und teilweise dürfen diese auch von Autos benützt werden. Die Böschungen neben den Dämmen mit Autoverkehr sind in manchen Abschnitten stark vermüllt  (leere Plastikflaschen, leere Getränkedosen, leere Zigarettenpackungen) und hie und da auch eine ausrangierte Waschmaschine. Sehr traurig. Sobald man wieder auf Dämmen ohne Autoverkehr unterwegs ist, liegt nichts mehr herum.

Noch eine kuriose Sache: als ich an einem sehr gepflegten Feld entlang fuhr, bemerkte ich, dass ein Glas Nutella im Feld lag – ca. 10 m weiter wieder eins usw. usw…. Insgesamt habe ich 10 Gläser gezählt. Ich hab mir so meine Gedanken gemacht: vielleicht sollte das eine Markierung sein für den Bauern, damit er weiss, wo er was pflanzen soll??? Aber warum mit Nutella-Gläsern? Oder gehört  das Feld zu den Ländereien von Giovanni Ferrero, dem reichsten Italiener und Besitzer des Lebensmittelkonzerns Ferrero (der auch Nutella produziert) und er hat verfügt, dass auf seinen Latifundien nur mit Nutella-Gläsern markiert werden darf?;-)

Das sind halt die Sachen, die einen so beschäftigen, wenn man den ganzen Tag mit dem Rad in der Landschaft herumradelt.

Ja, und morgen geht es wirklich weiter Richtung Ravenna und dann am Meer entlang in den Süden.

Pellestrina
Immer am Meer entlang
Hinterholz 8
Schon wieder eine schöne Allee
Der Anblick dieser ehemaligen Zuckerfabrik in Porto Tolle lässt die Herzen der location scouts höher schlagen
Am Damm entlang
Im Po-Delta
Skulptur von Enrico Menegatti vor der Abtei von Pomposa - im Hintergrund steht noch ein Dinosaurier
Hier ist es angenehm zu radeln
Castello Estense, Ferrara
Fleißige Studenten in der Bibliothek im Palazzo Paradiso
Radwerkstatt in Ferrara
Radwerkstatt
Am Markt
Radständer gibts hier genug
Mein Rad darf hier sogar im Seminarraum des Hotels übernachten
Und noch mal Enrico Menegatti