Vor einer Woche bin ich mit dem Zug von Bologna nach Neapel gefahren, um der Kälte zu entfliehen. Ich musste an diesem Sonntagnachmittag mit dem Fahrrad nur ein paar Kilometer von Napoli Centrale ins Quartieri Spagnoli (das Spanische Viertel), wo sich mein Hotel befand, zurücklegen und habe dabei gleich einen ersten Vorgeschmack auf das bekommen, was mich hier als Radlerin erwarten wird. Auch der Riesenkontrast zwischen Nord- und Süditalien war sofort offensichtlich – während sich Bologna als die reiche, schöne, ordentliche und vielleicht auch ein bisschen überhebliche Signora präsentierte, war Neapel chaotisch, laut, dreckig aber auch sehr lebenslustig und charmant.
Auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel habe ich nirgends einen Radweg gesehen – also habe ich mich einfach mitten ins Verkehrschaos begeben und bin unversehrt im Hotel angekommen. Die roten Ampeln werden von den Neapolitanern ja nur als Empfehlung betrachtet und die Zebrastreifen stellen einfach eine Strassendekoration dar. Fast alle Autos, die ich in Neapel gesehen habe, hatten Kratzer, Dellen, abgerissene Außenspiegel oder keine Stoßstangen mehr. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sich dieses Chaos irgendwie von selbst reguliert. Neben den vielen Autos sind ja auch Unmengen an Vespas und anderer Kleinmotorräder unterwegs – alle hupen ständig, um mitzuteilen: jetzt komme ich und gebremst wird nicht!
Mein Fahrrad hat im Hotel dann überhaupt den geilsten Schlafplatz bekommen: ich durfte es im Jazzclub, der coronabedingt leider nicht bespielt wird, abstellen. Und das WiFi Passwort im Hotel lautete natürlich Maradona1960 – ich musste wirklich schmunzeln. Er wird hier noch immer verehrt wie ein Gott, obwohl es über 30 Jahre her ist, dass er den SSC Neapel aus dem Tal der Tränen geführt hat – uj, das klingt jetzt aber pathetisch, passt aber zu Maradona und Neapel.
Ich habe 3 Tage in dieser chaotischen Stadt verbracht und diese sehr genossen. Niemals hatte ich das Gefühl, dass es gefährlich ist – überall waren Unmengen an Menschen auf der Strasse. Leider hat man auch sehr viele Obdachlose, die sich auf den Gehsteigen ihre Schlafstätten hergerichtet hatten, gesehen.
Pompei und Vesuv habe ich im Rahmen einer geführten Tagestour gemacht – das war sehr interessant und außerdem habe ich ein paar nette Leute, die ebenfalls diese Tour gebucht haben, kennengelernt. Ilaria und Flaka (Mutter und Tochter) aus dem Kosovo und Jan aus der Schweiz. Flaka macht gerade ihren PhD in Medizin in Basel und ihre Mutter Ilaria lebt in Prizren im Kosovo. Jan hat seinen letzten Job mit Jahresende gekündigt und seine neue Beschäftigung beginnt erst im März – also nutzt er die Zeit, um Italien mit dem Zug zu bereisen – ohne Frau und Kinder (er hat gemeint, dass es gut ist, dass er Urlaub von der Familie machen kann und seine Frau ist froh, dass sie Urlaub von ihm machen kann). Ja, so kann das auch funktionieren. Wir 4 haben uns sehr gut verstanden und über Gott und die Welt diskutiert.
Und kulinarisch gibt Neapel natürlich auch was her: hier habe ich auf meiner Reise die 1. Pizza und das 1. Eis (die Temperaturen passen) genossen. Beides hat fantastisch gemundet.
Am Donnerstag ging es dann weiter Richtung Süden. Zuerst musste ich aber einmal raus aus der Stadt und das in der Rush Hour. Es war nicht nur der Wahnsinnsverkehr (man muss wirklich aufpassen wie ein Haftelmacher), sondern auch die Strasse (alles Kopfsteinpflaster) stellte eine Herausforderung dar. Nach einer gefühlten Ewigkeit, müde vom konzentrierten Fahren und durchgeschüttelt war ich froh, endlich einen Radweg befahren zu können. Und auch dort hieß es aufpassen: immer wieder lagen Glasscherben auf der Fahrbahn.
Irgendwann habe ich Neapel hinter mir gelassen und bin durch kleinere Städte geradelt und dabei habe ich bemerkt, dass die Kette ein komisches Geräusch macht. Wahrscheinlich muss sie geölt werden – ich war gerade am Überlegen, ob ich das gleich erledigen soll (ich habe Kettenöl dabei) oder erst, wenn ich am Zielort bin, da sehe ich eine Fahrradwerkstätte. Ein junger Mann schraubte gerade an einem Fahrrad herum – neugierig wollte er gleich wissen, woher ich komme. Als ich ihm sagte, dass ich aus Österreich hergeradelt bin (ausgenommen die Strecke mit dem Zug) war er ziemlich beeindruckt. Er wollte dann auch kein Geld dafür, dass er die Kette geölt hat.
Überhaupt kommen mir die Leute hier im Süden viel offener und gesprächiger vor. In einer der nächsten Ortschaften habe ich an einer Kreuzung angehalten, um am Handy zu checken, in welche Richtung ich weiter muss. 4 junge Männer, die vor einem Lokal saßen, haben mich angesprochen und auch sie waren sehr beeindruckt, dass ich mit dem Rad schon so weit gefahren bin und wollten alles mögliche wissen (wieviele km pro Tag ich fahre/ wo ich übernachte / wie alt ich bin/…) Einer ist dann in ein Geschäft gelaufen und mit einer Flasche Mineralwasser, Schokolade und 2 Orangen zurückgekommen. Mit den Worten „Du musst ja ordentlich essen und trinken“ überreichte er mir die Sachen. Mille Grazie!
Ich bin an diesem Tag noch weiter nach Sorrento, wo ich übernachtete. Dann stand die Amalfiküste am Programm – das bedeutete einige Höhenmeter und viel Strampeln, aber auch wunderschöne Ausblicke auf das Meer. Die Küstenstraße ist um diese Jahreszeit zum Glück nicht stark befahren – ich kann mir vorstellen, wie es sich hier im Sommer abspielt.
Nach einer Übernachtung in einem tollen Bed + Breakfast in Positano (La Maliosa D‘Arienzo idyllisch über dem Meer gelegen mit Orangen/Zitronen/Olivenbäumen + Frühstück auf der Terrasse in der Sonne) ging es weiter über Minori nach Salerno. Gestern (Samstag) + heute (Sonntag) sind mir sehr viele Rennradler begegnet und die waren wirklich extrem nett. Ich habe so viele motivierende „bravissima“ und „complimenti“ Rufe gehört – einer hat laut „Super-Woman“ gerufen, gerade als ich absteigen und schieben wollte, weil es so steil war. Na, als „Super-Woman“ kann man nicht schieben, also heisst es Zähne zusammenbeissen und weiter strampeln.
Ein Radler war bereits von weitem zu hören – er hatte eine Art Ghettoblaster dabei und spielte volle Pulle Hells Bells von AC/DC. Was für eine geile Musik zum Radfahren, gerade wenn es einen knackigen Anstieg zu bewältigen gibt. Im Rhythmus der Höllenglocken schafft man die letzten Höhenmeter mit links.
Morgen ist ein Rasttag (Wäsche waschen + Fahrradservice) bevor es weiter geht in den Süden.








Jan sagt:
Liebe Monika
Den Ausflug nach Pompei und Vesuv war wieklich wunderbar. Am nächsten Tag habe ich mich mit dem Roller an die Amalfiküste gewagt. Also Neapels Strassen wurde mit meinem Rollerausflug auch nicht sicherer 😊.
Ich wünsche dir auf deiner weiteren Reise beste Gesundheit, Glück und viele interessante und bereichernde Begnungen.
Herzliche Grüsse aus Rom
Jan
7.02.2022 — 11:29 am
Monika sagt:
Hallo Jan,
Schön zu lesen, dass du bereits in Rom bist und die Vespa-Tour an die Amalfiküste gut überstanden hast. Aber nicht dass du glaubst, du kannst in der Schweiz genau so fahren, wie in Neapel 😉
Auch dir alles Gute auf deiner weiteren Italienreise!
Monika
7.02.2022 — 2:14 pm
karin fennes sagt:
liebe Monika, schön deine Reise und all dein Erlebnisse mitzuverfolgen… oft kommen dann erinnerungen, wo ich auch war. in positano hab ich als junge frau am strand geschlafen und bin nachts mit fischern raus gefahren um tintenfische zu fangen die wir dann nächtens am offenen feuer grillten
schön dass du dein 1. frühstück im freien hattest, sicher sehr angenehm.
und gut dass du neapels verkehr hinter dir hast… gute weiterreise
lg karin
7.02.2022 — 5:43 pm
Monika sagt:
Danke Karin. Es ist jetzt schon angenehm warm – teilweise kann ich mit kurzen Ärmeln radeln und das Eis mundet auch bereits.
7.02.2022 — 6:37 pm